Kupferminen in Rumänien: Im Schlamm begraben
Ein Fotograf protestiert künstlerisch gegen die Umweltverschmutzung im malerischen Siebenbürgen.
Noch ragt der Kirchturm wie ein mahnender Zeigefinger in der Mitte dieses Bildes aus der Giftbrühe. Bald wird auch diese Dorfkirche aus dem 19. Jahrhundert ganz verschwunden sein.
Die Kupfermine Roșia Poieni klafft wie eine Wunde im rumänischen Apuseni-Gebirge. Der in staatlicher Hand liegende Tagebau schöpft aus dem größten Kupfervorkommen Rumäniens. Zur Entsorgung der chemischen Abfälle wurden die Bewohner des benachbarten Dorfes Geamăna auf Befehl des damaligen Präsidenten Nicolae Ceaușescu 1978 umgesiedelt und das Dorf geflutet. Seither werden in das einst idyllische Örtchen und das Şesii-Tal tonnenweise Abwässer und Giftschlamm geleitet. Über die Jahre entstand so ein bunter, künstlicher See.
Gheorghe Popa wuchs etwa zwei Autostunden entfernt in der Stadt Aiud auf. Der Apotheker und Naturfotograf stieß 2014 zum ersten Mal auf die Abwasserhalde nahe Cluj. „Bis zum heutigen Tag“, sagt Popa, „kann ich den Geruch von Chemie nicht vergessen, der meinen Mund ausfüllte.“
Die bizarre Szenerie übt Faszination auf Popa aus: Inmitten einer ansonsten malerischen, unberührten Bergkette liegt dieser psychedelisch anmutende See, dessen verschlammtes Wasser von gelben, roten, orangen und türkisen Farbverwirbelungen gezeichnet ist.
Mit Aufnahme der Tagebauaktivitäten Ende der Siebzigerjahre ließ Rumäniens Regierung Hunderte von Einwohnern des Dorfes Geamăna evakuieren und das Tal fluten. Den Bewohnern zufolge hatten die Behörden versprochen, ihren Friedhof zu verlegen, was aber nicht geschah. Sämtliche Gebäude wurden ebenfalls stehen gelassen. Jedes Jahr steigt der Wasserspiegel um etwa einen Meter und verschluckt immer mehr vom Dorf. Häuser, Straßen und Bäume versinken im Schlamm.
Bei späteren Besuchen setzte der Fotograf eine Drohne ein, um den sumpfig-bunten See aus der Vogelperspektive aufnehmen zu können. Das Erscheinungsbild des Tals und die fotografischen Möglichkeiten wandeln sich permanent, abhängig von den eingeleiteten Stoffen, der Jahreszeit sowie dem vorherrschenden Licht.
Einige wenige Bewohner leben nach wie vor in Häusern oberhalb des Absetzbeckens, manche arbeiten in der Mine. Der Seespiegel steigt jedoch unaufhaltsam weiter. Popa hofft, dass seine Fotos die Betrachter zur Vorsicht mahnen. „Ich wünschte, die ‚Schönheit‘ dieser Katastrophe könnte uns für immer daran erinnern, dass wir etwas Ähnliches nie wieder zulassen dürfen.“
Die Oktober 2021-Ausgabe von National Geographic
Dieser Artikel erschien in voller Länge und mit zahlreichen weiteren Fotos von Gheorghe Popa in der Oktober 2021-Ausgabe des deutschen NATIONAL GEOGRAPHIC Magazins. Keine Ausgabe mehr verpassen und jetzt ein Abo abschließen!