Die Mutmacher

Das Start-Up climb vermittelt in den Ferien Freude am Lernen und fördert vor allem finanziell benachteiligte Kinder.

Von Lisa Srikiow
Veröffentlicht am 21. Feb. 2019, 23:13 MEZ
Charlotte Frey mit drei „Superhelden“ in Mainz. „Das Lernen fällt mir hier ein bisschen leichter“, sagt ...
Charlotte Frey mit drei „Superhelden“ in Mainz. „Das Lernen fällt mir hier ein bisschen leichter“, sagt Luana (2. v. l.). „Und die Lehrer sind nett. Es ist gut, dass gleich drei in jeder Klasse sind.“
Foto von Benno Kraehahn

Bei den „Superhelden“ fängt die Woche gemütlich an. Sie berichten von ihrem Wochenende, von Ausflügen zum Frankfurter Flughafen oder von Chipspartys im Hobbykeller. Die „Superhelden“ sind zwischen sechs und zehn Jahre alt, und sie sitzen in einem Klassenzimmer der Grundschule Mainz-Mombach. Die Kinder nehmen an den Lernferien des gemeinnützigen Unternehmens climb teil. Der Name climb steht für „clever lernen, immer motiviert bleiben“. In Mainz gibt es drei Klassen mit jeweils 15 Kindern und drei Lehrern. Jede Gruppe sucht sich einen Namen aus – „Superhelden“ zum Beispiel –, übt Mathe und Deutsch und macht Ausflüge. Und es geht dabei um viel mehr als eine reine Ferienbetreuung oder Nachhilfe.

 „Mathe und Deutsch sind für uns 
eine Methode, um den Kindern Kompetenzen wie Durchhaltevermögen
oder Teamfähigkeit zu vermitteln“,
sagt Charlotte Frey, die Gründerin von climb. „Wenn sich ihre Leistungen verbessern, ist das ein toller Nebeneffekt. Aber die Kinder sollen vor allem erfahren, wie sich Erfolg und Spaß beim Lernen anfühlen.“

 In Deutschland wachsen rund 2,5 Millionen Kinder in Armut auf. Das wirkt sich auch auf ihr späteres Leben aus, denn laut einer Studie der OECD beeinflusst die soziale Herkunft den Bildungserfolg. Wer gebildete und wohlhabende Eltern hat, der hat auch in der Schule und im Beruf bessere Karten als jemand, der aus einem armen Elternhaus stammt. Das will Charlotte Frey nicht einfach so hinnehmen. „Bei unserer Arbeit mit den Kindern gucken wir immer zuerst auf das, was gut funktioniert“, sagt sie. „Darauf bauen wir auf und machen den Kindern so Mut, auch Dinge anzugehen, die schwieriger erscheinen.“ Die Kinder halten beispielsweise ihre Fort- schritte nach jeder Unterrichtseinheit akribisch fest. Sie bekommen dafür das Bild eines Containerfrachters, der sich nach und nach immer mehr mit bunten Containern füllt.

Frey brennt für ihre Arbeit, dabei ist sie selbst gar keine Lehrerin. „Ich habe Politik studiert und hatte nach meinem Bachelor das Bedürfnis, der Gesellschaft etwas zurück zu geben“, erzählt die 30-Jährige.

Deswegen bewarb sie sich bei dem Bildungsprogramm Teach First, das Quereinsteiger an Schulen in sozialen Brennpunkten vermittelt. So landete Frey an einer Hamburger Grundschule. Mit zwei Kolleginnen entwickelte sie die Idee für climb. „Die Kinder waren nach den Ferien immer sehr unausgeglichen“, sagt Frey. „Uns wurde klar: Wir brauchen ein Ferienprogramm, das ihnen hilft, wieder an den Unterricht anzuknüpfen und sie nachhaltig fördert.“

 Die ersten Lernferien 2012 waren so erfolgreich, dass Frey und ihre Mitstreiterinnen ein gemeinnütziges Unternehmen gründeten, um noch mehr Kinder zu erreichen. Die Lernferien, die sich über Spenden und öffentliche Gelder finanzieren, gibt es mittlerweile in Mainz, Hamburg und Dortmund – 500 Kinder profitieren pro Jahr davon.

 Und nicht nur die. „Wir haben auch die ehrenamtlichen Lehrer als Zielgruppe entdeckt“, sagt Frey. Meist sind es Lehramtsstudenten, die den Unterricht planen und leiten. Viele von ihnen machen so erste Praxiserfahrungen. „Wenn die Studenten unseren an den Stärken der Kinder orientierten Ansatz in ihren eigenen Unterricht mitnehmen, haben wir schon viel erreicht“, sagt Frey. Am liebsten würde sie gleich das ganze System Schule verändern. „Ich würde gerne diesen unternehmerischen Geist, den wir durch unsere eigene Gründung kennengelernt haben, in noch größere Strukturen, wie zum Beispiel ein Ministerium oder eine Kommune, einbringen“, sagt Frey. „So würden wir unser eigentliches Ziel erreichen: climb überflüssig machen.“

Dieser Artikel stammt aus Heft 3/2019 des National Geographic-Magazins. Jetzt ein Abo abschließen!

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