Die fabelhafte Welt von Schnecken, Sex und Schleim

Von Multitasking-Schleim bis zu akrobatischen Paarungsritualen – Schnecken sind spannender, als man vermuten könnte.

Von Liz Langley
Veröffentlicht am 9. Nov. 2017, 03:38 MEZ
Schwanz eines Blauschnegels
Eine Nahaufnahme vom Schwanz eines Blauschnegels, der in Osteuropa heimisch ist.
Foto von Nature Picture Library, Alamy

Ein Leser hat uns nach einer kleinen schwarzen Schnecke aus Kroatien gefragt, die angeblich einen fauligen Gestank verbreitet, wenn sie zerquetscht wird – also haben wir beschlossen, gleich einen näheren Blick auf die wohlbekannten Weichtiere zu werfen. Das Auffälligste an ihnen ist vermutlich, wie extrem farbenfroh sie sein können. Als gute Beispiele halten der Blauschnegel aus den Karpaten und die Rote Wegschnecke her, die ursprünglich nur in Europa heimisch war, es mittlerweile aber bis in die USA und nach Kanada geschafft hat. Und dann gibt es da noch dieses knallpinke Exemplar aus Australien.

SCHNECKENDUFT?

Was die stinkige Schnecke aus Kroatien angeht, haben wir Ben Rowson befragt, den Chefkurator für Weichtiere am Museum von Wales in Cardiff, Großbritannien. Ihm fiel keine Schnecke ein, auf die diese Beschreibung zutreffen würde. Er sagte jedoch, es sei möglich, dass der Schwarze Schnegel oder Arten aus der Familie der Kielschnegel, die in Kroatien vorkommen, einen schlechten Geruch verströmen, wenn sie Pflanzen wie Putoria calabrica gefressen haben. Diese stinkt ebenfalls, wenn man sie zerdrückt.

Rowson erwähnte außerdem, dass es eine in Nordafrika heimische Art gibt, Drusia deshayesii, die laut einer Abhandlung aus dem Jahr 2012 einen „Übelkeit erregenden“ Geruch hat. Der lässt sich vermutlich auf die übelriechende Pflanze Putoria tenella zurückführen, die die Schnecke wohl frisst.

„Tierfäkalien sind ebenfalls ein Hauptbestandteil auf dem Speiseplan vieler Schneckenarten“, sagte er. Auch das trägt sicher zum einprägsamen Aroma einiger der Weichtiere bei.

Ein Schneckenverwandter, die Knoblauch-Glanzschnecke, erhielt ihren Namen durch den knoblauchartigen Geruch, den sie verströmt, wenn sie gestört wird, so Rory McDonnell. Er ist ein Entomologe an der Oregon State Universität.

Ob das wohl die Inspiration für die Schnecke als Lebensmittel war?

MULTITASKING-SCHLEIM

„Nacktschnecken sind Schnecken ohne externe Gehäuse“, sagt Chris Barnhart, ein Biologe von der Universität von Missouri. Einige Arten wie der Tigerschnegel, der in Süd- und Westeuropa heimisch ist, tragen ihr Gehäuse allerdings im Körperinneren mit sich herum.

Andere tragen es einfach auf eine seltsame Art – so zum Beispiel Ibycus rachelae, die nur im malaysischen Bundesstaat Sabah auf der Insel Borneo vorkommt. Diese „Halbnacktschnecke“ hat ein kleines, teilweise sichtbares Gehäuse in ihrer Körpermitte stecken, das aber zu klein ist, als dass sich die Schnecke darin verstecken könnte.

Da sie nur über wenig bis gar keinen Schutz gegen Räuber verfügen, brauchen sie irgendwelche Verteidigungsstrategien. Da kommt der Schleim ins Spiel: Er betäubt den Rachen potenzieller Räuber gewissermaßen und gibt der Schnecke so eine Chance, zu entkommen.

Schneckenschleim ist ein ungewöhnliches Material, das an sich weder fest noch flüssig ist. Ruhen die Schnecken, wird er zähflüssiger (alte Schleimspuren härten sogar aus). Sobald sich die Schnecke zu bewegen beginnt und dadurch Druck auf den Schleim wirkt, verflüssigt er sich allerdings wieder. Er haftet gut, ist aber auch elastisch – diese Eigenschaften inspirierten vor Kurzem die Entwicklung eines neuen Klebstoffs für medizinische Zwecke.

Der Schneckenschleim funktioniert sogar wie ein tierisches GPS. Landschnecken, so Bernhardt, „können ihren Heimweg über ziemliche Entfernungen finden, indem sie ihren eigenen Schleimspuren folgen.“

AMOURÖSE AKROBATIK

Schneckenschleim beflügelt auch Romanzen.

Alle Landlungenschnecken sind Hermaphroditen und können sich selbst befruchten, sich aber auch paaren. Indem sie ihren Schleim mit Pheromonen versetzen, zeigen die Tiere an, dass sie paarungsbereit sind – und manche machen daraus ein richtiges Spektakel.

Tigerschnegel haben ein Paarungsritual, das einer Performance des Cirque du Soleil gleichkommt. Die beiden Partner hängen kopfüber von einem Schleimfaden und winden ihre Körper umeinander. Dann stülpen sie den hinter ihrem Kopf befindlichen blauen Penis nach außen, verschlingen ihn mit dem des Partners und fächern ihn auf, um so die Spermatophoren zu übertragen. Das Ganze hat Ähnlichkeit mit einem schleimigen Kronleuchter.  

Und die „Halbnacktschnecke“, von der wir vorhin sprachen, schießt spitze, mit Hormonen versehene „Liebespfeile“ aus Kalziumkarbonat aus einem Pfeilsack zwischen Penis und Vagina in ihre potenziellen Partner. Vermutlich versucht sie so, ihre Chancen auf eine Paarung zu erhöhen. Love hurts.

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