Neue Mission der NASA gestartet: Lucy ist auf dem Weg zum Jupiter

Die Raumsonde Lucy nimmt Kurs auf die Trojaner – Asteroiden, die den Gasriesen auf seiner Umlaufbahn begleiten – um Informationen über das frühe Sonnensystem und seine Entstehung zu sammeln.

Innerhalb von zwölf Jahren soll die Lucy-Mission der NASA sieben Asteroiden auf der Umlaufbahn des Jupiters erforschen, darunter den Doppelsteroiden Patroclus und seine Komponente Menoetius. Die Mission ist die erste, die die Jupiter-Trojaner aus nächster Nähe betrachten will.

Foto von Monica Serrano and Ronald Paniagua
Von Michael Greshko
Veröffentlicht am 19. Okt. 2021, 10:43 MESZ

Am 16. Oktober 2021 fiel endlich der Startschuss für die Raumfahrtmission Lucy, die bereits im Jahr 2017 für das Discovery-Programm der NASA ausgewählt wurde. Ziel der zwölfjährigen Mission ist die Erforschung der trojanischen Asteroiden des Planeten Jupiter, die in zwei Schwärmen auf seiner Umlaufbahn folgen und vorauseilen. Die Raumsonde wird auf ihrer Reise mehr als sechs Milliarden Kilometer zurücklegen und dabei mehrmals in die Schwärme eintauchen. Insgesamt soll sie sieben Trojaner sowie einen zusätzlichen achten Asteroiden untersuchen, der sich im Hauptgürtel zwischen Mars und Jupiter befindet.

„Lucy wird eine Region unseres Sonnensystems erforschen, über die wir bisher kaum etwas wissen“, sagt Adriana Ocampo, Leiterin des Lucy-Programms.

Bisher kennen Planetenwissenschaftler die Jupiter-Trojaner nur als Lichtpunkte im Nachthimmel. Lucy wird sich ihnen auf mehr als 965 Kilometer annähern und unterwegs den Rekord für die meisten Asteroiden brechen, die jemals von einem Raumflugzeug besucht wurden.

Die Atlas V-Rakete der United Launch Alliance wird am Donnerstag, den 14. Oktober 2021 auf die Abschussrampe des Space Launch Complex 41 der Cape Canaveral Space Force Station in Florida gerollt. An Bord: die Raumsonde Lucy.

Foto von Bill Ingalls, NASA

Die Mission ist erst die zehnte, die den Jupiter ansteuert. Ihr erstes Etappenziel, das Lucy planmäßig im Jahr 2025 erreichen soll, ist ein Asteroid im Hauptgürtel. Von dort geht die Reise weiter zu den Jupiter-Trojanern, an denen die Sonde zwischen 2027 und 2033 mehrmals vorüberfliegen wird. Dabei soll sie Farbe, Zusammensetzung, Dichte und die Krater der Asteroiden dokumentieren. Daten, von denen sich die Forscher erhoffen, zu verstehen, wie das Sonnensystem entstanden ist. Außerdem könnten mithilfe der neugewonnenen Informationen präzisere Simulationen des frühen Sonnensystems erstellt werden.

Benannt ist die Raumsonde nach dem berühmten 3,2 Millionen Jahre alten Fossil eines frühen Verwandten des modernen Menschen, das im Jahr 1974 gefunden wurde. Tatsächlich haben die Jupiter-Trojaner und die urzeitlichen Knochen eine große Gemeinsamkeit: Beide sind Relikte einer längst vergangenen Zeit, die Wissenschaftlern dabei helfen können, die Rätsel der Gegenwart zu lösen.

„Im Grunde handelt es sich bei den Trojanern um Weltraumfossilien – um den Stoff, aus dem die Planeten gemacht sind“, erklärt Hal Levison, Forschungsleiter der Lucy-Mission vom Southwest Research Institute in Boulder, Colorado. „Wenn man den Ursprung des Sonnensystems nachvollziehen will, muss man sich mit diesen Kleinkörpern befassen.“

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    Bis sie nach sechs Jahren Flug endlich ihren Orbit um die Sonne beginnen kann, muss Lucy einige komplizierte Manöver vollbringen. Zunächst wird sie die Erde mehrmals umkreisen, um mithilfe des Gravitationsfelds den nötigen Schwung für den weiten Weg zum Jupiter zu holen. Auf ihrer Reise dorthin soll sie an dem etwa vier Kilometer großen Hauptgürtel-Asteroiden (52246) Donaldjohanson vorbeifliegen, der nach dem Paläontologen benannt ist, der im Jahr 1974 das fossile Teilskelett Lucy entdeckte.

    Im Jahr 2027 wird die Sonde schließlich erstmals den dem Jupiter vorauseilenden Trojanerschwarm durchfliegen und dabei fünf Trojaner auf einen Schlag passieren. Für das Jahr 2033 ist in der dem Jupiter folgenden Trojanerwolke ein Besuch des Doppelasteroiden Patroclus und seiner Komponente Menoetius geplant.

    Entworfen hat Lucys komplizierten Kurs durch das Sonnensystem der Missionsarchitekt Martin Sutter vom amerikanischen Rüstungs- und Technologiekonzern Lockheed Martin. „Brian hat nicht nur großartige wissenschaftliche Arbeit geleistet: Er ist ein wahrer Künstler“, sagt Hal Levison.

    Dieses Video zeigt die gesamte Lucy-Missionaus Sicht des rotierenden Jupiters, der als Fixpunkt fungiert. Auf der Umlaufbahn des Gasriesen sind zwei Jupiter-Trojaner zu sehen.
    NASA's Scientific Visualization Studio / Kel Elkins and Ernie Wright

    Obwohl die Schwaden, in denen die Trojaner um die Sonne kreisen, relativ schmal sind, unterscheiden sich die Asteroiden in ihnen stark voneinander. Sie haben verschiedene Farben – von grau bis zu einem gedämpften Rot -, weisen Abweichungen im Orbit auf und sind unterschiedlich groß: Die kleineren Asteroiden erreichen nicht einmal eine Größe von 30 Metern, der größte bekannte von ihnen, Hektor, hat eine Ausdehnung von 370 mal 195 Kilometern.

    Einige der Asteroiden weisen Ähnlichkeiten mit anderen Kleinkörpern auf, die an anderer Stelle im Sonnensystem zu finden sind. Der gräuliche Eurybates sieht zum Beispiel aus wir die Hauptgürtel-Asteroiden außerhalb der Umlaufbahn des Mars. Patroclus und Menotius hingegen haben mehr mit den Doppelasteroiden im Kuipergürtel außerhalb der Neptunbahn gemeinsam.

    „Wir haben die Mission so gestaltet, dass wir die Vielfalt der Objekte in den Trojanerwolken besonders gut erforschen können“, erklärt Cathy Olkin vom Southwest Research Institute, stellvertretende Forschungsleiterin der Mission.

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    Die Anforderungen an die Raumsonde, die diese lange Reise erfolgreich überstehen muss, sind vielfältig. Das sonnenfernste Objekt auf Lucys Ablaufplan liegt 800 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt – die Lichteinstrahlung beträgt hier nur wenige Prozent von dem, was bei uns auf der Erde erreicht wird. Damit der Solarantrieb trotzdem funktioniert, wurde Lucy mit gigantischen Sonnensegeln ausgerüstet. In den zwei Solarpanelen, die einen Durchmesser von mehr als sieben Metern haben, sind fast 8.000 einzelne Solarzellen verbaut. Das klingt beeindruckend, ist aber auch dringend nötig: Sobald die Sonde die Jupiter-Trojaner erreicht hat, beträgt die elektrische Leistung, die durch die spärliche Sonnenenergie gewonnen wird, nur noch 504 Watt – weniger als eine durchschnittliche Mikrowelle liefert.

    Weil sich die Sonde Asteroiden mit einer Geschwindigkeit von mehr als 24.000 Kilometern pro Stunde nähern wird, ist es außerdem wichtig, dass ihre Instrumente an einer extrem genau eingestellten kardanischen Aufhängung befestigt sind. Die in Lucy verbaute hochauflösende Kamera L’LORRI wird am Punkt der geringsten Entfernung zu den Trojanern dazu in der Lage sein, Aufnahmen von Oberflächen zu erstellen, die kaum größer als 7 Kilometer sind.

    „Das ermöglicht uns, Rückschlüsse auf die Geologie und Zusammensetzung der Asteroiden zu ziehen, die allein durch die Betrachtung eines Lichtpunktes durch das Teleskop niemals machbar wären“, sagt Andy Rivkin, Kleinkörper-Experte am Applied Physics Laboratory der John Hopkins University in Baltimore, Maryland.

    Neue Namen für Jupiter-Trojaner

    Astronomischen Schätzungen zufolge wird der Gasriese Jupiter von mehreren Hunderttausend Trojanern auf seiner Umlaufbahn begleitet wird. Seit der Entdeckung des ersten Jupiter-Trojaners im Jahr 1906 wurden bereits 11.000 von ihnen ausgemacht – mehr als die Hälfte davon in den Jahren seit 2010.

    Im frühen 19. Jahrhundert entdeckten Astronomen auf der Suche nach einem möglichen unbekannten Planeten zwischen Mars und Jupiter zufällig den ersten Asteroiden. Dank heutiger Raumsonden-Missionen ist es heutigen Wissenschaftlern möglich, einen genaueren Blick auf diese wichtigen Bausteine unseres Sonnensystems werfen.

    Benannt sind die Asteroiden nach Kriegern des Trojanischen Kriegs. Dabei geben griechische Helden den Asteroiden in der vorauseilenden Trojanerwolke ihren Namen, die Asteroiden des Jupiter folgenden Schwarms sind nach trojanischen Kämpfern benannt. Da aber innerhalb der nächsten zehn Jahre mit der Entdeckung weiterer Hunderttausend Trojanern gerechnet wird und die Namenspaten der Ilias begrenzt sind, musste eine Alternative gefunden werden.

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    Die Namen neuentdeckter Jupiter-Trojaner sind deswegen neuerdings an die moderner Olympioniken angelehnt. Im Jahr 2020 verkündete das Team der Lucy-Mission die Entdeckung eines kleinen Objekts, das eines der Ziele der Sonde, den Asteroiden Eurybates, umkreist. Es erhielt den Namen Queta, benannt nach der mexikanischen Leichtathletin Norma Enriqueta Basilio Sotelo, der ersten Frau, der im Jahr 1968 die Ehre zuteilwurde, das olympische Feuer zu entzünden.

    Jahrzehntelang betrachtete man die Asteroiden lediglich als Überbleibsel der Entstehung der Jupitermonde. In den vergangenen 25 Jahren zeichnete sich jedoch immer deutlicher ab, dass die Trojaner wichtige Hinweise über die chaotische Jugend des Sonnensystems liefern könnten.

    Zeit des Chaos: Die Anfänge des Sonnensystems

    Indem sie die Jupiter-Trojaner durch ihre Teleskope von der Erde aus betrachteten, stellten Astronomen ihre unterschiedliche Färbung fest und leiteten daraus ab, dass sie aus unterschiedlichen Materialien bestehen. Sie stellten sich außerdem die Frage, wie es dazu gekommen war, dass diese zusammengewürfelten Kleinkörper-Haufen sich zu den relativ stabilen und fast undurchdringlichen Schwärmen zusammenfanden, die Jupiter heute begleiten.

    „Weil sie sich die Umlaufbahn mit Jupiter teilen, sind die Trojaner im Grunde Zeugen für die Geschichte des Planeten“, sagt Simona Pirani, Postdoc an der Uni Kopenhagen, die die frühe Entstehungsgeschichte des Sonnensystems erforscht. Um das System generell zu verstehen, ist ihr zufolge von wesentlicher Bedeutung, die Vergangenheit Jupiters – dem größten Planeten unseres Sonnensystems – nachvollziehen zu können.

    Im Jahr 2005 veröffentlichten Hal Levison und seine Kollegen vom Observatoire de Nice in Nizza eine einflussreiche Hypothese, die sich mit der Zeit des Chaos während der Anfänge des Sonnensystems befasst. Sie ist heute als Nizza-Modell bekannt.

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    Sowohl dieses Modell als auch ähnliche Szenarien gehen davon aus, dass im frühen Sonnensystem weitaus mehr Kleinkörper vorhanden waren, als es heute der Fall ist: Verursacht durch die Entstehung der Planeten soll eine Scheibe aus Planetesimalen, also den Vorläufern und Bausteinen der Planeten, entstanden sein. Dem Modell nach soll es etwa 500 bis 800 Millionen Jahren zu einer Destabilisierung des noch jungen Systems gekommen sein, die dazu führte, dass Saturn, Uranus und Neptun sich dieser Scheibe näherten, was die schlagartige Zerstreuung der Planetesimale zur Folge gehabt haben soll. Darüber hinaus soll verschiedenen Theorien zufolge ein fünfter Gas- oder Eisriese existiert haben, der für noch mehr Unruhe in all dem Durcheinander gesorgt haben könnte.

    Es wird vermutet, dass Jupiter in den Wirren dieser Zeit zu seinen Trojanern kam. Seit Veröffentlichung des Nizza-Modells wurde es immer wieder von Theoretikern überarbeitet, um unter anderem Erklärungen für die ungewöhnlichen Merkmale der Asteroiden zu finden. Es wurde außerdem untersucht, ob die Jupiter-Trojaner schon zu einem früheren Zeitpunkt, als der Gasriese etwa die Größe der Erde hatte, ihren Platz an seiner Seite fanden.

    Um diese Theorien zur Entstehung und Evolution des Sonnensystems zu überprüfen, führt kein Weg an einem Besuch der Jupiter-Trojaner vorbei.

    „Ich freue mich darauf, etwas Unerwartetes herauszufinden“, sagt Hal Levison. „Ich habe keine Zweifel daran, dass es so kommen wird.“

    Dieser Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht

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