Rolf Lange: Weltenreise

Von Rolf Lange
Veröffentlicht am 14. Feb. 2019, 15:33 MEZ

Ein erfolgreicher Geschäftsmann kündigt seinen Job, gibt seine Wohnung auf und macht sich auf den Weg, mit dem Motorrad die Welt zu erkunden: 65 266 km fährt er 17 Monate lang durch 42 Länder auf 5 Kontinenten. Weltenreise ist die beeindruckende, sehr persönliche Geschichte über einen radikalen Aufbruch, unerwartete Begegnungen und die Rückkehr nach Hause - mit neun inspirierenden Erkenntnissen über das Leben außerhalb der Komfortzone, fesselnden Eindrücken fremder Kulturen und Erzählungen über die Welt abseits der täglichen Nachrichten. 

„Wir hatten den 19. Juli 2014 gewählt. Um Punkt zwölf Uhr mittags wollten wir losfahren. Vormittags trafen wir uns mit unseren Fami­lien und Freunden im Haus meiner Schwester. Die beiden fertig gepackten, frisch geputzten und vollgetankten Motorräder standen in der Garageneinfahrt wie zwei Rennpferde kurz vor dem Start. Es gab Weißwürste und Brezn, dazu alkoholfreies Weißbier. Bis Joe und ich schließlich sagten: »Wir fahren jetzt. «Innerlich zitterte ich, mein Herz raste. Ich stand nun also kurz davor, meiner Komfortzone soweit wie möglich zu entspringen, das weiche Kopfkissen zu verlassen. Mit einem Mal spielte die gesamte Planung keine Rolle mehr, plötzlich war es hinfällig, ob wir etwas Wichtiges vergessen hatten oder auf irgendeine Herausforderung unvorbereitet waren. Es ging nur um: Endlich losfahren! Ich kon­zentrierte mich nur darauf, diesen ersten Schritt zu gehen, was danach kommen würde, blendete ich aus. Es funktionierte. Es war, als würde ich mich selbst von außen dabei beobachten, wie ich in aller Ruhe die einzelnen Handgriffe machte. Mein Helm dämpfte sämtliche Außengeräusche. Mühelos versenkte ich den Schlüssel im Schloss. Eine Vierteldrehung nach rechts, und der Bordcom­puter zog seine übliche Startroutine durch: Die Leuchtdioden blinkten kurz auf, Drehzahl- und Geschwindigkeitsmesser fuhren einmal die gesamte Skala ab, um sich dann wieder zurück auf den Ausgangspunkt zu drehen. Alles stand auf Null. Dann drückte ich mit meinen rechten Daumen auf den Anlasser.

BELIEBT

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    Foto von Rolf Lange

    Unsere große Reise begann erstaunlich unspektakulär. Wunder­schön, aber keineswegs abenteuerlich. Es hätte auch eine ganz gewöhnliche Sonntagsfahrt auf der Hausstrecke sein können. Das Wetter war wunderbar, keine einzige Wolke trübte den blauen Himmel. Ein halbes Dutzend enger Freunde begleitete uns bis Salz­burg, und abends stiegen wir in einem günstigen, aber sehr kom­fortablen Hotel ab – mit videoüberwachter Tiefgarage. Jetzt bloß nichts riskieren, dachten wir. Wir gingen ein letztes Mal gemein­sam essen und ließen den lauen Sommerabend bei einigen Gläsern Bier an der Salzach ausklingen. Am nächsten Morgen verabschie­deten wir uns. Reinhard, mein sehr guter Freund und langjähri­ger beruflicher Begleiter, sagte: »Schreib Geschichte!« Tina gab mir einen Kuss auf den Mund und flüsterte mir ins Ohr: »Gute Reise. Erfüll dir deinen Traum!« Es gab keine Vereinbarung, nicht den Hauch einer Idee, wann wir uns wiedersehen würden, und zu diesem Zeitpunkt ahnte ich nicht, wie oft ich an diesen Abschied noch zurückdenken würde.
     
    In den ersten Tagen waren Joe und ich sehr schnell unterwegs, als wollten wir alles Bekannte möglichst rasch hinter uns lassen. Bemerkungen wegen unserer deutschen Kennzeichen begannen uns zu nerven. Oft wurden wir gefragt, ob wir Urlaub machen würden, und nachdem wir aufgeklärt hatten, ernteten wir Lachen: »Weit seid ihr ja noch nicht gekommen!« Das trieb uns an. Wir mussten unseren abenteuerlichen Ankündigungen endlich etwas Aufregendes folgen lassen. Österreich, Ungarn, Rumänien, Bulga­rien – das war alles schön, aber es fühlte sich noch nicht nach Welt­umrundung an. Streckenweise war die Gegend so flach, dass die Erde wie eine Scheibe wirkte. Wir schossen darüber hinweg. Fort im Orient-Express. Bis nach Istanbul.
     
    Die Stadt am Bosporus war der erste Ort, der für mich etwas mit einer Neuentdeckung zu tun hatte, mit einer Kultur, die mir voll­kommen fremd war. Als wir in die Stadt fuhren und plötzlich der Gesang eines Muezzins von irgendwoher durch einen alten Laut­sprecher schepperte, wussten wir zunächst nicht, wie wir uns ver­halten sollten. War es angebracht zu stoppen? Vielleicht sogar den Helm abzunehmen? Wir beobachteten die einheimischen Ver­kehrsteilnehmer, doch wir waren wohl die einzigen, die etwas erschrocken waren. Alles andere lief seinen gewohnten Gang. Trotz des überbordenden Tourismus genoss ich Istanbul sehr. Wie ein kleines Kind lief ich staunend durch die Straßen und saugte alle Eindrücke um mich herum auf: Die Sprache, das Han­deln und Feilschen, den Geruch von gerösteten Kastanien, gebra­tenem Mais und gegrilltem Lamm. Die Stadt mit ihrer bunten Lebendigkeit hatte mich angesteckt. Ich war bereit dafür, mehr zu entdecken.“

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