„Welche Besoldungsgruppe hat der Dienstgrad Frau?“

Seit 2001 stehen alle militärischen Laufbahnen bei der Bundeswehr auch Frauen offen. Ihr Anteil an den Streitkräften liegt heute bei gut acht Prozent. Nariman Hammouti-Reinke, Leutnant zu See, gehört dazu.

Von Andrea Henke
Veröffentlicht am 20. Nov. 2019, 21:58 MEZ
Leutnant zur See Nariman Hammouti-Reinke.
Leutnant zur See Nariman Hammouti-Reinke.
Foto von Dennis Michelmann

Frau Hammouti, Sie sind seit vierzehn Jahren Soldatin. Wie ist es, als Frau eine militärische Karriere bei der Bundeswehr zu verfolgen? 

Es war anfangs schon sehr schwer. Ich habe mich erst einmal beweisen und durchsetzen müssen. Heute ist es für die Kameradinnen leichter. Die Akzeptanz ist größer – auch wenn es immer noch nicht einfach ist.

Womit hatten und haben Sie zu kämpfen?

Es sind viele kleine Dinge. Bei meinem Feldwebellehrgang 2006 gehörten zu meiner Gruppe 23 Soldaten und nur noch eine weitere Soldatin. Als der Lehrgangsleiter in den Hörsaal kam, guckte er sich um und sagte: „Der Feind ist anwesend!“ Damit meinte er uns beide. Sprache kann sehr diskriminierend sein. Ein Bataillonskommandeur hat immer Besitzansprüche auf mich erhoben: „Das ist meine Frau Hammouti!“ Das hätte er niemals zu einem Mann gesagt. Oder ein weiteres Beispiel, das ich recht häufig erlebe: Alle Männer werden mit Dienstgrad angesprochen, also „Herr Kapitän Soundso“, „Herr Hauptmann Soundso“. Nur bei mir heißt es: „Frau Hammouti“.

Wie reagieren Sie darauf?

Wenn es von einem Untergebenen oder Gleichgestellten kommt, mit dem ich mich sieze, frage ich zurück: „Welche Besoldungsgruppe hat denn der Dienstgrad Frau?“ Meistens sind es allerdings Vorgesetzte, die mich so ansprechen – und durch deren Vorbildfunktion das auf andere Kameraden abfärbt. Meinen Mut, etwas gegen solche Bemerkungen oder Gedankenlosigkeiten zu sagen, habe ich mir über die Jahre angeeignet. Früher habe ich viele Dinge einfach erduldet. Aber irgendwann reicht es damit auch.

Werden Frauen in der Bundeswehr besonders gefördert?

Deutschland hat jetzt einen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Dafür haben wir versprochen, unseren Anteil der weiblichen UN-Beobachter auf mindestens 15 Prozent zu erhöhen. Das erreichen wir bisher bei weitem nicht. Der Generalinspekteur der Bundeswehr hat jetzt explizit Frauen aufgefordert, sich zu bewerben. Das ist übrigens mein nächstes Ziel.

Wo hat sich die Bundeswehr in den vergangenen Jahren besonders auf Frauen eingestellt?

Es gibt viele Dinge, die wir der ehemaligen Verteidigungsministerin von der Leyen zu verdanken haben. Der Dienst ist jetzt sehr viel familienfreundlicher. Es gibt Kindertagesstätten und auch so eine vermeintliche Nichtigkeit wie Umstandsuniformen. Bis vor kurzem mussten Schwangere in Zivil weiterarbeiten – in Uniform werden Sie aber ganz anders wahrgenommen. Das wird nicht von allen männlichen Kameraden verstanden. Die finden, dass wir dringendere Baustellen haben. Ich denke aber, dass diese Uniformen ein wichtiges Puzzleteil sind, um die Gesamtwahrnehmung von Frauen in der Truppe zu verbessern und um die Bundeswehr für Frauen attraktiver zu gestalten.

Die Uniform macht alle gleich?

Sie hat zumindest einen wesentlichen Anteil daran.

Wie ist es, wenn Sie in der Öffentlichkeit in Uniform unterwegs sind?

Ich werde häufig gefragt, ob ich Pilotin sei, weil ich eine blaue Uniform trage. Wenn ich dann sage, dass ich Leutnant zur See bin, werde ich oft komisch angeschaut, und von älteren Leuten wird mir dann erzählt, dass Frauen bei der Bundeswehr früher nur im Sanitätsdienst gearbeitet hätten. Wir müssen aber, anders als früher, nicht mehr die Uniform auf Dienstreisen tragen. Und obwohl ich sehr stolz darauf bin, Deutschland als Soldatin zu dienen, versuche ich die Uniform nicht unnötig in der Öffentlichkeit zu tragen.

Die wenigen Frauen in der Bundeswehr sind sehr unterschiedlich verteilt. Die meisten findet man im Sanitätsdienst. Gibt es andere Bereiche, in denen verhältnismäßig viele Frauen vertreten sind?

Ich komme eigentlich aus dem Bereich der elektronischen Kampfführung. Dort finden Sie viele Frauen. Das liegt auch daran, dass diese Arbeit Frauen besonders liegt.

Welche besonderen Fähigkeiten braucht man dort?

Sprachkenntnisse, ein gutes analytisches und technisches Verständnis.

Wie kann man sich die Arbeit vorstellen?

Wir haben zum Beispiel in Afghanistan gegnerische Radar- und Funksignale gesucht, abgefangen, übersetzt und versucht zuzuordnen.

Sie waren zweimal in Afghanistan an der Waffe im Einsatz. Was waren Ihre weiteren Aufgaben?

Während meines ersten Einsatzes habe ich aus dem Dingo – das ist ein Radpanzer – heraus elektromagnetische Signale gesendet, um zu verhindern, dass ferngesteuerte Sprengsätze gezündet werden konnten. Außerdem habe ich mit dem Maschinengewehr auf dem Dach die Patrouille abgesichert. Im Falle eines Angriffs hätte ich mit für den Fall vorgesehener Bewaffnung verhindern sollen, dass unsere Technik in falsche Hände gerät. Ich hatte also Waffen, war aber als Fachkraft in Afghanistan, nicht als Mitglied der kämpfenden Truppe.

Wie viele Frauen sind bei der kämpfenden Truppe?

Wenige. Manchmal sind die körperlichen Anforderungen zu hoch für Frauen, oder die Arbeit reizt sie vielleicht einfach nicht. Und von den Männern dort gibt es besonders viel Gegenwind. Bei den Fallschirmjägern, den Kommando-Spezialkräften und den Luftlandetruppen gibt es fast keine Frauen. Erst jetzt gibt es die erste Eurofighter-Pilotin. Aber wir Frauen sind auch manchmal selber schuld: Wir lassen uns immer noch einschüchtern und brauchen ein Vorbild, bevor wir uns selbst trauen.

Nariman Hammouti-Reinke hat ein Buch über ihre Arbeit in der Bundeswehr geschrieben. Nähere Informationen finden Sie hier...

Mehr über Frauen im Militär lesen Sie in der Reportage Im Gefecht" in Heft 11/2019 des National Geographic-Magazins.

 

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