Erster in Bernstein eingeschlossener Dinosaurierschwanz gefunden

Zur Freude der Wissenschaftler ist das unglaubliche, 99 Millionen Jahre alte Dino-Anhängsel mit Federn bedeckt.

Von Kristin Romey
Veröffentlicht am 9. Nov. 2017, 03:21 MEZ
Foto eines Dinosaurierschwanzes
Ein Teil des gefiederten Schwanzes eines Dinosauriers, der vor 99 Millionen Jahren lebte, ist in Bernstein konserviert. Eine Ameise und Pflanzenreste aus der Kreidezeit wurden ebenso im Harz eingeschlossen.
Foto von R.C. Mckellar, Royal Saskatchewan Museum

(Hinweis der Redaktion: Der Artikel wurde erstmal am 8. Dezember 2016 veröffentlicht.)

Der Schwanz eines 99 Millionen Jahre alten Dinosauriers inklusive Weichgewebe und sogar Federn wurde gefunden, konserviert in Bernstein – so lautet ein Bericht in der Fachzeitschrift „Current Biology“, der heute veröffentlicht wurde.

Obwohl einzelne Federn aus der Saurierzeit schon in Bernstein eingeschlossen gefunden wurden und Beweise für gefiederte Saurier in fossilen Abdrücken festgehalten sind, können Wissenschaftler nun zum ersten Mal gut erhaltene Federn eindeutig mit einem Dinosaurier in Verbindung bringen. Das wiederum ermöglicht ihnen ein besseres Verständnis für die Evolution und Struktur von Saurierfedern.

Die Forschung, die von dem Paläontologen Lida Xing der Chinesischen Universität für Geowissenschaften geleitet wurde, wurde in Teilen vom Expedition Council der National Geographic Society gefördert.

EIN AUFSCHLUSSREICHER SCHWANZ

Der halbdurchsichtige Bernstein aus der mittleren Kreidezeit hat ungefähr die Form und Größe einer getrockneten Aprikose und zeigt eine der frühesten Momente in der Ausdifferenzierung von Federn von Flugvögeln und Dinosaurierfedern.

Im Inneren des Harzklumpens befindet sich ein 3,5 cm großes Körperglied, das mit zarten Federn bedeckt ist, die als kastanienbraun mit einer blassen oder weißen Unterseite beschrieben werden.

Ein Mikro-CT-Scan ergab, dass der Schwanz mit zarten Federn bedeckt ist.
Foto von Lida Xing

CT-Scans und mikroskopische Untersuchungen der Probe zeigten acht Wirbel aus der Mitte oder dem Ende eines langen, dünnen Schwanzes, der ursprünglich aus bis zu 25 Wirbeln bestanden haben könnte.

Eine Aufnahme der Schwanzunterseite zeigt die Federanordnung
Foto von Lida Xing

Basierend auf der Struktur des Schwanzes glauben die Wissenschaftler, dass er einem jungen Coelurosaurier gehörte – eine Art, die Teil der Theropoden ist, zu denen alles vom Tyrannosaurus bis hin zu unseren neuzeitlichen Vögeln zählt.

GEFIEDERT JA, ABER KONNTE ER FLIEGEN?

Das Vorhandensein von artikulierten Schwanzwirbeln in der Probe ermöglichte es den Wissenschaftlern, die Möglichkeit auszuschließen, dass die Federn zu einem prähistorischen Vogel gehörten. Moderne Vögel und ihre nächsten Verwandten aus der Kreidezeit zeichnen sich durch eine Reihe verschmolzener Schwanzwirbel aus, auch Pygostyl genannt, die es den Schwanzfedern gestatten, sich als Einheit zu bewegen.

„[Ein Pygostyl] ist etwas, das einem untergekommen ist, wenn man schon mal einen Truthahn zubereitet hat“, erklärt der Co-Autor der Studie Ryan McKellar, Kurator der Paläontologie für wirbellose Tiere im kanadischen Royal Saskatchewan Museum.

Die Struktur der Dinosaurierfeder ist offen, flexibel und gleicht der von heutigen Zierfedern.
Foto von Royal Saskatchewan Museum

Die Dinosaurierfedern haben einen schlecht ausdefinierten Federschaft oder Rhachis und scheinen sich über beide Seiten des Schwanzes zu erstrecken. Die offene, bewegliche Struktur der Federn ähnelt eher der von Zierfedern als der von Flugfedern, die gut ausdefinierte Federschäfte, Federäste, Unterverzweigungen und Haken besitzen, welche die Struktur zusammenhalten.

Laut einem Bericht desselben Forscherteams aus dem Juni dieses Jahres wiesen Vogelflügel aus der Kreidezeit, die in Bernstein eingeschlossen waren, Federn mit bemerkenswerter Ähnlichkeit zu den Flugfedern moderner Vögel auf.

Die aktuelle Studie schlussfolgert, dass der Dinosaurier „wahrscheinlich nicht in der Lage war zu fliegen“, falls der gesamte Dinosaurierschwanz mit jener Art von Federn bedeckt war, die in der Probe zu sehen sind. Stattdessen hatten solche Federn womöglich eine Signalwirkung oder spielten eine Rolle bei der Temperaturregulierung, sagt McKellar.

“Vielleicht finden wir ja einen vollständigen Dinosaurier”

von Lida Xing
PALEONTOLOGIST

Die unterentwickelten Schwanzfedern lassen auch vermuten, dass der Besitzer des Schwanzes aus der Kreidezeit weiter unten im evolutionären Stammbaum der Theropoden anzusiedeln ist, „womöglich ein basaler [primitiver] Maniraptor“, vermutet Xing und bezieht sich dabei auf eine Untergruppe der Coelurosauria, zu der auch Oviraptorosaurier und Therizinosaurier gehörten. 

ALS SCHMUCKSTÜCK VORGESEHEN, ABER MIT EINEM LICHTBLICK

Die Bernsteinprobe – offizielle Bezeichnung DIP-V-15103 und Spitzname „Eva“, zu Ehren von Paläobotanikerin Eva Koppelhus, der Frau des Co-Autors Philip Currie – stammt aus einer Miene im Hukawng-Tal in Kachin-Staat, im Norden Myanmars. Bernstein aus dieser Region enthält womöglich die größte Vielfalt der Tier- und Pflanzenwelt der Kreidezeit auf dem ganzen Planeten.

Die Probe war eine von über einem Dutzend Bernsteinproben mit bedeutenden Einschlüssen, die Xing und sein Team 2015 auf einem bekannten Bernsteinmarkt in Myitkyina gesammelt haben, der Hauptstadt von Kachin-Staat. Zwei der anderen Proben enthielten die Flügel aus der Saurierzeit, die früher in diesem Sommer vorgestellt wurden.

Der Großteil des burmesischen Bernsteins wird zu Schmuck oder Schnitzereien verarbeitet, auch die „Eva“-Probe war bereits modelliert wurden, als sie von den Forschern akquiriert wurde.

Das Bernsteinstück aus einer Miene in Myanmar war von einem Schmuckhersteller schon teilweise zu einem Oval geschliffen worden
Foto von R.C. Mckellar, Royal Saskatchewan Museum

Die Umgestaltung hatte jedoch auch etwas Positives. Sie bot „einen schönen Querschnitt“ durch den Schwanz, der es den Wissenschaftlern ermöglichte, die Chemie der exponierten Oberfläche zu untersuchen, merkt McKellar an.

Diese Untersuchung offenbarte das Vorhandensein von zweiwertigem Eisen, einem Abbauprodukt von Hämoglobin, das einst im weichen Gewebe des Dinosauriers vorhanden war.

„Die Tatsache, dass [das Eisen] noch immer vorhanden ist, lässt uns auf zukünftige Analysen hoffen, aus denen wir dann hoffentlich andere chemische Informationen über Dinge wie die Pigmentierung erhalten oder sogar Teile des ursprünglichen Keratins identifizieren können“, sagt McKellar. „Vielleicht nicht für dieses spezielle Exemplar, aber für andere [Proben] später.“

Derweil glaubt Xing, dass das „nahende Ende“ des jahrzehntealten Konflikts zwischen der Regierung Myanmars und der Unabhängigen Armee Kachin, die das Hukawng-Tal kontrolliert, zu einem besseren wissenschaftlichen Zugang zu den Bernsteinmienen führen wird – und damit wiederum zu mehr spektakulären Funden.

„Vielleicht finden wir ja einen vollständigen Dinosaurier“, spekuliert er zuversichtlich.

Artikel in englischer Sprache veröffentlicht am 8. Dezember 2016

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