Tödliche Blüte
Wie kommt es in der Ostsee im Sommer zur Blaualgenblüte – das will Jens Müller vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) herausfinden. Gerade startete er mit der acht-Meter-Yacht „Tina V“ zu seiner viermonatigen Segelexpedition „BloomSail“. Von der schwedischen Insel Gotland aus will er mit einer wechselnden Crew untersuchen, wie die massenhafte Entwicklung von Cyanobakterien die Entstehung und den Verlauf der regelmäßigen Blaualgenblüten beeinflusst.
Das Phänomen zeigt sich jedes Jahr beim ruhigem Sommerwetter: Dicke Algenteppiche bedecken große Teile der zentralen Ostsee, sie sind sogar von Satelliten aus gut zu erkennen. Ursache ist eins der größten Probleme dieses Binnenmeers – die Überdüngung. Unter Blaualgenblüten versteht man die massenhafte Entwicklung von im Wasser schwebenden Cyanobakterien, die wie pflanzliche Algen Photosynthese betreiben und zudem ohne im Wasser gelöste Stickstoff-Pflanzennährsalze auskommen. Sie können den in der Luft vorhandenen Stickstoff in reaktive Verbindungen umwandeln und für ihr Wachstum nutzen. Ermöglicht wird die starke Vermehrung unter anderen durch Phosphor, der durch die Überdüngung der Ostsee im Überschuss vorhanden ist. Wenn die Blaualgen abgestorben sind, sinken sie auf den Meeresboden. Dort zersetzen sie andere Bakterien und verbrauchen dabei den verfügbaren Sauerstoff. Auf diese Weise tragen die Blaualgenblüten maßgeblich dazu bei, dass am Grund der Ostsee durch Sauerstoffarmut die sogenannten Todeszonen entstehen.
Trotz ihres regelmäßigen Auftretens weiß man noch zu wenig über die Blaualgenblüten: Witterung, Nährstoffverhältnisse, Salzgehalt und Wassertemperatur – welche Faktoren lösen die Entstehung der Blüten aus? Wie verteilen sich Blaualgenblüten nicht nur an der Oberfläche, sondern auch in tieferen Wasserschichten?
Ausgehend von seinem Basishafen Herrvik auf Gotland, soll Jens Müllers „BloomSail“-Expedition erstmals eine ganze Blütesaison von Anfang Juni bis Ende August nutzen und ein Messprogramm in verschiedenen Wassertiefen durchführen. So soll die Dynamik der pulsartig einsetzenden und sich oft rasant entwickelnden Blaualgenblüte beschrieben werden. „Die Vorteile eines Segelbootes kommen mir zu Gute: Ich kann genau dann vor Ort sein, wenn die Blaualgen richtig loslegen. Bei großen Forschungsschiffen ist das nicht so einfach, die sind ein bis zwei Jahre im Voraus verplant“, sagt Müller.
Zusätzlich filtriert der Meereschemiker aus einzelnen Wasserproben Algen, um eine direkte Bestimmung des organischen Materials zu ermöglichen. Um die Entwicklung der Blaualgenblüten besser zu verstehen, werden auch Temperatur, Salzgehalt und Nährstoffkonzentrationen analysiert. „Mitte September, wenn wir zurück im Heimathafen Warnemünde sind, kann die ausführliche Proben- und Datenauswertung beginnen“, sagt Müller.
Die National Geographic Society fördert junge Wissenschaftler. Mehr über solche Förderungen finden Sie hier.