Aufstand im alten Rom: Wie die jüdische Rebellion niedergeschlagen wurde

Im Jahr 66 n. Chr. Entwickelte sich in der Jüdäa ein Aufstand, der gar eine Revolutionsregierung hervorbringen sollte. Daraufhin marschierten zwei römische Legionen ein, die tausende Rebellen töteten.

Von Jean-Pierre Isbouts
Veröffentlicht am 30. Nov. 2023, 20:41 MEZ
Wandrelief am Titusbogen

Wandrelief am Titusbogen in Rom mit der Darstellung der Menora, die im Jahr 70 n. Chr. aus dem Tempel in Jerusalem entwendet wurde.

Foto von graceenee / Shutterstock.com

Seit der ersten römischen Volkszählung im Jahr 6, die nach dem Evangelisten Lukas der Grund für die Reise von Maria und Josef nach Bethlehem war, gab es im römischen Judäa Spannungen zwischen den Juden und der römischen Besatzungsmacht. Aus den Reibungen entstand die Gruppe der Zeloten, die der Auffassung waren, dass die Besatzung einen zentralen Grundsatz der Tora verletzte: Das Land gehöre Gott und nicht Rom.

Dieses religiöse Motiv bleibt in der Bezeichung zelotes erhalten, der griechischen Übersetzung des hebräischen kana’im („eifriger Anhänger [Gottes]“). In den folgenden Jahrzehnten gewannen die Zeloten immer mehr an Bedeutung, vor allem außerhalb der urbanen Zentren Judäas. Der jüdische Historiker Josephus verlieh ihnen den Status einer „jüdischen Partei“, auf Augenhöhe mit den Sadduzäern, Pharisäern und Essenern. Ein Zelot schloss sich gar Jesus als Apostel an; sein Name war Simon der Zelot (Lukas 6:15; Apg 1:13). Die Zeloten drängten aus wirtschaftlichen, politischen und religiösen Motiven auf passiven Widerstand gegen den Zensus. Über Jahrhunderte waren Steuern in Form von Ernteanteilen gezahlt worden. Der römische Statthalter Quirinius verlangte nun, dass die Bevölkerung den Geldwert ihres Eigentums angab, und es wurde befürchtet, dass Steuern fortan in bar zu zahlen seien. Nach der kurzen Herrschaft des Königs Herodes Agrippa I. machte Kaiser Claudius Judäa 44 n. Chr. wieder zu einer römischen Provinz und setzte damit eine Spirale der Rebellion in Gang. Wieder wurden die Einheimischen von Rom ausgebeutet. Jüdische Ländereien wurden nach Lust und Laune der römischen Elite und ihren Kollaborateuren übereignet oder beschlagnahmt.

Römische Steuern belasteten die Bauern über die Maßen. 46 n. Chr. organisierten die Zeloten Jakob und Simon einen gewaltsamen Aufstand gegen das Steuerjoch. Ihre Verhaftung und Hinrichtung verschärfte die Haltung der Widerständler nur. Die Zeloten begannen mit der Ausbildung eines starken militärischen Flügels, der Sikarier (auf Griechisch sikarioi, „Dolchträger“). Die Spannungen zwischen Juden und Römern brachen sich 66 n. Chr. schließlich Bahn, als eine große Gruppe jüdischer Rebellen unter zelotischer Führung nach Jerusalem marschierte. Der römische Statthalter Cestius Gallus von Syrien schickte ihnen die Legio XII Fulminata entgegen. Die Soldaten – überwiegend syrische Rekruten und keine kampferprobten Römer – erlitten im Massaker bei Beth Horon nahe dem heutigen Dorf Beit Ur al-Fauqa im Westjordanland eine schmähliche Niederlage. Davon angespornt, ernannten die Rebellen eine Revolutionsregierung. Das aufgebrachte Volk fiel über die prunkvollen Villen des Hohepriesters Ananias und anderer hoher Würdenträger her und ließ seinen Zorn an den Nutznießern der römischen Verwaltung aus. Woanders wurden Archive mit den Aufzeichnungen über alle aufgelaufenen Schulden in Brand gesetzt. Jetzt erkannte der römische Senat, dass sein Vasallengebiet in Palästina in ernsthaften Schwierigkeiten steckte.

Die römische Antwort

Aufgrund der chaotischen Herrschaft des Kaisers Nero reagierte Rom erst spät auf den jüdischen Aufstand im Jahr 66. Diese Verzögerung ermöglichte es den Rebellen, ihre Kontrolle über das Land zu festigen und gleichzeitig Tausende von wehrhaften Männern an der Waffe auszubilden. Einer von ihnen war Josephus, der um 37 geboren wurde. Der spätere Historiker des Aufstands befehligte ein Infanterieregiment in Galiläa.

Erst Anfang 67 handelte Nero endlich. Er stellte ein großes Expeditionskorps zusammen, das aus zwei legendären römischen Legionen bestand: der Legio X Fretensis und der Legio V Macedonica, beide unter dem Kommando von Vespasian, einem der fähigsten Generäle Roms. Im Frühling 67 marschierten seine Truppen nach Galiläa. Städte und Dörfer, die sich sofort ergaben – wie Tiberias –, wurden verschont, diejenigen, die Widerstand leisteten – wie Gamala –, blutig bezwungen. In dem Großangriff wurden zahlreiche Städte und Dörfer, in denen auch Jesus gewirkt hatte, zerstört. Josephus schätzt, dass rund 100000 galiläische Juden getötet oder in die Sklaverei verkauft wurden. 68 n. Chr. standen der gesamte Norden und Osten unter römischer Kontrolle.

Vespasian wurde 69 zum Kaiser ernannt und überließ in der letzten Schlacht um Jerusalem seinem Sohn Titus das Kommando. Als die Stadt 70 gefallen war, zog die Zehnte Legion nach Süden in die Judäische Wüste und suchte den letzten Außenposten der Zeloten. Dies war nach verbreiteter Auffassung das Signal für viele jüdische Gemeinschaften wie der in Qumran, ihre Sammlung biblischer Schriftrollen in Höhlen vor dem Zugriff der Römer zu verstecken.

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