Firewalls und Quantenverschränkung: Die Natur der Schwarzen Löcher

2014 erklärte Stephen Hawking, dass es keine Schwarzen Löcher im eigentlichen Sinne gäbe. Die Wissenschaft ist auf der Suche nach einer Lösung für die Widersprüche.

Von Charles Q. Choi
Veröffentlicht am 14. März 2018, 17:40 MEZ
Schwarzes Loch
Eine künstlerische Darstellung eines Supermassereichen Schwarzen Lochs. Diese unglaublich dichten Objekte befinden sich im Herzen mancher Galaxien.
Foto von ILLUSTRATION VON NASA/JPL/CALTECH

Es gibt keine Schwarzen Löcher – jedenfalls nicht in der Form, die wir bisher vermuteten, erklärte der renommierte Physiker Stephen Hawking 2014.

In einer Studie, die er im selben Jahr veröffentlicht hatte, postulierte er zudem, dass Schwarze Löcher keine „Firewall“ – einen zerstörerischen Strahlungsgürtel – hätten. Manche Forscher vermuten, dass ein solcher Gürtel alles vernichten würde, was hindurchfliegt, während andere ihn für unmöglich halten.

Generell nimmt man an, dass die Anziehungskraft Schwarzer Löcher so groß ist, dass ihnen nichts entkommen kann – nicht mal Licht, weshalb sie als Schwarze Löcher bezeichnet werden. Die Grenze, ab der eine Umkehr unmöglich ist, wird als Ereignishorizont bezeichnet.

Bei diesem Konzept wird jegliche Information, die den Ereignishorizont passiert, zerstört. Das führt allerdings zu einem Problem: Laut der Quantenphysik – bisher unser bestes Modell dafür, wie das Universum auf subatomarer Ebene funktioniert – kann Information niemals zerstört werden, was zu einem fundamentalen theoretischen Konflikt führt.

KEIN EREIGNISHORIZONT

Hawking schlug eine Lösung für dieses Paradoxon vor: Schwarze Löcher haben keinen Ereignishorizont und zerstören deshalb auch keine Informationen.

„Das Fehlen von Ereignishorizonten bedeutet, dass es keine Schwarzen Löcher im Sinne von Systemen gibt, aus denen das Licht nicht entkommen kann“, schrieb Hawking in der Abhandlung, die er am 22. Januar 2014 online veröffentlichte. Sie basierte auf einem Vortrag, den er im August zuvor bei einem Workshop am Kavli Institut für theoretische Physik im kalifornischen Santa Barbara gehalten hatte.

Hawking nahm an, dass Schwarze Löcher einen „scheinbaren Horizont“ haben, der Materie und Energie nur temporär gefangen hält. Beides könne letztendlich in Form von Strahlung entweichen. Diese ausgehende Strahlung enthält alle ursprünglichen Informationen über das, was den scheinbaren Horizont passiert hat, allerdings in deutlich anderer Form. Da die ausgehenden Informationen durcheinandergewürfelt sind, schreibt Hawking, gibt es keinen praktischen Weg, um ihre ursprüngliche Form zu rekonstruieren. Diese Verwürfelungen treten auf, da der scheinbare Horizont chaotisch ist – ein wenig wie das Wetter auf der Erde.

Wir können anhand der Informationen, die das Schwarze Loch verlassen, nicht rekonstruieren, was hineinfiel, schreibt er, genauso „wie man das Wetter nicht mehr als ein paar Tage im Voraus vorhersagen kann“.

KEINE FEUERWÄNDE

Hawkings Argumente gegen Ereignishorizonte scheinen auch die sogenannten Firewalls zu eliminieren – glühend heiße Strahlungsgürtel, die einigen Wissenschaftlern zufolge am Ereignishorizont oder in dessen Nähe existieren sollen. Allerdings ist diese Theorie durchaus kontrovers.

Um die Tragweite dieser Revision zu begreifen, hilft es, sich Hawkings Schlussfolgerung über Schwarze Löcher ins Gedächtnis zu rufen, zu der er schon vor Jahrzehnten kam: Schwarze Löcher sind gar nicht vollkommen „schwarz“. Stattdessen geben sie knapp hinter ihrem Ereignishorizont Strahlung ab. Die Energie ihres Gravitationsfelds lässt im umliegenden Vakuum Teilchenpaare entstehen.

Mit der Zeit verlieren die Schwarzen Löcher durch die Erzeugung dieser sogenannten Hawking-Strahlung an Masse oder könnten theoretisch sogar ganz verschwinden.

Laut dieser Theorie sollten die Teilchen der Paare miteinander verschränkt sein. Das bedeutet, dass die Teilchen unabhängig von der Distanz zwischen ihnen miteinander verbunden sind. Ein Teilchen des Paares fällt in das Schwarze Loch, während das andere entkommt.

Neuere Analysen lassen vermuten, dass jedes Teilchen, welches das Schwarze Loch verlässt, auch mit jedem anderen Teilchen verschränkt sein muss, das das Schwarze Loch bereits verlassen hat. Das widerspricht einem ausgiebig getesteten Prinzip der Quantenphysik, welches besagt, dass eine solche Quantenverschränkung immer monogam ist – sie besteht ausschließlich zwischen zwei Teilchen vom Zeitpunkt ihrer Entstehung an.

Da kein Teilchen gleichzeitig zwei Verschränkungen haben kann, muss theoretisch eine dieser Verschränkungen aufgehoben werden. Dadurch werden große Energiemengen freigesetzt, welche die Firewall bilden.

Firewalls befolgen die Regeln der Quantenphysik und lösen daher das Problem der Schwarzen Löcher hinsichtlich der Quantenverschränkung. Allerdings werfen sie ein anderes Problem auf, indem sie dem wohlerprobten Äquivalenzprinzip von Einstein widersprechen, demzufolge die Überquerung des Ereignishorizonts eines Schwarzen Loches ein unscheinbarer Vorgang sein sollte. Ein hypothetischer Astronaut, der den Ereignishorizont überqueren würde, sollte das eigentlich nicht mal merken. Wenn es allerdings eine Firewall gäbe, würde der Astronaut augenblicklich verbrennen. Da solche Firewalls Einsteins Prinzip verletzen würden, war Hawking genau wie andere Wissenschaftler auf der Suche nach einem Beweis ihrer Unmöglichkeit.

„Es klingt fast so, als würde er die Feuerwand durch eine Chaoswand ersetzen“, sagte der Physiker Joe Polchinski vom Kavli Institut 2014 über Hawkings Arbeit.

OFFENE FRAGEN

Der Quantenphysiker Seth Lloyd vom MIT fand, dass Hawkings Idee sich gut eignete, um Firewalls zu vermeiden. Allerdings wies er auch darauf hin, dass sie sich nicht wirklich mit dem Problem befasste, welches Firewalls aufwerfen.

„Ich würde davor warnen zu glauben, dass Hawking eine dramatische neue Lösung gefunden hat, die alle Fragen über Schwarze Löcher beantwortet“, sagte der theoretische Physiker Sean Carroll vom California Institute of Technology. „Diese Probleme sind alles andere als gelöst.“

Der theoretische Physiker Leonard Susskind von der kalifornischen Stanford Universität vermutet, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, um die Probleme rund um Schwarze Löcher zu lösen. Die Arbeit von Susskind und seinem Kollegen Juan Maldacena lässt beispielsweise vermuten, dass die Quantenverschränkung mit Wurmlöchern in Zusammenhang stehen könnte. Dieser Gedanke könnte als Basis für weitere Forschungen dienen, welche die Firewall-Kontroverse auflösen könnten, so Susskind.

Der theoretische Physiker Don Page von der Universität von Alberta im kanadischen Edmonton wies darauf hin, dass es keine Möglichkeit geben wird, um Hawkings Theorie in nächster Zeit mit Beweisen zu untermauern. Astronomen können derzeit kein anderes Verhalten von Schwarzen Löchern beobachten als jenes, welches sie bereits beobachtet haben.

Dennoch könnte Hawkings Vorschlag „vielleicht zu einer umfassenderen Theorie der Quantenschwerkraft führen, die andere Vorhersagen trifft, welche man dann testen kann“, sagte Page.

 Charles Q. Choi auf Twitter und Google+ folgen.

BELIEBT

    mehr anzeigen
    loading

    Nat Geo Entdecken

    • Tiere
    • Umwelt
    • Geschichte und Kultur
    • Wissenschaft
    • Reise und Abenteuer
    • Fotografie
    • Video

    Über uns

    Abonnement

    • Magazin-Abo
    • TV-Abo
    • Bücher
    • Disney+

    Folgen Sie uns

    Copyright © 1996-2015 National Geographic Society. Copyright © 2015-2024 National Geographic Partners, LLC. All rights reserved