„Ich wollte schon als kleiner Junge einen neuen Spinosaurus entdecken“

Es ist eine unglaubliche Geschichte wie der deutschen Paläontologe Nizar Ibrahim durch Zufall dem Dinosaurierskelett auf die Spur kommt.

Von Kathrin Fromm
Veröffentlicht am 11. Apr. 2018, 12:08 MESZ
Paläontologe Nizar Ibrahim
Der Paläontologe Nizar Ibrahim, 35, kommt aus Berlin und arbeitet in den USA (hier gräbt er in der Sahara Fossilien aus). Seine Forschung wird von der National Geographic Society unterstützt.
Foto von Nanni Fontana

Was ist das Besondere am Spinosaurus?
Dass er ein riesiger Raubsaurier ist, der größte, den wir kennen. 15 Meter lang und damit sogar größer als der Tyrannosaurus rex. Aber anders als dieser jagte er wohl vor allem im Wasser. Deshalb erinnern sein Kiefer und seine Zähne an ein Krokodil. Die kurzen, schlanken Hinterbeine eignen sich zum Paddeln. Was sofort ins Auge sticht, sind die riesigen Dornfortsätze auf dem Rücken.

Wann haben Sie zum ersten Mal vom Spinosaurus gehört?
Da war ich ein kleiner Junge, vielleicht so fünf Jahre alt. Damals hat meine Faszination für Dinosaurier begonnen. Ich hatte viele Bücher. In den meisten erfuhr man etwas über den Tyrannosaurus rex, den Triceratops und andere bekannte Dinosaurier. Mich haben aber gerade die interessiert, über die man nicht so viel wusste, von denen es nur ein paar Knochen gibt. So bin ich auf den Spinosaurus gestoßen. Er hat mich besonders gefesselt.

Warum das?
Wegen dieser unglaublichen Vorgeschichte: Der Spinosaurus wurde vor mehr als 100 Jahren in Ägypten entdeckt, und 1915 vom deutschen Paläontologen Ernst Stromer beschrieben. Bei der Bombardierung von München im April 1944 sind die wenigen Knochen zerstört worden. Es gab nur noch Stromers Aufzeichnungen von diesem merkwürdigen Dinosaurier mit den riesigen Dornfortsätzen und dem krokodilartigen Unterkiefer. Dadurch ist der Spinosaurus noch mysteriöser geworden. Wahnsinn! Ich wollte schon als kleiner Junge einen neuen Spinosaurus entdecken. Ich wusste: Bei so einem Dinosaurier würde eine Entdeckung alles ändern!

Und tatsächlich haben Sie den Spinosaurus später als Doktorand wiederentdeckt. Wie kam es dazu?
Das ist eine genau so unglaubliche Geschichte. Ich habe meine Doktorarbeit über das Paläoökosystem, in dem der Spinosaurus lebte, geschrieben. Ich habe mich mit den Wirbeltieren aus der mittleren Kreidezeit Nordafrikas befasst. Dafür habe ich Gesteinsschichten im Grenzgebiet zwischen Marokko und Algerien nach Fossilien durchforstet. Und ich habe mir Museumssammlung angeguckt, überall auf der Welt. In Mailand haben mir Kollegen Teile eines Skeletts gezeigt, bei dem es sich um einen Spinosaurus handeln könnte. Das Problem: Wir wussten nicht, woher das Skelett stammte, weil es sich um geschmuggelte Knochen handelte, die ein privater Fossiliensammler dem Museum vermachte.

Wie haben Sie das Problem gelöst?
Durch Zufall. Jahre vorher hatte ich bei meinen Ausgrabungen in Marokko ein paar Knochen von einem ortsansässigen Fossilienjäger erworben. Knochen, die ich noch nie zuvor gesehen hatte. An diese musste ich denken, als ich in Mailand war, denn sie hatten die gleiche Farbe, die gleiche Größe, die gleiche Knochenstruktur. Absolut identisch. Vielleicht gehören die Knochen zum gleichen Skelett, dachte ich mir und machte mich in Marokko auf die Suche nach dem Fossilienjäger, von dem ich nur wusste, dass er einen Schnurrbart trägt. Als ich die Hoffnung schon fast aufgegeben hatte, begegnete ich ihm zufällig wieder. Nach einiger Überzeugungsarbeit zeigte er mir die Fundstelle. Das war 2013.

Dort haben Sie dann den Spinosaurus ausgegraben?
Genau. Das war ziemlich mühsam. Die Fundstelle ist relativ hoch gelegen. Wir mussten erst einmal einen steilen Abhang hochkraxeln. Deshalb lässt sich auch kein schweres Gerät dorthin bringen. Wir haben das Gestein Stück für Stück abgetragen, durch menschliche Kraft, anderes geht es nicht. Deshalb konnten wir bei der ersten Expedition auch nicht alles schaffen und mussten ein zweites Mal wiederkommen. Und dieses Jahr fahren wir ein drittes Mal hin, weil wir noch einen riesigen Schwanzwirbel des Spinosaurus gefunden haben, denn wir ausgraben wollen. Es gibt noch einiges zu tun. Das wird noch mal eine größere Aktion.

Der Spinosaurus war Ihre erste große Entdeckung als Paläontologe. Was würden Sie noch gerne finde?
Ich hätte nichts dagegen einen weiteren Spinosaurus zu finden. Wir wissen nach wie vor vieles nicht über ihn, weil wir einfach nur ein Skelett haben. Vom Tyrannosaurus rex gibt es mehrere richtig toll erhaltene Skelette. Eines ist sogar zu mehr als 80 Prozent komplett. Aber ich arbeite auch an anderen Funden. Wir haben zum Beispiel ganz faszinierende Flugsaurierfossilien entdeckt, in den gleichen Gesteinsablagerungen wie den Spinosaurus. Vor ein paar Jahren noch gab es so wenige Flugsaurierfossilien aus Afrika, die hätten auf einen kleinen Tisch gepasst. Wir haben jetzt mal eben einige davon gefunden, darunter ein paar riesengroße Exemplare. Die beschreiben wir in den nächsten Monaten. Es gibt auch schon Pläne für neue Expeditionen. Ich will noch viele Dinge finden in meiner Karriere.

Im Naturhistorischen Museum in Braunschweig ist von 14. April bis 15. Juli 2018 die Sonderausstellung "Spinosaurus – Der rätselhafte Riese" zu sehen.

Eine Reportage über die Wiederentdeckung des Spinosaurus steht in der Ausgabe 10/2014 des National Geographic Magazins (und hier), ein Bericht über den sensationellen Fund eines Nodosauriers steht in Ausgabe 4/2018 (und hier). Jetzt ein Magazin-Abo abschließen!

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