Mythos Mount Everest: „Ein Magnet für Spinner, Selbstdarsteller und hoffnungslose Romantiker“

Der Mount Everest der wohl berühmteste Berg der Erde. Mit einer schier unfassbaren Höhe von 8848,86 Metern ist sein vereister, windgepeitschter Gipfel der höchste Punkt unseres Planeten – und einer der beeindruckendsten Anblicke der Welt.

Von Jeremy Berlin
Veröffentlicht am 27. Jan. 2023, 15:09 MEZ
Aufstieg zum Everest

Zehn Jahre nach der Gipfeleroberung durch Edmund Hillary und Tenzing Norgay durchsteigt im Jahr 1963 das erste US-amerikanische Team die steile Lhotse-Wand.

Foto von Barry Bishop/National Geographic Image Collection

Wie die Sherpa, die in seinem mächtigen Schatten leben, sagen: „Es gibt nur einen Everest.“ In Nepal Sagarmatha (etwa „Stirn des Himmels“) und in Tibet Qomolangma (etwa „Göttin-Mutter des Universums“) genannt, fand der Mount Everest ab Mitte des 19. Jahrhunderts Einzug in die westliche Vorstellungswelt. Damals wurde seine Rekordhöhe im Rahmen der Großen Trigonometrischen Vermessung von Indien erstmals bestimmt, woraufhin der britische Geograf und Landvermesser George Everest zum Namenspatron des Berggiganten auserwählt wurde. Ein Jahrhundert später, im Mai 1953, eroberten Tenzing Norgay und Edmund Hillary als Erste den Gipfel – nach acht gescheiterten Versuchen, die insgesamt 13 Menschen das Leben kosteten. Zum damaligen Zeitpunkt war der Everest so etwas wie „die Krönung der Erderkundung“, wie der legendäre US-Bergsteiger Conrad Anker schrieb. Seine Erstbesteigung gelang „zu einer Zeit, als die Menschheit nach zwei Weltkriegen Erholung brauchte. Es war ein einendes, inspirierendes Ereignis und ein Symbol für den Drang, unser ganzes Potenzial auszuschöpfen.“

Seither erleben wir rasante Fortschritte bei der Kletterausrüstung und -technologie, bei Bergführung, Infrastruktur und Wettervorhersage. Bis zum Jahr 2021 standen fast 6000  Menschen ehrfürchtig auf dem Dach der Welt. Für viele Bergsteiger, bedauert Anker, sei das Erklimmen des Mount Everest „von einem epischen, waghalsigen Abenteuer zu einer scheinbar leicht erreichbaren Trophäe geworden“. Für Nichtbergsteiger aber bleibe der Everest als höchster Punkt der Erde – seine offizielle Höhe verändert sich aufgrund von Plattentektonik und Tagespolitik ständig – „im Fokus der Aufmerksamkeit“. Gleichzeitig ist er zu einer Art globalem Kürzel für große Ambitionen und zeitlose, unbezwingbare Unermesslichkeit avanciert. 

Heute ist der Everest, ein Gipfel im Himalaya an der Grenze zwischen Nepal und Tibet, weit mehr als ein Bergsteigermekka: An seinen eisigen Hängen trotzt die höchste Wetterstation der Welt denkbar widrigen Bedingungen. Modernste medizinische Forschung lotet an seinen Flanken die Grenzen der menschlichen Anpassungsfähigkeit aus. In dem riesigen Freiluftlabor untersuchen Wissenschaftler, wie der Körper auf einen verminderten Sauerstoffgehalt im Blut reagiert, und ziehen daraus auch Schlüsse für die Behandlung verschiedener chronischer Erkrankungen. Für die Sherpa, das Volk im östlichen Himalaya, das zu einem Synonym für den Mount Everest geworden ist, brachte das letzte halbe Jahrhundert gewaltige Veränderungen mit sich. 

Als die Region, die sie Khumbu nennen, zu einem weltberühmten Klettergebiet wurde, veränderte das die Wirtschaft, die Landwirtschaft, die Sprache, das Schul- und das Gesundheitssystem der Sherpa radikal – oft zum Besseren, aber nicht immer. Die Moderne kurbelte Einkommen und Lebensqualität an, doch noch immer sterben Sherpas, im Westen häufig stereotyp als stets frohgemute, robuste Bergführer und Träger romantisiert, in großer Zahl bei waghalsigen Aufstiegen.

Dieses Heft will einen neuen Blick auf den Mount Everest werfen. Es will ganzheitlich darauf blicken, wie der Berg entstand und woraus er besteht, wer dort lebt und wer ihn besucht, was ihn bedroht, wie er geschützt wird und warum er bedeutsam ist (heute mehr denn je). Die Kapitel zeichnen Geschichte, Geheimnisse, Wissenschaft und Kultur des mächtigsten Bergs der Welt nach – Geologie und Geografie, Flora und Fauna, indigene Völker und Bräuche, berühmte Bergsteiger, legendäre Aufstiege und tödliche Misserfolge sowie zentrale Probleme wie den Massentourismus, die Verschmutzung durch Mikroplastik und die Folgen des Klimawandels. „Der Everest“, sagt der Bergsteiger und Autor Jon Krakauer, „war schon immer ein Magnet für Spinner, Selbstdarsteller, hoffnungslose Romantiker und andere mit eher wackeligem Bezug zur Realität.“ Dieses Heft geht weiter und zeigt: Der Everest ist für alle da. 

Das NATIONAL GEOGRAPHIC SPECIAL Nr. 12 ist seit dem 27. Januar 2023 im Handel erhältlich.

Foto von National Geographic

Das komplette Heft NATIONAL GEOGRAPHIC Special Nr. 12 befasst sich mit dem Mount Everest. Darin geht es unter anderem um Rekordjäger, die extreme Natur und die Schattenseiten des Bergsteigetourismus. Verpassen Sie keine Ausgabe mehr: Sichern Sie sich die nächsten 2 Ausgaben zum Sonderpreis! 

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