Vogelgroße Ameisen und kleine Urpferde: Diese Urtiere streiften früher durch Deutschland
Die Grube Messel in Hessen birgt einen wahren Schatz an Millionen Jahre alten Urtieren. Die Fossilienfunde sind teilweise weltbekannt – und reichen von riesigen Insekten bis zu eigentümlichen Primaten, Schildkröten und Schlangen.
Die ausgestorbene Ameisenart Titanomyrma gigantea wurde Ende des 19. Jahrhunderts erstmals in der Grube Messel entdeckt. Erst 2011 und 2023 entdeckten Forschende weitere Arten der Gattung Titanomyrma – allerdings auf der anderen Seite des Atlantik.
Mitten in einem Wald nahe Darmstadt verbirgt sich eine wahre Schatzkammer an prähistorischen Tierfossilien. Die Grube Messel, ein stillgelegter Ölschiefer-Tagebau, wurde aufgrund ihres Fossilienvorkommens im Jahr 1995 zum UNESCO-Weltnaturerbe erklärt. Erste Funde gab es bereits im 19. Jahrhundert und häuften sich in den 1980er- und 90er-Jahren. Die Überreste, die sich im Boden der Grube befinden, erzählen von längst vergangenen Zeiten, in denen im heutigen Deutschland ein tropisches Klima herrschte und das Land von dichtem Dschungel überzogen war.
In dieses Zeitalter namens Eozän, das vor etwa 58 Millionen Jahren begann und vor 36 Millionen Jahren endete, gewähren die Fossilien Einblicke. Dabei erzählen die außergewöhnlich gut erhaltenen Überreste von der Artenvielfalt, die damals in unseren Breiten herrschte – von der bislang größten bekannten Ameisenart der Welt über eine zwei Meter lange Schlange bis hin zu Schildkröten und Krokodilen.
Das Fossil eines sogenannten Prachtkäfers aus der Grube Messel. Auch nach 48 Millionen Jahren unter der Erde sind die schillernden Farben, die die Käfer so einzigartig machen, noch zu erkennen. Heute kommen Prachtkäfer in Europa nicht mehr vor.
Die größte Ameise der Welt
Entstanden ist die Grube Messel vor etwa 48 Millionen Jahren durch einen Vulkanausbruch, der die Vegetation in der Gegend zerstörte und Flora und Fauna unter Lava und Gestein begrub. In dem entstandenen Krater bildete sich ein See, der weiteren Tiere den Tod brachte. Die Sedimente am Boden des Sees schlossen die Überreste der Tiere nach und nach ein – eine fossile Schatzkammer entstand.
Einer der wohl bekanntesten Funde aus der Grube Messel sind Fossilien der prähistorischen Ameisenart Titanomyrma gigantea. Sie sind die bislang einzigen ihrer Art. Die Forschenden, die die Ameise damals beschrieben, konnten ihr eine Länge von über sechs Zentimetern und eine Flügelspanne von etwa 15 Zentimetern nachweisen. Erst vor Kurzem fanden Forschende in Kanada ein weiteres Exemplar einer prähistorischen Riesenameise der Gattung Titanomyrma in British Columbia. Titanomyrma gigantea konnte bisher allerdings nur in der Grube Messel und damit in der Region des heutigen Deutschlands nachgewiesen werden.
Spektakuläre Funde von Urpferden
Neben Fossilien von Schildkröten, Fischen, Krokodilen und Schlangen sowie unzähligen weiteren Insekten, wurden in der Grube Messel auch Fossilien von Tieren gefunden, die es heute nicht mehr gibt – darunter auch prähistorische Urpferde. Diese sind keine direkten Vorfahren der uns heute bekannten Pferde, sondern entfernte Verwandte, die damals durch den Dschungel streiften.
Rekonstruktion eines Propalaeotherium. Dieses höchstens 60 Zentimeter große Urpferd war im Eozän im heutigen Deutschland zu Hause.
Skelett eines Propalaeotherium aus der Grube Messel. Die Art gehört zu der mit Pferden verwandten, ausgestorbenen Säugertier-Familie der Palaeotheriidae. Die meisten Propalaeotherium-Skelette wurden bislang in Europa gefunden, die aus der Grube Messel gehören zu den besterhaltenen.
Unter den mehr als 70 Skeletten solcher Urpferde sind Hengste, Fohlen und Stuten. Einige der Stuten waren bei ihrem Tod schwanger – die Föten waren bei den Ausgrabungen noch gut zu erkennen.
Im Gegensatz zu den Riesenameisen waren die Urpferde weitaus kleiner als ihre modernen Gegenstücke. Ihre Schulterhöhe betrug je nach Art nur 35 bis 60 Zentimeter. Außerdem wogen sie vermutlich nicht mehr als etwa sechs Kilogramm.
Artenvielfalt im Eozän
Bekannt sind die Fossilien aus der Grube Messel vor allem, weil die Beschaffenheit des Sees dazu führte, dass die unter ihm begrabenen Tiere extrem gut erhalten geblieben sind. Neben den noch immer sichtbaren Farben der Prachtkäfer und den Urpferd-Föten sind auch Speisereste im Magen einiger Tiere unter den Sensationsfunden. Auch der Paarungsakt zweier Schildkröten wurde in der Grube Messel für die Ewigkeit festgehalten. Das erlaubt Forschenden einerseits Vergleiche mit den modernen Gegenstücken der Tiere und lässt außerdem Rückschlüsse auf tierische Körperfunktionen vor 50 Millionen Jahren zu.
Das Skelett eines Darwinius masillae, einer ausgestorbenen Primatenart, bei der zunächst fälschlich eine Verwandtschaft zum Menschen angenommen wurde. Forschende, die das Fossil untersuchten, gaben ihm den Namen Ida.
Und auch die Veränderungen im Ökosystem von damals zu heute werden deutlich. Im Eozän war Europa keine zusammenhängende Landmasse wie heute, sondern größtenteils von Wasser überflutet. In Kombination mit dem tropischen Klima wurde so ein idealer Lebensraum für unzählige Land- und Wassertiere sowie Vögel und Fledermäuse geschaffen, die nah beisammen lebten – wie ihr gemeinsames Grab zeigt.
Warum genau so viele Tiere um den Messel See starben, ist nicht vollständig erklärt. Neben dem Vulkanausbruch kosteten vermutlich auch danach entstandene toxische Gase vielen Tieren das Leben.