Warum Astrobiologen die eisigen Monde von Jupiter und Saturn nach außerirdischem Leben absuchen

Astrobiologen suchen nach Leben auf den eisigen Monden des Sonnensystems. Ihre Verfahren testen sie zunächst auf der Erde.

Von Nadia Drake
Veröffentlicht am 25. Okt. 2023, 13:01 MESZ
Der Saturnmond Enceladus

Unter seiner frostigen, zerklüfteten Kruste beherbergt der Saturnmond Enceladus einen globalen Ozean, der alle Zutaten enthalten könnte, die für das Leben, wie wir es kennen, notwendig sind, um zu gedeihen.

Foto von Chriss Gunn

Als ich den Gashebel drücke, gleitet und schlingert das Schneemobil durch eine Landschaft aus Schnee und Eis. Die Dämmerung taucht die Umgebung in himmlische Blautöne. Nachdem ich den Tag auf einem zugefrorenen Fjord verbracht habe, der zur norwegischen Inselgruppe Spitzbergen gehört, bin ich nun auf dem Weg zurück in die Stadt. Nicht selten tanzen hier Polarlichter über die bergigen Inseln der Hocharktis, und Narwale, Belugas und Walrosse patrouillieren das Meer. Es ist März; seit einem Monat scheint endlich wieder die Sonne.

Ich bin mit zehn Forschern unterwegs, die nach besonderen Bodenformen suchen, sogenannten Pingos – genauer gesagt nach den Mikroben, die in ihnen gedeihen. Die Kuppen im Permafrostboden sind manchmal nur kleinere Erhöhungen, können aber auch so groß wie Hügel sein. Je nach Jahreszeit dehnen sie sich aus oder ziehen sich zusammen, wenn das Wasser in ihnen gefriert oder taut – so gleichen Pingos einer eisigen Eruption in Zeitlupe. Bei Temperaturen um minus 25 Grad machen sich die Forscher mit Gewehren und Messinstrumenten mehrmals täglich auf den Weg, um Eiskerne und Wasserproben zu sammeln – immer auf der Hut vor gefährlichen Eisbären.

​Ferne Monde mit Ozeanen

Die Mikroben, die in den Pingos leben, könnten verraten, wie außerirdisches Leben auf anderen Welten im Sonnensystem überleben könnte – etwa auf fernen Monden mit Ozeanen, die unter einem Eispanzer verborgen sind. Das Leben im Inneren eines Pingos ist im Winter „nicht auf Sonnenenergie angewiesen – es nutzt nur chemische Energie“, erklärt der Mikrobiologe und Projektleiter Dimitri Kalenitchenko von der norwegischen Universität Tromsø. Die Geschichte der Erforschung sonnenarmen Lebens auf der Erde ist relativ jung. Lange Zeit „dachten wir, das Leben auf diesem Planeten sei weitgehend auf die Oberfläche beschränkt und vollkommen abhängig von der Fotosynthese“, sagt Barbara Sherwood Lollar, Geologin an der University of Toronto, die sich mit Mikroben tief im Erdinneren beschäftigt.

Ende der 1970erJahre erforschte das Tauchboot Alvin hydrothermale Schlote in der Nähe der Galápagosinseln und entdeckte in etwa 2,5 Kilometer Tiefe ein blühendes Ökosystem, das unsere Vorstellungen von den Grenzen des Lebens für immer veränderte. „So etwas zwingt uns zur Demut“, sagt Sherwood Lollar. „Es ist unglaublich, dass wir selbst auf unserem eigenen Planeten noch Lebenswelten entdecken, von denen wir bislang nicht wussten, dass es sie überhaupt gibt.“ Früher glaubten Forscher, dass die Bewohnbarkeit eines Planeten maßgeblich von seiner Entfernung zur Sonne abhängt.

​Suche nach außerirdischem Leben könnte erstmals erfolgreich sein

Doch dieses Bild ist unvollständig. Drei weit entfernte Monde, die durch die Anziehungskraft der sie umkreisenden Planeten erwärmt werden, könnten außerirdisches Leben in ihren Ozeanen beherbergen: der Jupitermond Europa, unter dessen Eispanzer ein salziges Meer schwappt, das mehr Wasser enthält als alle Ozeane der Erde, sowie die Saturnmonde Enceladus – eine kleine, eisverkrustete Welt mit einem riesigen Salzwassermeer, das durch Risse am Südpol hervorbricht – und Titan mit seinem einzigartigen Terrain aus flüssigen Kohlenwasserstoffseen und einem im Inneren verborgenen Ozean.

Jeder dieser Monde verfügt vermutlich über die Chemie, das Wasser und die Energie, die für das Leben, wie wir es von der Erde kennen, nötig sind – oder auch für Lebensformen, die wir noch nicht kennen. Vielleicht werden wir bald erfahren, ob diese Meere bewohnt sind. Eine Raumsonde der Europäischen Weltraumorganisation ESA mit dem Namen „Juice“ ist auf dem Weg zum Jupitersystem, um den Riesenplaneten und seine Eismonde, darunter Europa, zu untersuchen. Nächstes Jahr wird auch die NASA-Raumsonde „Europa Clipper“ zu Europa aufbrechen, um seine Geheimnisse zu lüften.

Noch in diesem Jahrzehnt wird die „Dragonfly“-Mission der US-Raumfahrtbehörde einen Oktokopter mit einer Reihe von Messinstrumenten zum Titan schicken. Auch Missionen zu Enceladus sind geplant. „Dies ist eine wirklich aufregende Zeit für Planetenforscher“, sagt Morgan Cable vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA. „Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit könnten wir anderswo Leben finden.“

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Foto von National Geographic

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