Eine gigantische Wanderroute wird 17 Nationalparks miteinander verbinden
Die „Route der Parks“ wird am Ende 2.400 km lang sein.
1976 verfügte der chilenische Diktator Augusto Pinochet den Bau der Route 7, einer ehrgeizigen Straße, die sich über etwa 1.200 km durch Patagoniens relativ menschenleere Landschaft im Süden Chiles erstrecken würde. Diese bemerkenswerte Wildnis besteht aus dichten Küstenregenwäldern, überwältigenden Fjorden, Gletschern, Vulkanen und den steilen, hoch aufragenden Gipfeln der Anden, die sich bis an die Spitze des Kontinents hinunter erstrecken.
Während der folgenden Dekade arbeiteten Berichten zufolge mehr als 10.000 Soldaten an dem Bau der Straße, die als Carretera Austral (Südlicher Highway) bekannt wurde. Viele Menschen verloren ihr Leben bei diesem Unterfangen, das als Chiles ehrgeizigstes Infrastrukturprojekt des 20. Jahrhunderts galt. In den späten 1980ern wurde die Carretera Austral für den Verkehr freigegeben, aber der Bau der Straße setzte sich fort, weiter und weiter nach Süden.
Heute wird die Straße im Hinblick auf abenteuerlustige Touristen neu konzipiert – als Verbindung zu einer Wildnis, die zu den spektakulärsten und unverfälschtesten der Welt gehört. Da nun über 4 Millionen Hektar Land in der Region zu neuen Nationalparks werden oder bereits bestehende Parks erweitern, erhält ein Teil der Carretera Austral – die größtenteils noch immer eine unbefestigte Lehmstraße ist – ein treffendes Rebranding als Ruta de los Parquos.
Diese „Route der Parks“ wird am Ende 2.400 km lang sein und 17 Nationalparks miteinander verbinden.
„Das eröffnet die Möglichkeit, sich Autoreisen vorzustellen, die insgesamt mehrere Wochen dauern könnten“, sagt Rick Ridgeway. Er ist ein Vizepräsident des Bekleidungsunternehmens Patagonia und ein Vorstandsmitglied der Tompkins Conservation – die Dachorganisation, welche die Conservación Patagónica und den Conservation Land Trust leitet, der sich um die Gründung von Nationalparks in Chile und Argentinien kümmert.
„Es ist eine aufregende Vorstellung“, sagt Ridgeway über den Plan, 17 Parks miteinander zu verbinden. „Auch die Chilenen sind deshalb aufgeregt. Es ist eine Möglichkeit, die Fantasie der Menschen zu beflügeln, die sich vorstellen, einige, wenn nicht gar alle dieser neuen Schutzgebiete auf einer ausgedehnten Autoreise zu sehen.“
DIE LANDSCHAFTSSPENDE
Es ist eine der größten Geschichten des Naturschutzes: Letzten Monat gelobten die chilenische Präsidentin Michelle Bachelet und die amerikanische Philanthropin und Naturschützerin Kristine McDivitt Tompkins, Chiles Nationalparksystem um mehr als 4 Millionen Hektar Land zu erweitern. Das ist eine größere Fläche als die Schweiz.
Die Tompkins Foundation hatte Kris zusammen mit ihrem verstorbenen Mann Doug Tompkins gegründet. Über die Organisation spendete sie mehr als 400.000 Hektar Land, die das Paar im Laufe von zwei Dekaden mit dem Ziel der Erhaltung und Renaturierung erworben hatte. Es gilt als die größte Spende von privatem Land, die je an eine Nation getätigt wurde. Derweil hat die chilenische Regierung Tompkins‘ Spende um weitere 3,6 Millionen Hektar staatlich geschütztes Land aufgestockt, das zu Nationalparkland werden soll.
Ridgeway, 67, ist ein sehr guter Freund von Tompkins. Er war dabei, als Doug im Dezember 2015 bei einem Kajakunfall auf dem Carrera-See in Südchile starb. Yvon Chouinard, die Gründerin des Herstellers für Outdoor-Bekleidung Patagonia, war ebenfalls anwesend. Alle drei sind (bzw. waren) zukunftsweisende Persönlichkeiten der Outdoor-Industrie. Ihre langjährige Freundschaft und ihre Liebe zu Südchile hat nicht nur ihre umweltfreundlichen Unternehmensmethoden und ihren Führungsstil inspiriert, sondern sie auch zu Dutzenden eigener Abenteuer veranlasst. Jahrelang erkundeten sie zusammen die Region beim Fischen, Wandern, Kajakfahren oder Klettern.
Ridgeway ist ein legendärer Kletterer, der vermutlich am bekanntesten durch seine Teilnahme an der ersten amerikanischen Expedition ist, die 1978 den Gipfel des K2 erreicht hat. Er kam erstmals in den 1980ern ins chilenische Patagonien, um mit Chouinard fischen zu gehen. Laut seinen eigenen Schätzungen ist er seitdem um die 30 Mal in diese wilde Landschaft zurückgekehrt. In einem Interview teilte er ein paar Einsichten und Geschichten darüber, was diese Parklandschaften so einzigartig macht und warum er Jahr für Jahr immer wieder nach Patagonien zurückkehrt.
„Eine echte Wildnis“
Zwischen dem zukünftigen Pumalín-Nationalpark – dem nördlichsten Teil der zukünftigen Kette der „Route der Parks“ – und dem südlichsten Teil, dem Yendegaia-Nationalpark, gibt es auf mehr als 15 Breitengraden eine große Vielfalt an Landschaften. Ridgeway sagt, dass die Geografie der Region in mancher Hinsicht vergleichbar mit dem Pazifischen Nordwesten ist, angefangen bei der Küste Oregons über Washington State bis nach British Columbia.
„In den nördlichen Parks wie Pumalín, Corcovado und Melimoyu ist es eine echte Herausforderung, abseits der Wanderwege zu reisen“, sagt er. „Ich bin über die Jahre mit Yvon und Doug auf ein paar Gipfel geklettert und hab mir ein paar Mal den Weg durch die unwegsame Natur gebahnt. Aber die Kehrseite ist, dass man sich eben in einer echten Wildnis befindet.
Wenn man eher gemäßigtes Wandern im Sinn hat, kann man an Orten wie Pumalín auf dem Wegesystem bleiben. Aber wenn man so richtig in die echte, tiefe Wildnis vorstoßen möchte, wo es praktisch keine menschlichen Spuren gibt, sollte man in den Corcovado-Park. Da gibt es keine Infrastruktur, kein Wegesystem, und das ganze Gebiet ist eine tiefe Wildnis mit all dem Zauber, den das mit sich bringen kann.“
Der Corcovado-Nationalpark
Der Corcovado-Nationalpark hat eine reichhaltige Biodiversität. Auch Pumas streifen dort durch die uralten Wälder, welche die 82 Seen des Parks umgeben. Aus den Regenwäldern erheben sich hohe Vulkane, darunter auch der namensgebende Corcovado (2.300 m) mit seinem auffälligen, schneebedeckten Gipfel. Doug Tompkins war der erste Mensch, der ihn im Alleingang bestieg.
„Das war eine Wahnsinnsleistung“, sagt Ridgeway, „weil die letzten paar Steigungen ziemlich steil und technisch sind. Ich habe [Jahre später] versucht, den Berg mit drei anderen Kumpel zu besteigen, Jeff Johnson, Jimmy Chin und Timmy O‘Neil, und wir sind alle ziemlich gute Bergsteiger. Wir sind bis an den Gipfel rangekommen, aber dann war das Gestein einfach zu bröckelig, um weiterzumachen. Als Doug da war, war der Fels mit Eis bedeckt, also konnte er bis zum Gipfel eisklettern. Aber so ein Solo-Eiskletteraufstieg ist schon eine beachtliche Leistung.“
Ridgeway sagt, dass die Erfahrung, beim Besteigen des Corcovados zu scheitern, sowie sein erster erfolgreicher Aufstieg auf den Yanteles (ein anderer Vulkan in dem Park) zusammen mit Tompkins Abenteuer waren, „die mir immer im Gedächtnis bleiben werden.“
Der zukünftige Patagonia-Nationalpark
Den zukünftigen Patagonia-Nationalpark bezeichnet Ridgeway als den vielleicht einzigartigsten Park von allen.
„Er unterscheidet sich insofern von den anderen, als dass der Bergrücken der Anden sich dort zweiteilt. An diesem Punkt wird der seewärtige Teil der Anden als Nördliche Eiskappe bezeichnet. Der Patagonia-Nationalpark befindet sich östlich davon, am sekundären Rücken. Daher liegt der Park im Regenschatten der Eiskappe. Die Niederschlagsmenge entspricht dort nur 25 oder 30 Prozent von dem, was in den Küstenparks runterkommt. Daher ist die Vegetation völlig anders. Es fehlt die dichte Unterschicht des Waldes, deshalb kann man sich dort viel einfacher umherbewegen. Das ist eine völlig andere Erfahrung.“
Im ganzen Park gibt es mehr als 110 km an Wanderwegen. Drei, die man sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte, sind der Lagunas Altas Trail, der Avilés Trail und der Lago Chico Trail, die Besucher in den Westen, die Mitte und den Osten der Parklandschaften bringen. Es gibt allerdings auch genügend Hinterland zu erkunden.
„Vor zwei Jahren war ich mit zwei anderen Freunden von mir dort und wir haben eine Erkundungswanderung gemacht, bei der wir nur Tierspuren gefolgt sind“, erzählt Ridgeway. „Das war richtig cool, weil wir da draußen waren, das war ein richtiger kleiner Forschungstrip, und wir hatten eine großartige 4-Tages-Tour.“
Die Autoreise des Lebens
Die komplette 2.400 km lange Ruta de los Parques mit dem Mountainbike zu bereisen, wäre schon ein knallhartes Unterfangen, aber die meisten Reisenden werden sich für das Auto entscheiden. Für Ridgeway hat diese Autoreise auch eine sentimentale Bedeutung. Er, seine Frau und ihre drei Kinder fuhren die komplette Lehmstraße in den späten 1980ern entlang. Sie machten dafür zwei separate Touren, von denen jede sechs Wochen dauerte.
„Es war eine fantastische Erfahrung für uns und unsere Kinder, und sie sprechen noch immer die ganze Zeit davon. Nachdem sie erwachsen wurden, sind sie sogar alle dorthin zurückgekehrt, um ehrenamtlich für die Parkprojekte zu arbeiten. Diese Reisen mit dem Auto haben ihre Leben nachhaltig geprägt und verändert.“