Echnatons Erbe: Ein Museum für Minia

Interview mit Regine Schulz, Professorin für Ägyptologie an der Universität München.

Von Lisa Srikiow
bilder von Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim
Veröffentlicht am 9. Nov. 2017, 03:32 MEZ
Das Museum von Minia im Jahr 2017.
Das Museum von Minia im Jahr 2017.
Foto von Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim

Seit Jahren wird im ägyptischen Minia an einem Museum gebaut, das sich vor allem der Regierungszeit von Pharao Echnaton widmen soll. Auch deutsche Museen und Experten sind beteiligt. Warum der Bau sich verzögert und warum das Museum so wichtig für die Region ist, erklärt Regine Schulz, Leitende Direktorin und Geschäftsführerin des Roemer- und Pelizaeus-Museums Hildesheim.

Warum ist es so wichtig, ein Echnaton-Museum in Minia zu bauen?
Die Armana-Zeit, also die Regierungszeit der Pharaonen Echnaton und Semenchkare zwischen etwa 1358 und 1330 vor Christus, war eine äußerst spannende Periode in der Geschichte des Alten Ägypten und die Region selbst hatte dabei wesentlichen Einfluss. Gleichzeitig sind viele Fragen bis heute ungeklärt: Warum wählte Pharao Echnaton gerade diesen Ort, um seine neue Hauptstadt Armana zu errichten? Was gab es vor dem Bau Amarnas dort, wie entwickelte sich die Region nach dem Fall Echnatons weiter? Wir Wissenschaftler hoffen, dass wir durch neue Forschungen und Grabungen Antworten auf die vielen offenen Fragen finden. Das Museum als kulturelles Zentrum der Region könnte diese der Öffentlichkeit vermitteln und Anziehungspunkt für Besucher aus aller Welt werden.

Die Stadt Hildesheim und das Roemer- und Pelizaeus-Museum arbeiten seit Jahren mit der Stadt Minia zusammen. Warum gibt es diese Kooperation?
Minia und Hildesheim sind seit 1979 Partnerstädte, es gibt somit schon eine lange Zusammenarbeit. Mein Vorvorgänger Arne Eggebrecht hatte dann zusammen mit dem damaligen Direktor der Ägyptischen Antikendienstes Ahmed Kadry die Idee in Minia ein Museum zu gründen - einfach weil es bis dahin kein Museum gab, dass auf die Amarnazeit und die Geschichte der dortigen Region fokussierte. Mittlerweile tauschen sich auch die jeweiligen Hochschulen eng aus, sie organisieren beispielsweise Trainings und Workshops in Restaurierung oder Museumspädagogik. Der Echnaton-Verein unterstützt solche gegenseitigen Besuche sowie den Bau des Museums logistisch und finanziell.

An dem Echnaton-Museum wird bereits seit Jahren gebaut. Warum geht es nicht voran?
Es fehlt schlicht an Geld. Ägypten hat derzeit kaum Mittel, die Bauarbeiten fortzusetzen. Das ist sehr bedauerlich. Allerdings hat das ägyptische Antikenministerium kürzlich eine Arbeitsgruppe mit internationaler Beteiligung gegründet, die den Bau evaluieren und das Konzept überarbeiten sollten. Beteiligt waren renommierte ägyptische und amerikanische Forscher, wie auch Forscher des Roemer- und Pelizaeus-Museums in Hildesheim und des Ägyptischen Museums der Staatlichen Museen zu Berlin. Unterstützt wurde insbesondere die Evaluierung durch das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland. Ziel ist es, in den nächsten Jahren die Baumaßnahmen und die Ausstellungsgestaltung fertigzustellen und das Museum zu eröffnen. Abhängig ist dies allerdings von zusätzlichen Mitteln, die bislang noch fehlen.

“Die alten Ägypter haben sich ganz moderne und gleichzeitig sehr philosophische Fragen gestellt.”

von Regine Schulz

Was würde das Museum der Region bringen?
Die Menschen dort würden ihre eigene Kulturgeschichte besser verstehen und schätzen lernen. In Städten wie Kairo und Alexandria ist sich die ägyptische Bildungselite ihres reichen Erbes sehr bewusst, aber in den Provinzen fehlt es für das pharaonische Kulturerbe noch oft an Verständnis. Dabei haben sich bereits die alten Ägypter ganz moderne und gleichzeitig philosophische Fragen gestellt, zum Beispiel nach Entstehung, Erhalt und Ende der Welt, nach dem Zusammenwirken von Chaos und Struktur, nach ethischen Normen und gesellschaftlichen Strukturen. Solche Leistungen muss man würdigen - um ihrer selbst Willen, aber auch aus ganz aktuellen Anlässen. In Ägypten kommt es immer wieder zu Raubgrabungen. Die Regierung kann die Artefakte nur schützen, wenn die Bevölkerung nicht nur ihren finanziellen, sondern auch ihren kulturellen Wert anerkennt, als etwas worauf sie selber stolz sein können. Und nicht zuletzt könnte das Museum den Tourismus wieder ankurbeln, was für die Region von großer Bedeutung wäre.

Aber wegen der großen Terrorgefahr kommen derzeit nur wenige Besucher ins Land.
Das ist leider richtig, der Tourismus ist sehr sensibel. Natürlich kann ich die Ängste der Menschen verstehen, gerade angesichts der jüngsten Vorfälle in Alexandria und Tanta. Ich kann zwar nur für mich persönlich sprechen, aber ich kenne Ägypten seit vielen Jahren: Es ist ein wunderschönes Land und ich habe mich dort immer sehr sicher gefühlt. Zudem ist die Terrorgefahr leider allgegenwärtig, es kann uns überall treffen.

Auch wenn noch nicht klar ist, wann das Museum fertig ist. Was würde man dort sehen?
Wir möchten natürlich viele Exponate aus den Magazinen der Region und verschiedener ägyptischer Museen zeigen, beispielsweise wieder zusammengefügte reliefierte Szenen auf Blöcken von den Tempeln und Palästen in Amarna. Außerdem planen wir zusammen mit den ägyptischen Kollegen 3D-Modelle, um die Gebäude und Paläste von damals anschaulich zu rekonstruieren. Es soll aber nicht nur die Armana-Zeit im Mittelpunkt stehen, das Konzept schließt die gesamte altägyptische Epoche der Region bis hin zur griechisch-römischen Zeit mit ein. Es soll ein Museum für und über die ganze Region der Provinz Minia sein.

Regine Schulz ist Professorin für Ägyptologie an der Universität München, seit 2011 Leitende Direktorin und Geschäftsführerin des Roemer- und Pelizaeus-Museums Hildesheim. Sie ist zudem stellvertretende Vorsitzende des Echnaton-Vereins und Präsidentin des Advisory Councils des Internationalen Museumsrates.

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