Die letzten Stimmen des Zweiten Weltkriegs: Harry T. Stewart Jr.

Mehr als 1,2 Millionen Afroamerikaner dienten 1945 in der US-Armee; fast 1000 von ihnen wurden in Tuskegee (Alabama) zu Kampfpiloten ausgebildet.

Von Katie Sanders
Veröffentlicht am 30. Juli 2020, 09:52 MESZ
HARRY T. STEWART JR. - Amerikanischer Kampfpilot.

Mit diesem handgefertigten Modell einer P-51 Mustang verbindet Stewart starke ...

HARRY T. STEWART JR. - Amerikanischer Kampfpilot.

Mit diesem handgefertigten Modell einer P-51 Mustang verbindet Stewart starke Erinnerungen. Er flog 43 Kampfeinsätze in einem solchen Jagdflugzeug (auf dem Foto u. l.) und schoss drei feindliche Maschinen ab. Der Pilot wurde dafür mit dem „Distinguished Flying Cross“ ausgezeichnet.

Foto von NatGeo Staff

Fast tausend afroamerikanische Piloten im Zweiten Weltkrieg erhielten ihre Fliegerausbildung in Tuskegee, Alabama, dem einzigen amerikanischen Militärflugplatz, auf dem schwarze Kadetten ausgebildet wurden. Zehn der berühmten „Tuskegee Airmen“ leben heute noch. Einer von ihnen ist Harry T. Stewart Jr., heute 95.

Als Kind im New Yorker Stadtteil Queens träumte er vom Fliegen. Dieser Traum wurde 1944 wahr, als er mit einem Begleitflugzeug ame- rikanische Bomber zu ihren Zielen in Europa eskortierte.

Während eines solchen Einsatzes am Ostersonntag 1945 flogen Stewart und sechs Staffelkameraden 1500 Meter über Österreich, als sie – zahlenmäßig weit unterlegen – in eine tödliche Luftschlacht mit deutschen Fliegern gerieten. Stewart feuerte eine Salve nach der anderen aus den sechs 12,7-Millimeter-Maschinengewehren seiner P-51 Mustang ab. Als er auf seiner Basis in Italien landete, wurde er mit Fanfaren empfangen und zum Abschuss von drei feindlichen Flugzeugen beglückwünscht – einer Heldentat, für die ihm der Orden „Distinguished Flying Cross“ verliehen wurde.

Doch der Kampfpilot musste an seine drei Fliegerkameraden denken, die in der Schlacht abgeschossen wurden. Einer von ihnen starb sofort, einem anderen gelang eine Bruchlandung in Jugoslawien, und ein dritter sprang mit dem Fallschirm ab. Seine Leiche wurde angeblich in Österreich entdeckt, nachdem das Land zwei Wochen später von der Naziherrschaft befreit worden war.

Nach dem Krieg blieb Stewart zunächst bei der Air Force – Präsident Harry Truman erklärte mit einem Erlass 1948 die Gleichbehandlung aller Mitglieder der Streitkräfte ohne Rücksicht auf Rasse und Hautfarbe. Aber nur ein Jahr später mussten wegen Budgetkürzungen Tausende Offiziere, darunter auch Stewart, die Armee verlassen. Er bewarb sich bei Pan American und Trans World Airlines, aber beide Fluglinien lehnten ihn ab. Sie stellten damals keine schwarzen Piloten ein.

Stewart hatte das Gefühl, mit seinem Pilotenstatus seine Würde verloren zu haben. Doch er war es gewohnt, Hindernisse zu überwinden, und absolvierte ein Maschinenbaustudium an der New York University. Als Ingenieur bereiste der Veteran Nordamerika, Fernost und Europa.

2018 ging Stewart wieder auf Reisen – erstmals nach dem Krieg nach Österreich, diesmal als Gast der dortigen Regierung. Forscher, die dem Schicksal von abgeschossenen Piloten der Alliierten nachgingen, hatten herausgefunden, dass Stewarts Staffelkamerad Walter Manning seinen Absprung während des blutigen Ostereinsatzes zunächst überlebt hatte und gefangen genommen worden war.

Der 24-Jährige hatte auf die Überstellung in ein Kriegsgefangenenlager gewartet, als er von einem Nazi-Mob gelyncht wurde. Genau 73 Jahre später war Stewart Zeuge, als österreichische Würdenträger für die Gräueltat um Verzeihung baten und ein Denkmal einweihten. Dass die „Tuskegee Airmen“ einmal in Museen und Denkmälern, Geschichtsbüchern und Hollywood-Filmen gewürdigt würden, sei für ihn undenkbar gewesen, so Stewart. „Ich möchte nur, dass man sie als gute Staatsbürger in Erinnerung behält – gute Amerikaner, die mithalfen, ihr Land in Zeiten der Not zu schützen, trotz aller Diskriminierung.“

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