Die Raumstation, die bald vom Himmel fällt

Eine chinesische Raumstation könnte bis April 2018 jederzeit auf die Erde stürzen. Das Spektakel wird mit bloßem Auge verfolgbar sein.

Von Andrew Fazekas
Veröffentlicht am 9. Nov. 2017, 03:47 MEZ
Raketenstart
Eine Rakete des Typ Long March 2F startete am 29. September 2011 mit dem ersten Modul der Raumstation Tiangong-1 ins Weltall.
Foto von Lintao Zhang, Getty

Sechs Jahre nach ihrem Start befindet sich eine Raumstation von der Größe eines Lastwagens auf einem unkontrollierten Kollisionskurs mit der Erde.

Das 8,5 Tonnen schwere chinesische Raumfahrzeug namens Tiangong-1 (übersetzt etwa „Himmlischer Ort“) ist die erste Raumstation des Landes. Sie wurde im September 2011 in den Orbit geschossen und diente als Versuchsumgebung für diverse Robotertechnologien. Während ihrer Betriebszeit gab es mehrere Andockmanöver, Begegnungen mit anderen Raumfahrzeugen und Besuche von Taikonauten. Diese Aktivitäten legten den Grundstein für eine dauerhaftere Raumstation, die China in naher Zukunft etablieren möchte.

Am 4. Mai 2017 übergaben chinesische Funktionäre den Vereinten Nationen einen Bericht, in dem stand, dass Tiangong-1 im März 2016 den Betrieb eingestellt hatte. Obwohl sie nicht länger benutzt wurde, behielt die Raumstation ihre strukturelle Integrität.

Da die Station die Erde nun jedoch auf einer Höhe von etwa 320 Kilometern umkreist, hat sie langsam mit dem Luftwiderstand zu kämpfen, da sie an der dichteren, äußeren Atmosphäre des Planeten entlangschrammt. Ohne Schubdüsen, mit denen sie wieder in größere Höhen geraten kann, verliert die Station jeden Tag etwa 160 Meter Höhe. Bei diesem Tempo wird sie zwischen Oktober 2017 und April 2018 ihren feurigen Wiedereintritt in die Erdatmosphäre beginnen. 

Erst letzte Woche zog ein Objekt aus dem All eine feurige Spur über den Vereinigten Arabischen Emiraten durch den Himmel. Laut Berichten handelte es sich dabei höchstwahrscheinlich um ein russisches Frachtschiff voller Müll, das vor Kurzem die ISS verließ und beim Wiedereintritt absichtlich in Flammen aufging.

Das genaue Wiedereintrittsdatum für Tiangong-1 ist aktuell noch unbekannt, da sich die Dichte der oberen Atmosphäre je nach Sonnenaktivität ändert, sagt Jonathan McDowell. Der Astronom arbeitet am Harvard-Smithsonian Zentrum für Astrophysik.

„Zum jetzigen Zeitpunkt können wir die Daten nur für einen oder zwei Monate vorhersagen, also ungefähr bis Januar“, erklärt er. „Wenn es nur noch etwa 24 Stunden sind, könnten wir in der Lage sein, die Wiedereintrittszeit bis auf etwa drei Stunden genau vorherzusagen.“

Es ist auch nicht einfach zu sagen, über welchem Ort der Erde die Station verglühen wird. In drei Stunden vollführt sie ungefähr zwei Erdumrundungen, und ihre Umlaufbahnen verlaufen zwischen dem 42. nördlichen und dem 42. südlichen Breitengrad.

BELIEBT

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    „Wir können also lediglich sagen, dass sie irgendwo zwischen diesen Breitengraden runterkommen wird, und diese Antwort wird sich auch nicht ändern, bis sie runtergekommen ist“, so McDowell.

    Man erwartet, dass die Raumstation beim Wiedereintritt auseinanderbricht. Es gibt eine geringe Möglichkeit, dass Fragmente von bis zu 100 Kilogramm gen Erde stürzen. Laut ihrem Bericht an die Vereinten Nationen sagen die chinesischen Funktionäre jedoch, die Gefahr dafür sei ziemlich gering, dass irgendeines der Bruchstücke die feurige Reise überlebt.

    „Die Wahrscheinlichkeit, die Aktivitäten der Luftfahrt oder am Boden zu gefährden, ist sehr gering“, steht in dem Bericht.

    McDowell stimmt zu. Er vermutet, dass ein paar kleine Fragmente es bis auf die Erde schaffen werden, aber sieht auch nur sehr geringe Chancen für Schäden an Mensch und Eigentum. Außerdem verweist er darauf, dass Tiangong-1 nur ein Zehntel der Masse hat, die das riesige Skylab der NASA oder die russische Raumstation Mir hatten. Als diese Stationen abstürzten, schafften es einige Trümmerteile bis auf die Oberfläche, aber nur in abgelegenen und unbewohnten Regionen.

    Mit mehr als 50.000 Teilen Weltraumschrott, die aktuell im Orbit um die Erde herum verfolgt werden, machen sich Weltraumagenturen und Satellitenunternehmen hauptsächlich Sorgen um Kollisionen im Orbit, so McDowell.

    „Weltraumschrott ist ein großes und wachsendes Problem, aber eher, da Satelliten miteinander kollidieren könnten, und weniger, weil Dinge vom Himmel fallen“, sagt er. „Wenn wir das nicht in Ordnung bringen, könnte der Weltraum für uns unbenutzbar werden, weil so viele Trümmerteile dort herumfliegen.“

    Anstatt sich sorgen zu müssen, können Himmelsbeobachter Tiangong-1 ganz einfach mit bloßem Auge auf ihrer Umlaufbahn verfolgen. Die Station ist leicht von vorbeifliegenden Flugzeugen zu unterscheiden: Wie viele Satelliten und die ISS sieht Tiangong-1 wie ein nicht flackernder, weißer Stern aus, der schnell über den Himmel gleitet.

    Wer in den mittleren Breitengraden der nördlichen und südlichen Hemisphäre lebt, hat die beste Chance, die Station abhängig vom Datum zu sehen. Während der zweiten Oktoberhälfte haben eher die Beobachter auf der südlichen Hemisphäre eine klare Sicht auf die Station, während die nördliche Hemisphäre dann ab Anfang November ihre Chance bekommt.

    Die genauen Beobachtungszeiten kann man auf diversen Seiten wie beispielsweise „Heavens Above“ erfahren. 

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