Mungo Park

Moskitos, Malaria, Räuber und Hunger halten den schottischen Arzt nicht davon ab, bis an den Niger vorzudringen. In einem zweiten Anlauf will er den geheimnisvollen Strom bis zur Mündung befahren – koste es, was es wolle.

Von National Geographic

Moskitos, Malaria, Räuber und Hunger halten den schottischen Arzt Mungo Park nicht davon ab, bis an den Niger vorzudringen. In einem zweiten Anlauf will er den geheimnisvollen Strom bis zur Mündung befahren – koste es, was es wolle.

Europa am Ende des 18. Jahrhunderts: In Frankreich tobt die Revolution, die Wiener Gesellschaft lauscht Beethovens Klavierkonzerten. England hat zwar den Krieg gegen die amerikanischen Unabhängigkeitskämpfer verloren. Aber die Industrialisierung der Insel schreitet unaufhaltsam voran. Es werden mehr Rohstoffe gebraucht, neue Absatzmärkte müssen erschlossen werden. Die Engländer beobachten die Expansion des französischen Rivalen in Afrika mit Argusaugen. Doch noch hat das alles nichts mit Mungo Park zu tun.

Mungo Park wird als siebtes von 13 Kindern in Schottland geboren. In Edinburgh studiert er Medizin und Botanik. 1792 bricht er zu seiner ersten großen Reise auf. Als Hilfsarzt auf einem Schiff der Ostindien-Kompanie reist er nach Sumatra, kehrt ein Jahr später nach England zurück. Im Gepäck hat Mungo Park acht bis dahin unbekannte Fische.

Seine Publikation über die Tiere erweckt die Aufmerksamkeit von Sir Joseph Banks. Der Präsident der Royal Society ist auch Gründungsmitglied der Britischen Afrikagesellschaft, der an einer möglichst schnellen Erschließung des Schwarzen Kontinents gelegen ist. Durch Banks’ Empfehlung erhält Mungo Park den Auftrag, dort das größte geographische Geheimnis seiner Zeit zu lösen: die Nigerfrage.
Von dem legendären Fluss ist so gut wie nichts bekannt – weder die Quelle noch der Lauf, noch die Mündung. Bei Herodot, dem antiken griechischen Historiker und Geographen, war schon von dem Strom die Rede. Auch arabische Reisende des Mittelalters, Leo Africanus und Ibn Battuta , haben von ihm berichtet. Doch das ist 200 Jahre her.

Mungo Park sticht im Frühjahr 1795 von England aus in See. Im Juni erreicht der Schotte an der Westküste Afrikas die Mündung des Gambia. Eine kleine englische Faktorei hat am Ufer des schlammigen Flusses ihren Sitz. Dahinter ist undurchdringlicher Dschungel. Kein Europäer setzt freiwillig seinen Fuß da hinein. Doch arabische Händler schaffen aus dem Wald Elfenbein heran, Goldstaub und Sklaven.

Die Sonne sticht, die Luft ist drückend, der Regenwald dampft. Mungo Park fährt den Gambia 150 Kilometer hoch zur Handelsstation Pisania. Der Neuankömmling braucht Zeit, sich an das ungewohnte Klima zu gewöhnen – und erlebt, wie gefährlich es für Europäer ist. Er erkrankt an Malaria. Chinin ist als Heilmittel noch nicht bekannt. Der Erfolg einer Expedition hängt zu dieser Zeit nicht zuletzt davon ab, wie widerstandsfähig der Reisende gegen das tropische Fieber ist.

Park nutzt die Zeit der Rekonvaleszenz und erlernt die Mandingo-Sprache der Einheimischen. Er lernt den freigelassenen Sklaven Johnson kennen, den er als Dolmetscher verpflichtet, und kauft sich für sieben Pfund und zehn Schilling ein Pferd.

Am 2. Dezember 1795 bricht der Schotte wieder auf, begleitet von Johnson, einem Sklavenjungen und mehreren Dienern. Parks Vorgänger, Major Daniel Houghton, machte sich vor vier Jahren auf die Suche nach dem Niger. Er ist seitdem verschollen. Doch Mungo Park ist optimistisch. Anfangs kommt er auf der bekannten Route der arabischen Sklavenkarawanen ganz gut voran. Er zieht durch die kleinen Reiche Wuli, Bondu und Kajaaga. Dann verlässt Park die sumpfige Gegend des Gambia, quert den Senegal, gelangt in die Gegend von Kaarta. Die Stämme werden immer feindlicher, die Wegezölle unverschämter, je weiter Park nach Norden kommt.

Am 6. März 1796 wird Mungo Park in Ludamar in der Sahelzone von Beduinen überfallen. Ihr Zeltlager liegt in der Ebene von Benaum. Sie hassen ihn, weil er in ihren Augen ein Ungläubiger ist. Sie demütigen ihn, halten ihn vier Monate in einer Hütte gefangen. Mungo Park hungert, oft bekommt er nicht einmal genug zu trinken. Als er erfährt, dass er umgebracht werden soll, wagt er die Flucht – ohne Habe, ohne Vorräte.

Mungo Park ist allein, mehr als 1000 Kilometer von der Küste entfernt. Doch er kehrt auch diesmal nicht um. Sein Ziel ist immer noch der Niger. Seinen Kompass hat er nach seiner Gefangennahme heimlich im Sand versteckt. Nun weist die Nadel ihm den Weg. Park ist auf Almosen der Eingeborenen angewiesen. Ab und zu versorgen sie ihn mit etwas Hirse oder Datteln.

Am 21. Juli 1796 erreicht Mungo Park bei Ségou den Niger, der bei den Eingeborenen Dscholiba, „der große Fluss“, heißt. Er strömt nach Osten, stellt Mungo Park fest, aber wohin? Ist er, wie manche Geographen seiner Zeit vermuten, der Oberlauf des Nil? Oder, wie Park selber glaubt, der Oberlauf des Kongo, von dem man bis dato nur die Mündung kennt?

Mungo Park ist beeindruckt von der Größe Ségous, der Hauptstadt des Königreichs Bambara: Hunderte von Häusern – manche sogar zweistöckig –, das Land rundherum sorgfältig kultiviert. Nie hätte der Schotte im Inneren Afrikas eine solche Zivilisation erwartet. Doch die Enttäuschung folgt auf dem Fuss. Der Zutritt in die Stadt wird ihm verwehrt. Schon am nächsten Morgen muss Mungo Park weiterziehen. Immerhin lässt ihm der König einen Beutel mit 5000 Kaurimuscheln zukommen, so dass Park künftig wieder Waren eintauschen kann.

Den Schwarzen Fluss hat Mungo Park als erster Europäer erreicht. Nun heißt sein nächstes Ziel Timbuktu, das irgendwo am Niger liegen soll. Über Sansanding erreicht er nach knapp 500 Kilometern Silla, die letzten sechs Stunden legt er in einem Fischerboot zurück. Die Einwohner raten Park jedoch davon ab, weiter flussabwärts zu ziehen. Muslimische Fanatiker kontrollierten die Gebiete, sie würden ihn, den Christen, umbringen. Park beschließt erstmals umzukehren, aber nicht ohne vorher noch Erkundungen über den geheimnisvollen Strom einzuziehen. Zwei Tagesreisen weiter im Osten, so wird ihm erzählt, liege die Stadt Djenné auf einer kleinen Insel im Fluss. Noch weiter östlich fließe der Dscholiba in einen riesigen See, aus dem er in verschiedenen Strömen wieder hinauslaufe. In Kabara würden sich die Arme des Flusses wieder vereinigen. Und dort befände sich der Hafen von Timbuktu.

Auf dem Rückweg gelangt Park über Land nach Bamako. Inzwischen hat die Regenzeit eingesetzt. Er watet bis zu den Knien durch Morast. Er hat keine Decke, schläft auf der feuchten Erde. Er wird wieder geschüttelt von Malariaanfällen. Mit letzter Kraft erreicht Mungo Park Kamalia, wo er von einem Eingeborenen gesund gepflegt wird. Hier wartet er auf die nächste Karawane, die zum Gambia zieht – sieben Monate lang.
Am 10. Juni 1797 kommt Mungo Park in Pisania an. Dort hat man ihn bereits für tot gehalten. Ende Dezember kehrt er nach England zurück. Seine Erkenntnisse werden auf Karten veröffentlicht, sein Buch „Reise in das Innere von Afrika 1795–97“ wird ein Bestseller. Park zieht wieder nach Schottland, heiratet, eröffnet eine Arztpraxis. Einige Jahre lebt er in Ruhe, doch etwas nagt an ihm. Er hat den Oberlauf des Niger erhellt, unerforschtes Gebiet durchreist. Aber er weiß immer noch nicht, wohin der Strom fließt.

Auch die britische Regierung möchte mehr über den Niger erfahren. Sie richtet Parks zweite Expedition aus. Ende Januar 1805 sticht er in See. Die britische Garnison auf der Insel Gorée – in der Nähe des späteren Dakar – stellt ihm ungefähr 30 Soldaten. Park fühlt sich stark, er ist optimistisch. Diesmal werden ihn keine Wegelagerer ausrauben. Er wird genug zu essen haben und sein Ziel erreichen – die Mündung des Niger.

Mungo Park wartet das Ende der Regenzeit nicht ab, sondern bricht schon Anfang Mai auf. 900 Kilometer durch den Dschungel liegen vor ihm. Seine Männer erkranken an Malaria und an der Ruhr. Viele sind den Strapazen nicht gewachsen. Als Park am 19. August den Niger erreicht, sind schon 20 Mann gestorben, einer ist verrückt geworden.

Aber der Entdecker ist durch nichts aufzuhalten. Aus zwei einheimischen Kanus lässt er ein neues Boot bauen – lang und flach, damit es Stromschnellen und Wasserfälle passieren kann. Nach zwei Monaten Vorbereitung brechen sie auf: Park, drei Europäer, drei Sklaven, ein einheimischer Führer. «Ich beabsichtige nicht, überhaupt anzuhalten noch irgendwo an Land zu gehen, bevor wir die Küste erreicht haben», schreibt er in seinem letzten Brief an seine Frau.

Danach verschwindet die Expedition – spurlos. Nachforschungen können ihr Schicksal nicht klären. Wahrscheinlich sind Park und seine Leute bei den Bussa-Fällen, 800 Kilometer vor der Niger-Mündung, in einen Hinterhalt der Uferbewohner geraten - und bei dem Versuch sich schwimmend zu retten, ertrunken.

Der Schotte Hugh Clapperton, der 1827 eine Expedition am Niger unternimmt, verliert ebenfalls sein Leben. Von ihm stammt der Satz: Jeder Weiße , der an den Niger kommt, stirbt an diesem Ufer. Drei Jahre später gelingt es den Brüdern Richard und John Lander, das Geheimnis des Flusses zu lösen: Er ist ein eigenständiger Strom, der in den Golf von Guinea fließt.

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