Unterschätzte Gefahr durch Tollwut: 4 Schritte für sicheres Reisen

Tollwut ist nahezu weltweit verbreitet. Trotzdem sind sich viele Reisende der Risiken nicht bewusst. Warum die Krankheit so gefährlich ist – und wie man sich schützen kann.

Von National Geographic & Bavarian Nordic
Veröffentlicht am 27. Sept. 2023, 14:48 MESZ
Welpen mit Touristin am Strand in Abendlicht

Eine Touristin spielt mit streunenden Hunden am Strand. Mehr als 99 Prozent der Tollwutfälle bei Menschen stammen von infizierten Hundebissen oder Kratzwunden.

Foto von Chris Clark / Pexels

Nach Jahren der Lockdowns und geschlossenen Grenzen öffnet sich unsere Welt langsam wieder. Die World Tourism Organization (UNWTWO) prognostiziert, dass der internationale Tourismus bis Ende 2023 wieder vorpandemisches Niveau erreichen wird. Doch bei aller Freude über die zurückgewonnene Normalität gilt für internationale Reisen nach wie vor Vorsicht in Sachen Krankheiten. Denn an was viele nicht denken: In den meisten Ländern dieser Welt kann man sich mit Tollwut anstecken.

Tollwut, auch Rabies, ist eine für Menschen potenziell tödliche Infektionskrankheit. Sie kommt in Reiseregionen wie Südostasien, Indien, der Karibik oder Nordafrika vor. 95 Prozent der Infektionsfälle treten dabei in Afrika und Asien auf. Die Einreisezahlen des aktuellen Jahres zeigen, dass Länder, in denen eine potenzielle Ansteckungsgefahr besteht, besonders beliebt sind. 

Eine ausgebrochene Tollwut-Erkrankung verläuft fast immer tödlich – kann jedoch durch eine Impfung verhindert werden. Wer also eine Reise geplant hat, sollte sich über die Risiken im jeweiligen Reiseland informieren, um sich und seine Angehörigen zu schützen. Was kann man bereits im Vorfeld tun? Und worauf muss man in den jeweiligen Ländern achten? 

Viele Reisende sind sich des Tollwutrisikos nicht bewusst. Ihr Verhalten kann so zu einer potenziellen Tollwutexposition führen. 

Foto von Spenser Sembrat / Unsplash

Was ist eigentlich Tollwut?

Tollwut ist eine der ältesten bekannten Zoonosen der Menschheitsgeschichte. Über die Jahrhunderte hatte die Krankheit nicht nur Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen, sondern auch auf die Kultur: Die Tollwut wurde zur Inspirationsquelle für Geschichten von Vampiren und Werwölfen, da Betroffene sich manchmal aggressiv verhalten, beißen oder unter Schlaflosigkeit leiden. 

Nach der Übertragung durch Kontakt mit infiziertem Speichel (meist durch einen Biss oder eine Kratzwunde) eines tollwütigen Tieres beträgt die Inkubationszeit typischerweise zwei bis drei Monate (mit Abweichungen von einer Woche bis zu einem Jahr): Dann beginnt das kegelförmige RNA-Virus, das zentrale Nervensystem anzugreifen. Es wandert über Rückenmark und Gehirn in die Speicheldrüsen und sorgt so dafür, dass sich klinische Symptome entwickeln.
 

Die Symptome von Tollwut

Die World Health Organization (WHO) beschreibt zwei voneinander abweichende Formen der Tollwut – die enzephalitische („wilde“) und die paralytische, also lähmende, Tollwut. Dennoch können die Symptome einer Tollwutinfektion äußerst unspezifisch sein, weshalb eine ärztliche Diagnose absolut notwendig ist.

„Anfängliche Symptome wie Fieber, Kopfschmerzen und Schwäche können vermeintlich auf eine Grippe hindeuten. Aber wenn sich die Krankheit ausbreitet, entwickeln sich schwerwiegendere und charakteristische Symptome. Bei der enzephalitischen Tollwut können es Reizbarkeit oder Hyperaktivität sein, bei paralytischer Tollwut Lähmungen und Koma“, erklärt Beatriz P. Quiambao, MD, Bereichsleiterin der klinischen Forschung am Research Institute for Tropical Medicine (RITM) auf den Philippinen. „Sobald klinische Symptome auftreten, ist Tollwut fast immer tödlich und verursacht jährlich schätzungsweise 59.000 Todesfälle weltweit. Expert*innen empfehlen Reisenden, eine Tollwutimpfung in Betracht zu ziehen, bevor sie ein Tollwut-Endemiegebiet besuchen, um das Risiko einer Infektion zu verringern.“
 

Rückschläge in der Tollwut-Bekämpfung durch COVID-19

Wenn in Deutschland ein Mensch an Tollwut stirbt, hat er sich meistens im Ausland angesteckt. Durch Jahrzehnte der Massenimpfungen von Hunden und Wildtieren wurde Tollwut in den meisten Teilen Europas weitgehend ausgerottet. Das gilt auch für Australien.

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    Massenimpfungen für Hunde helfen bei der Bekämpfung der gefährlichen Krankheit. #ZeroBy30. 

    Foto von Evan Clark / Unsplash

    In vielen anderen Ländern weltweit gab es in den vergangenen Jahren Anstrengungen, die Krankheit zu eliminieren. Durch die Pandemie mussten dabei allerdings herbe Rückschläge verzeichnet werden: „Leider wurden vor dem Hintergrund COVID-19-bezogener Einschränkungen viele Bemühungen, Tollwut in endemischen Gebieten auszurotten, pausiert. Beispielsweise waren Impfungen von Hunden mit Infektionsrisiko und begleitende Aufklärungskampagnen von Lockdownmaßnahmen betroffen“, erklärt Prof. Louis Nel, Geschäftsführer der Global Alliance for Rabies Control (GARC). Gleichzeitig seien Lieferketten unterbrochen worden, was zu Knappheit oder eingeschränktem Zugang zu Tollwutimpfungen und Postexpositions-Prophylaxe geführt habe. „Eingeschränkte Krankheitsüberwachung und -meldungen, verbunden mit einer zusätzlichen Belastung der öffentlichen Gesundheitsdienste durch COVID-19, haben zu einem Mangel an Daten und Interventionsmaßnahmen bei einer ohnehin vernachlässigten Krankheit geführt.“

    Hilfreich für den Kampf gegen Tollwut ist nicht nur Medizin, sondern auch Aufklärung: Wenn das Bewusstsein für das Risiko einer Tollwutinfektion auf Reisen geschärft wird, trägt dies dazu bei, die Übertragung dieser potenziell tödlichen Krankheit einzuschränken.

    Wie man sich auf Reisen in Tollwut-Endemiegebiete vorbereiten kann

    Auch Prof. Dr. Tomas Jelinek, Medizinischer Direktor am Berliner Centrum für Reise- und Tropenmedizin (BCRT), sieht Bedarf bei der Aufklärung. „Vielen Reisenden fehlt auch das Wissen darüber, was nach einem potenziellen Kontakt zu tun ist: Beispielsweise angemessene Erste Hilfe und dringend die rechtzeitige medizinische Behandlung, einschließlich der postexpositionellen Tollwutprophylaxe.“

    Am besten ist es, im Vorfeld zu handeln: Seit dem ersten Tollwutimpfstoff 1885 ist es möglich, sich gegen Tollwut zu schützen. Der Impfstoff ist zu fast 100 Prozent wirksam, wenn er richtig verabreicht wird. 

    Wer diese vier Schritte befolgt, kann sein Risiko minimieren und sich sicher fühlen: 

    1. Über Risiken informieren: Die meisten glauben, Tollwut könne nur an exotischen oder fernen Orten übertragen werden – dennoch sind jährlich tausende Reisende der Gefahr einer Ansteckung ausgesetzt. Jedes Säugetier kann an Tollwut erkrankt sein, Hunde sind die häufigste Infektionsquelle für Menschen. Der „beste Freund des Menschen“ wird oft besonders nah herangelassen. Tollwut kann aber auch bei Wildtieren vorkommen, zum Beispiel bei Füchsen, Waschbären, Affen und Fledermäusen, außerdem bei anderen Haustieren, einschließlich Katzen und Nutztieren. Bei der Reiseplanung sollten also die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) zu notwendigen Reiseimpfungen angeschaut und gegebenenfalls eine Auslandskrankenversicherung abgeschlossen werden. Vor Abreise kann auch ein kostenloser Online-Kurs hilfreich sein.

    Wer auf Reisen geht, sollte sich über Tollwut informieren – und vor allem darüber, wie man sich schützt. 

    Foto von Hemant / Pexels

    2. Rechtzeitig Termine für Impfungen machen: Wer sich ausreichend informiert hat, sollte sich Termine für die entsprechenden Impfungen holen. Impfungen vor einer möglichen Exposition schützen wirksam gegen Tollwut, indem sie das Immunsystem vorbereiten, das Virus zu bekämpfen, falls man von einem infizierten Tier gebissen oder gekratzt werden sollte. Arzttermine sollten, wenn möglich, einige Wochen vorab geplant werden, denn für die Impfungen sind zwei bis drei Termine vor der Abreise notwendig. Trotzdem gilt: Auch Last-Minute-Reisende sollten ihre Arztpraxis konsultieren.

    3. Vor Ort Abstand zu Tieren halten: Hunde sind zwar für die meisten Tollwut-Infektionen verantwortlich, aber auch Katzen und nichtmenschliche Primaten (häufig anzutreffen in Städten, Tempeln und Wäldern Südostasiens) sind eine Hauptexpositionsquelle für Reisende. Und obwohl man meinen könnte, es gebe offensichtliche Warnanzeichen, wie Aggressivität und Schaum vor dem Mund, können diese variieren – besonders in der Frühphase der Infektion. Eine Umfrage unter deutschen Reisenden ergab, dass sich über die Hälfte einem (mutmaßlich) gesunden Tier mit einer potenziellen Tollwutexposition aktiv angenähert hatte, in 50 Prozent der Fälle ohne konkreten Anlass. Kinder können einem noch größeren Risiko ausgesetzt sein (40 Prozent der Todesfälle sind Kinder unter 15 Jahren). Ihnen sollte man beibringen, Kontakt mit unbekannten Tieren zu meiden. 

    Affen sind eine potenzielle Quelle einer Tollwutexposition. Auch Tiere, die gesund aussehen, können Tollwut haben – und übertragen.

    Foto von Rachel Claire / Pexels

    4. Schnell handeln – auch bei kleinen Verletzungen: Nach einer potenziellen Exposition sollte man die betroffene Körperregion gründlich mit Seife und fließendem Wasser reinigen. Anschließend heißt es, sich direkt in ärztliche Behandlung zur postexpositionellen Prophylaxe (PEP) zu begeben: Medizinische Fachkräfte schätzen dort das Risiko ein und empfehlen eine angemessene PEP. Dazu können eine Impfserie und Tollwut-Immunglobulin gehören. Immunglobulin versorgt den Körper mit Antikörpern gegen den Erreger und überbrückt damit die Zeit, die er braucht, um mithilfe des Impfstoffes eigene Antikörper zu produzieren. PEP verhindert jährlich schätzungsweise 56.000 Todesfälle, doch eine solche Behandlung kann schwer zugänglich sein. Gerade wenn man in ländlichen Gegenden reist, ist die nächste Praxis oft fern. Und Verzögerungen können trotz Behandlung zu Infektionsdurchbrüchen führen. Wer sich im Vorfeld gegen Tollwut impfen lässt, kann sich Zeit verschaffen bis zur dringend notwendigen ärztlichen Behandlung. Die präexpositionelle Impfung vereinfacht außerdem den Prozess, da bei einer möglichen Infektion weniger Impfungen und kein Immunglobulin nötig sind. 

    „Schon ein kleiner Kratzer kann schwere Folgen haben“

    „Auf Reisen buchen wir Unterkünfte, wir planen, Sehenswürdigkeiten zu besuchen und neues Essen zu genießen“, sagt Prof. Dr. Jelinek, Berliner Centrum für Reise- und Tropenmedizin. Worauf sich Reisende jedoch nicht einstellen würden, seien potenzielle Krankenhausbesuche, Spritzen, zusätzliche Ausgaben oder eine vorzeitige Rückreise aufgrund einer möglichen Tollwutexposition. „Eine Tollwutimpfung und erhöhte Aufmerksamkeit können das Expositionsrisiko bei dieser tödlichen Erkrankung minimieren. Man sollte schon bei seinen Reisevorbereitungen proaktiv sein“, so Jelinek. Damit verschaffe man sich und seiner Familie innere Ruhe beim Genießen des nächsten Abenteuers.

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