Britisches Pompeji: So sah das bronzezeitliche Dorfleben vor 3.000 Jahren aus

Die Überreste eines Dorfes in Cambridgeshire in England haben spektakuläre Einblicke in das Leben seiner ehemaligen Bewohner geliefert. Die „Must Farm“ wurde nach einem vernichtenden Feuer fluchtartig verlassen – und im Schlamm extrem gut erhalten.

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 28. März 2024, 14:51 MEZ
Rekonstruktion: Die fünf Holzbauten mit aufsteigendem Rauch aus den Kaminen.

Auf Stelzen thronten die Häuser einst über dem Marschland Englands, bevor ein Feuer die Siedlung heimsuchte.

Foto von CAU, Cambridge Archaeological Unit

850 v. Chr. im heutigen Cambridgeshire in England. In einer kleinen Siedlung nahe des Flusses Nene bricht plötzlich ein verheerendes Feuer aus. Auf der Flucht vor den Flammen verlassen die Bewohner*innen hektisch ihre Häuser – und lassen Haustiere, Hausrat, Kleidung und Möbelstücke zurück. 

Durch die Staunässe im schlammigen Boden und die Verkohlung durch das Feuer wird vieles davon erstaunlich gut erhalten bleiben. So gut, dass Archäolog*innen die Ausgrabungsstätte auch als „britisches Pompeji“ bezeichnen werden. 

3.000 Jahre später. Nach diversen Ausgrabungen dokumentieren Archäolog*innen In zwei Berichten das erstaunlich komfortable Leben in der Siedlung – und geben Einblicke in die damaligen Häuser.

Funde außergewöhnlich gut erhalten

Heute ist die ehemalige Siedlung, die nahe der Stadt Peterborough in England liegt, als Must Farm Settlement bekannt. Laut dem Bericht der Forschenden wurde sie nur neun Monate vor ihrem Niedergang errichtet. Sie bestand aus vier großen runden Holzhäusern und einer rechteckigen großen Holzstruktur, die als Gemeinschaftsbereich diente. Alle Gebäude waren auf Stelzen errichtet und standen etwa zwei Meter über dem sumpfigen Ufer eines langsam fließenden Süßwasser-Nebenarms der Nene. Begrenzt wurde die Siedlung durch einen hohen Zaun.

Verteilung der fünf Häuser innerhalb der Siedlung. Zwischen den einzelnen Häusern gab es Fußwege.

Foto von CAU, Cambridge Archaeological Unit

Laut der englischen Denkmalpflegebehörde Historic England gelten die vier runden Holzhäuser „als die am besten erhaltenen Behausungen aus der Bronzezeit, die jemals in Großbritannien gefunden wurden.“ Als die Flammen die Häuser nach und nach verschlangen, stürzten die Gebäude und Habseligkeiten der Menschen in den Schlamm des Flussbettes – wo die Konditionen perfekt waren, um die Überreste des Dorfes fast 3.000 Jahre zu bewahren. 

„Bei der Ausgrabung der Stätte hatte man das Gefühl, dass die Bewohner aus der Bronzezeit das Dorf gerade erst verlassen haben“, sagt Mark Knight von der Cambridge Archaeological Unit (CAU) und Grabungsleiter in Must Farm.

Momentaufnahme des Lebens vor 3.000 Jahren

Zu den Besitztümern, die identifiziert werden konnten, gehören Werkzeuge für Metallarbeiten, Sicheln für das Ernten von Getreide, Äxte und Meißel sowie Rasiermesser zum Schneiden von Haaren. Außerdem entdeckten die Archäolog*innen Utensilien für Textilarbeiten – darunter Stoffreste, Spulen und Webstuhlgewichte. 

Galerie: Einblick in das Leben der Must Farm-Bewohner*innen

 

BELIEBT

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    Die Forschenden konnten sogar nachempfinden, wie eine der Unterkünfte genutzt wurde: Neben einem Schlaf-, einem Arbeits- und einem Lagerbereich wurden in „Haus 1“ auch Schafe gehalten. Knochenfunde zeigen, dass die Tiere bei dem Feuer nicht so gut davongekommen waren wie die menschlichen Bewohner*innen der Must Farm Siedlung: Mehrere drei bis sechs Monate alte Lämmer waren in den Flammen gestorben. Das Alter der Tiere lässt laut den Forschenden darauf schließen, dass das Dorf im Sommer oder Herbst zerstört wurde. 

    Wie eilig es die Menschen beim Verlassen des Dorfes hatten, zeigt ein Fund besonders eindrucksvoll: eine Tonschüssel, die noch immer die darin zubereitete Mahlzeit enthält – Porridge gemischt mit Tierfett. Darin: der Holzlöffel, der zum Anrühren des Breis verwendet wurde. Warum das Feuer so überraschend ausbrach, ist bislang nicht geklärt.

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