6 spirituelle Pfade, die Körper und Geist herausfordern

Auf diesen spirituellen Wegen können Abenteurer und Wallfahrer körperliche Herausforderungen und geistigen Frieden finden.

Von Jen Rose Smith
Veröffentlicht am 30. Okt. 2017, 15:07 MEZ

Ein ruhiger Waldspaziergang kann für den ein oder anderen schon eine spirituelle Erfahrung sein. Zahllose Wanderer zieht es in die Wälder und an höher gelegene Orte, auf der Suche nach einem Gefühl der Ehrfurcht vor der Erhabenheit der Natur. Da schon das Wandern auf einem Pfad eine Art Gebet sein kann – der hypnotische Rhythmus der Schritte und des Atems –, führen einige Wanderrouten auf richtige Pilgerreisen.

Von den hohen Gipfeln Südkoreas bis zur Heide- und Moorlandschaft Irlands ziehen die folgenden Wanderrouten Gläubige aus aller Welt an. Sie folgen den Pfaden, die schon von christlichen Pilgern, buddhistischen Mönchen und keltischen Heiden beschritten wurden. Ob man nun in historischen Abteien nächtigt oder unter den Sternen schläft – die Reisenden führen eine lange Tradition von Wallfahrern fort, die durch die Wildnis pilgern. Die wilde Schönheit und die faszinierenden Kulturen zu beiden Seiten dieser Routen fesseln religiöse wie weltliche Besucher und versprechen einzigartige Wandererlebnisse.

CROAGH PATRICK, IRLAND

Irlands Schutzheiliger fastete 40 Tage lang auf dem Gipfel dieses Bergs, der einen weiten Blick auf die umliegenden Heiden, Moore und die Inseln der Clew Bay bietet. Der Legende zufolge ist es auch der Ort, an dem St. Patrick alle Schlangen aus Irland vertrieb. Mehr als 25.000 gläubige Katholiken treten jedes Jahr am Domhnach na Cruaiche, dem letzten Sonntag im Juli, in seine Fußstapfen und wandern die Hänge des Croagh Patrick zur kleinen Kapelle auf dem Gipfel hinauf.

Als St. Patrick im Jahr 441 auf den Berg stieg, war dieser bereits seit Tausenden von Jahren eine Pilgerstätte. Archäologen haben die Ruinen eines keltischen Forts ausgegraben, das einst den Gipfel bewachte. Vor langer Zeit versammelten sich die irischen Heiden hier, um vorchristliche Geister anzurufen und zum Beginn der Erntezeit das Fest Lughnasadh zu feiern.

Wanderer und spirituelle Reisende, die den Jakobsweg in Spanien beschreiten, können unterwegs in Klöstern übernachten. Das Endziel ihrer Reise ist Santiago de Compostela.
Foto von Joel Addams, Aurora

JAKOBSWEG, SPANIEN

Sie winden sich durch die französischen Pyrenäen und führen dann an der nördlichen Grenze der iberischen Halbinsel entlang – Pilger wandern die Jakobswege bis zum Zielort Santiago de Compostela seit mindestens 11 Jahrhunderten entlang. Der Jakobsweg – oder El Camino de Santiago – ist, wie bereits angedeutet, kein einzelner Weg. Er verzweigte sich über die Jahre und wurde von christlichen Füßen aus dem ganzen Kontinent in den Boden getreten.

Am Ende der langen Reise befindet sich die Kathedrale von Santiago de Compostela, die – so glauben manche – die Gebeine des Apostels Jakobus enthalten soll. Genau wie die frühen Pilger auf diesem Pfad übernachten auch die heutigen Wanderer auf dem Camino in Herbergen oder Albergues. Meist sind das Klöster oder umgebaute Kirchen. Die Belohnung am Ziel ist aber nicht ausschließlich spiritueller Natur. Die Stadt in Galicien ist bekannt für ihren Mandelkuchen, Tarta de Santiago, der mit einem Puderzuckerkreuz des Heiligen Jakobus verziert wird.

BELIEBT

    mehr anzeigen
    Die uralte Pilgerroute Kumano Kodo in Japan wird seit mehr als 1.000 Jahren von Mönchen und Kaisern beschritten.
    Foto von Lucas Vallecillos, Alamy

    PILGERROUTE KUMANO KODO, JAPAN

    Eingebettet in die Gipfel der Kii-Berge locken drei große Schreine Buddhisten und Touristen auf den Kumano Kodo. Sie folgen den Pfaden, den Mönche und Kaiser seit über 1.000 beschreiten. Die spirituelle Bedeutung der Region geht der Ankunft des Buddhismus in Japan im 6. Jahrhundert jedoch voraus. Es lassen sich Hinweise darauf finden, dass sie seit prähistorischen Zeiten ein geheiligter Ort für Verehrer der Natur ist.

    Die großen Kumano-Schreine gehören mittlerweile zum UNESCO-Welterbe und verschmelzen den Buddhismus die japanischen Shinto-Religion miteinander. Der Pfad ist gesäumt von kleinen Oji-Schreinen, in denen örtliche Gottheiten wohnen. Pilger finden hier eine willkommene Möglichkeit, sich auf ihrer Wanderschaft etwas zu erholen.

    Wie beim Jakobsweg gibt es auch hier keine einzig wahre Route: Reisende haben die Wahl zwischen vier Hauptwegen, die sich durch die Berge oder an der Küste entlangschlängeln und unterwegs durch traditionelle Dörfer, gewaltige Bambuswälder und Reisfelder führen.

    Der See am Großen St. Bernhard an der Via Francigena ist nur einer der umwerfenden Schauplätze, den die Reisenden auf ihrer Wanderung passieren.
    Foto von Reinhold Tscherwitschke, Alamy

    VIA FRANCIGENA, ITALIEN

    Die christliche Praktik des Pilgerns zu heiligen Orten geht auf die ersten Jahrhunderte nach Christus zurück. Im Mittelalter machten sich Gläubige auf der Suche nach Vergebung und dem Glauben auf den Weg in die Heilige Stadt Jerusalem oder nach Santiago de Compostela in Spanien. Viele folgten auch den antiken, verfallenen Straßen, die nach Rom führten – eine Stadt voller Relikte und Kirchen.

    Im 10. Jahrhundert erstreckte sich die Via Francigena oder Frankenstraße von Canterbury in England bis nach Rom. Sie schlängelt sich durch den Jura und die Alpen, bevor sie schließlich an die italienische Küste hinabführt. Wie schon die Pilger im Mittelalter besuchen auch die heutigen Wanderer auf der Via Francigena eine Reihe von Klöstern und Abteien auf ihrem Weg. Dort speisen sie mit den Mönchen und nehmen an den traditionellen Gebeten teil.

    Die Route erstreckt sich über mehr als 2.000 Kilometer – allerdings ist es kein streng asketischer Weg. Die Wanderer lassen sich oft Zeit, um den weltlicheren Charme Europas zu genießen – besonders, wenn der Weg durch die Weinregion der Champagne oder das Val d’Orcia in der Toskana führt.

    Der Kailash in Tibet ist mehr als 6.600 Meter hoch. Die Pilgerreise führt aber nicht auf den Gipfel, sondern auf 53 Kilometern um den Berg herum.
    Foto von Jake Norton, Aurora

    KAILASH, TIBET

    Mit seiner dramatischen Bergwand aus schwarzem Gestein und dem Gipfel, der bis auf 6.638 Meter aufragt, zieht der Kailash selbst neben den hohen Bergen Tibets die Aufmerksamkeit auf sich. Für vier Religionen – Hinduismus, Buddhismus, Bön und Jainismus – stellt er auch das Epizentrum der spirituellen Welt dar. Jede der vier sieht den Berg als Heimat von Göttern, einen Ort der Erleuchtung oder eine Quelle der Stärke an. Es ist aber nicht der Weg auf den Berg hinauf, der am wichtigsten ist. Der Pilger des Kailash beschreiten den 53 Kilometer langen Pfad, der um den Berg herumführt und an einer Reihe Pagoden, Schreine und Tempel vorbeiläuft.

    Für die ganz Hartgesottenen auf der Suche nach wahrer Erleuchtung haben die tibetischen Buddhisten eine Möglichkeit parat: Sie glauben, dass man den Weg ins Nirwana findet, wenn man den Pilgerpfad 108 Mal entlangschreitet – eine Wanderung von 5.724 Kilometern um einen einzigen Gipfel herum.

    Der Baekdudaegan-Wanderweg in Südkorea erstreckt sich auf etwa 740 Kilometern Länge über die höchsten Gipfel und passiert die Quellen aller großen Flüsse des Landes.
    Foto von Yooniq Images, Alamy

    BAEKDUDAEGAN-WANDERWEG, SÜDKOREA

    In Koreas alter Tradition der Verehrung von Berggeistern bildet der Kamm des Baekdudaegan-Gebirges das lebhafte Zentrum. Die schneebedeckten Bergkuppen erstrecken sich fast entlang der gesamten koreanischen Halbinsel. Obwohl der in Nordkorea befindliche Teil für Außenseiter nicht zugänglich ist, beläuft sich der Wanderweg des Baekdudaegan auf etwa 740 Kilometer. Er passiert die höchsten Gipfel und die Quellen der größten Flüsse des Landes.

    Eine Wanderung auf diesem Weg ist ein echter Test der Stärke und Ausdauer. Zweifelsohne ist es aber auch eine spirituelle Reise, die einen an Schreinen und Tempeln des Buddhismus, Daoismus Schamanismus und Neokonfuzianismus vorbeiführt. Auf dem Gipfel des Jirisan erreicht der Baekdudaegan einen geografischen und spirituellen Höhepunkt. Es ist der höchste Berg auf dem Festland von Südkorea. Die Gläubigen des Landes kommen hierher, um an den sieben großen buddhistischen Tempeln an den Hängen des Jirisan zu beten. Einer von ihnen ist der Hwaeomsa-Tempel, in dem Wanderer sich den Buddhisten vor Sonnenaufgang für Gesänge und Dharma-Getrommel anschließen können.

    Jen Rose Smith auf Instagram und ihrer Webseite folgen.

    loading

    Nat Geo Entdecken

    • Tiere
    • Umwelt
    • Geschichte und Kultur
    • Wissenschaft
    • Reise und Abenteuer
    • Fotografie
    • Video

    Über uns

    Abonnement

    • Magazin-Abo
    • TV-Abo
    • Bücher
    • Disney+

    Folgen Sie uns

    Copyright © 1996-2015 National Geographic Society. Copyright © 2015-2024 National Geographic Partners, LLC. All rights reserved