Was die neue Seidenstraße mit der alten verbindet

Die chinesische Regierung versucht eine der bekanntesten Handelsrouten der Welt wieder aufleben zu lassen, zumindest dem Namen nach.

Von Kathrin Fromm
Veröffentlicht am 13. Dez. 2017, 09:47 MEZ
Straße im Himalaya
Neue Straßen (hier im Himalaya), aber auch Bahnprojekte und IT-Infrastruktur will China mit der Initiative „One belt, one road“ fördern.
Foto von Colour Box, Sujin Jetkasettakorn

Was ist die neue Seidenstraße?
Eine Initiative der chinesischen Regierung, die der Staatspräsident Xi Jinping im Herbst 2013 offiziell vorgestellt hat und die auch unter dem Namen „One belt, one road“ bekannt ist. „Das ist ein großes Projekt, bei dem Infrastruktur neu geschaffen beziehungsweise bereits bestehende Verbindungen modernisiert werden sollen“, sagt Jan Gaspers, der den Forschungsbereich europäische Chinapolitik beim Mercator Institut für Chinastudien leitet. „Es geht um alles, was Länder und Menschen im weitesten Sinne miteinander verbindet.“ Neben Bahnschienen, Straßen und Häfen wird auch Geld in Energienetze und IT-Infrastruktur gesteckt. Das Investitionsvolumen soll bei fast einer Billion Euro liegen. „Der Gedanke an die Seidenstraße hat im Moment eine enorme geopolitische Bedeutung“, sagt Martin Saxer, Ethnologe an der LMU München mit Schwerpunkt auf dem asiatischen Hochland.

Welche konkreten Pläne gibt es?
Als „absolutes Vorzeigeprojekt“ sieht Jan Gaspers den Wirtschaftskorridor China-Pakistan. Seit zwei Jahren sind die Arbeiten hier im Gange. Gebaut werden Autobahnen, Logistikzentren und Häfen, schließlich soll der Korridor einmal quer runter bis ans Arabische Meer gehen. Mit Blick von Europa aus sei sicherlich der geplante Schnellzug zwischen Belgrad und Budapest das prestigereichste Projekt für Peking, so Gaspers. Auch hier will die chinesische Regierung im Rahmen der Seidenstraßen-Initiative investieren. Daneben geht es um viele kleinere Projekte, ein Großteil spielt sich bislang innerhalb Chinas ab. „Zum Teil bekommen auch Verbindungen, die es schon lange gibt, einfach das neue Seidenstraßen-Label“, erklärt Gaspers und nennt dafür als Beispiel dafür etwa die direkten Güterzugverbindungen zwischen China und europäischen Großstädten. „Das ist Infrastruktur, die zum allergrößten Teil schon besteht. Da wird dann allenfalls ein bestimmter Teil neu gebaut oder lediglich eine neue Route auf bereits bestehenden Schienen in den Fahrplan aufgenommen und schon wird die ganze Verbindung als Belt-and-Road-Projekt verkauft.“

“Die Seidenstraße ist eine starke Idee, das ist unbestritten.”

Martin Saxer, Ethnologe an der LMU München

Was hat das alles mit der alten Seidenstraße zu tun?
Vor allem geht es um den Namen und die Idee. „Für China ist es das Bild von einem goldenen Zeitalter, zu dem man zurückwill“, sagt der Ethnologe Martin Saxer. Allerdings dürfte nicht vergessen werden, dass auch die alte Seidenstraße mehr ein Konstrukt war und der Name überhaupt erst im 19. Jahrhundert aufkam: „Die eine Seidenstraße gab es nicht, das war eher ein Netzwerk von Handelsrouten, das sich im Laufe der Jahrhunderte immer wieder verändert hat.“ Neben Seide wurden auch viele andere Waren transportiert, Silber und Glas, genauso wie Felle und Gewürze. Dabei legte wohl kaum ein Händler mit Kamel-Karawanen die gesamte Strecke von China bis ans Mittelmeer zurück. Ein Großteil des Warentauschs lief lokaler ab oder ging über mehrere Zwischenstationen. Dennoch: „Die Seidenstraße ist eine starke Idee, das ist unbestritten“, betont Saxer. Rein geografisch geht die neue Initiative weit über die ursprüngliche Route hinaus. „China hat zuletzt eine arktische Route angekündigt und will das Projekt auch auf Südamerika ausweiten. Das lässt sich eben gut vermarkten“, sagt der China-Experte Jan Gaspers.

Wer profitiert von dem Projekt?
In erster Linie China, weil die Initiative die Wirtschaft ankurbelt und neue Wege für den chinesischen Export schafft. „China will damit seine Führungsrolle als global player unterstreichen“, sagt Jan Gaspers. Potentiell könnten allerdings auch Deutschland und Europa davon profitieren, weil die Handelskorridore ja ebenso für den relativ schnellen und zugleich kostengünstigen Export der eigenen Waren genutzt werden können.

Gibt es auch Verlierer?
„Das ist ein Projekt der Eliten. Da wird zwar viel gebaut und da entsteht neue Infrastruktur, aber das bringt die lokale Bevölkerung oft nicht weiter. Ganz im Gegenteil. Oft kommt mit einer neuen Straße mehr Bürokratie“, sagt der Ethnologe Martin Saxer mit Blick auf das asiatische Hochland. Er sieht ein „riesige Diskrepanz“ zwischen der Seidenstraßen-Rhetorik und der Realität: „Das ist vielfach nicht verbindend, sondern eher trennend.“ Der China-Experte Jan Gaspers kritisiert auch das Finanzierungsmodell. Das läuft in vielen Fällen so ab: China gewährt anderen Ländern Kredite. Das Geld fließt aber meistens an chinesische Unternehmen, die die Arbeiten leisten. „Das ist also in vielen Fällen Geld aus China für China“, so Gaspers. Wenn allerdings die Projekte nicht erfolgreich sind, weil etwa die Autobahn nicht genug Maut abwirft oder zu wenig Züge auf einer Bahnstrecke verkehren, müssten womöglich die Regierungen der „Empfängerländer“, die häufig für die Kredite bürgen, dafür geradestehen. „Das ist extrem problematisch, gerade für kleinere Staaten, zum Beispiel in der Balkan-Region“, sagt Gaspers. So entsteht politische Abhängigkeit, wenn die Kredite nicht zurückgezahlt werden können – und davon profitiert wieder China. 

Eine Reportage über eine Wanderung auf den Spuren der Seidenstraße steht in der Ausgabe 12/2017 des National Geographic Magazins (und hier). Jetzt ein Magazin-Abo abschließen!

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