Unverpackt: Spaß mit Spendern

In Kiel gab es den ersten Laden, der seine Waren unverpackt verkaufte. Das schont Ressourcen und hilft, Lebensmittelverschwendung zu vermeiden, weil man nur noch so viel kauft wie man auch tatsächlich braucht.

Von Lisa Srikiow
Foto von David Maupilé

Weil sie keinen Laden fand, der auf Plastikverpackungen verzichtete, gründete Marie Delaperrière ein eigenes Geschäft. Ihr ganzes Sortiment verkauft sie lose: Das führt zu einem bewussteren Umgang mit Lebensmitteln – und mehr Kundennähe.

Tee geht immer gut, genauso wie Müsli oder Getreideflocken. Die Verkaufsschlager von Marie Delaperrière aber sind Trockenfrüchte und Eier.In ihrem kleinen Laden „unverpackt“ in der Kieler Innenstadt bietet die gebürtige Französin fast alles an, was man für den täglichen Bedarf braucht: Obst, Gemüse, Nudeln und Reis, aber auch Seife oder Duschgel. Nur eines gibt es hier nicht: Plastikverpackungen. Stattdessen reihen sich große Spender mit Teigwaren und Nüssen aneinander, Öl und Essig zapft man aus glänzenden Blechkanistern ab.

Die Kunden bringen ihre eigenen Behältnisse mit, wiegen die leeren Gefäße, füllen die Lebensmittel ab und lassen das Leergewicht an der Waage wieder abziehen. Mit ihrem Konzept will Marie Delaperrière nicht nur Plastikmüll vermeiden; sie hofft auch, dass so weniger Lebensmittel in der Tonne landen. Denn ihre Kunden kaufen nur, was sie wirklich brauchen. Vor zwei Jahren las Marie Delaperrière von einer amerikanischen Familie, die es geschafft hatte, kaum noch Müll zu produzieren. „Da hat es einfach ‚Klick‘ gemacht“, sagt Delaperrière, die mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in der Nähe ihres Ladens wohnt. „Bei jedem Produkt suchte ich nach einer Alternative ohne Verpackung.“ Mit dem Korb auf den Wochenmarkt zu gehen oder möglichst viel an der Theke zu kaufen, war ihr nicht genug.

Marie Delaperrière wusste, dass es in Frankreich und den USA Läden gab, die ihre Produkte ohne Verpackung verkauften. In Deutschland suchte sie ein solches Geschäft vergeblich. „Irgendwann dachte ich: Warum nicht selbst so einen Laden gründen?“, sagt Delaperrière. „Ich habe lange als Projektmanagerin in der Logistikbranche gearbeitet, wollte mich aber ohnehin beruflich umorientieren. So begann alles.“

Delaperrière schrieb zahlreiche Hersteller in der Region an und fragte nach Preislisten und Konditionen. Die Reaktionen waren unterschiedlich. „Manche Lieferanten waren irritiert und konnten nicht viel mit meiner Idee anfangen. Andere antworteten erst gar nicht“, sagt sie. Auch bei der Lebensmittelbehörde musste sie genau erklären, wie ein Laden ohne Verpackungen funktioniert. „Die Hygienevorschriften sind streng, deswegen verzichte ich noch auf den Verkauf von frischem Fleisch. Aber unsere Lebensmittel sind in den Spendern gut abgepackt und können nicht verunreinigt werden“, sagt sie. Ein Jahr später feierte „unverpackt“ Eröffnung – als erstes Geschäft Deutschlands, das sein gesamtes Sortiment lose verkauft.

Mittlerweile kommen immer mehr Lieferanten auf Marie Delaperrière zu. Auch eine feste Stammkundschaft hat sie bereits. „Den Kunden macht es Spaß, hier einzukaufen. Das Abfüllen an den Spendern hat etwas Spielerisches“, sagt sie. Allerdings müssen die Käufer mehr Dinge bedenken als im Supermarkt. Für einen schnellen Feierabendeinkauf braucht man darum Übung. „Es ist schon eine Umstellung. Man muss erst einmal herausfinden, wie viel man verbraucht – pro Person, pro Tag. Aber wir helfen, so viel wir können“, sagt Delaperrière. Tatsächlich kommt fast jeder Kunde mit ihr ins Gespräch: Wie viele Nudeln braucht eine vierköpfige Familie pro Woche, was kann man mit Buchweizen überhaupt kochen?

Marie Delaperrière glaubt, dass ihr Konzept eine sinnvolle Ergänzung beim Lebensmitteleinkauf ist und deswegen erfolgreich sein wird – auch wenn ihre Produkte teurer sind als in einem konventionellen Supermarkt. „Ich verkaufe Bio-Produkte aus der Region, das kostet einfach mehr. Aber wir sind nicht teurer als ein Bio-Supermarkt.“ Tatsächlich haben bereits weitere, verpackungsfreie Läden in Berlin und Bonn eröffnet. Und es werden wohl noch mehr werden. „Mir schreiben so viele Menschen, die einen solchen Laden eröffnen möchten“, sagt Delaperrière. „Denen biete ich nun an, sie bei der Umsetzung zu beraten.

(NG, Heft 2 / 2015, Seite(n) 22 bis 23)

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