Freund und Feind – der Biber in Brandenburg
Der Nager ist wieder heimisch im Land von Elbe, Oder und Ucker. Nicht alle sind glücklich mit seiner Rückkehr. Biberbeauftragte sollen den Unmut im Land lindern.

Mirko Beutling beugt sich über den Tatort. Die Spuren sind eindeutig: Mehrere schmale Streifen aus platt gedrücktem Gras schlängeln sich vom Feld bis zum Gestrüpp, am Ende liegt ein Haufen herbstfahler Maisstauden. Dahinter beginnt der See, zwei Fußballfelder groß. Vor einer Weile war der noch nicht hier. „Das war der Biber“, sagt Beutling.
Wie zum Beweis ein Rascheln, endend in einem Platsch: Drei Tiere retten sich vom Ufer ins Wasser und schwimmen zur Biberburg, die hinten im See aufragt. Eigentlich bietet die flache Senke mit den paar Bäumen gar kein geeignetes Zuhause für den Biber. „Das Problem ist unsere landwirtschaftlich geprägte Umgebung, die dem Biber Extrafutter bietet“, erklärt Beutling. „Der Mais zieht den Biber an.“ Auch sonst fühlt sich der Biber mächtig wohl in Brandenburg. Einst war er fast ausgestorben. Heute leben geschätzt mehrere Tausend hier, „ flächendeckend“, lobt der Nabu. Beutling sagt: „Brandenburg ist besetzt.“
Mirko Beutling, 45, ist einer von 30 ehrenamtlichen Biberbeauftragten, dazu kommen zwei hauptamtliche Biberbeauftragte, die das Land eingesetzt hat. Zusammen mit der neuen Biberverordnung sind sie Teil einer politischen Strategie. Im vergangenen Jahr wurden die Biberexperten geschult, dieses Jahr soll ihre Arbeit richtig losgehen: Biber zählen, Schäden begutachten, vermitteln. Denn wo der Biber auftaucht, gibt es viele Parteien, die mitreden wollen.
Die meisten Jäger freuen sich, weil der Biber Habitate für Wild schafft. Um gestürzte Bäume und Wildwuchs bringen aber auch Chaos in den Wald, was Förster und Waldbesitzer ärgert. Die Stauseen überfluten die Felder der Landwirte und bedrohen die Gleise der Bahn. Bürgerinitiativen verlangen, dass man den Biber einfach gewähren lässt. Sie übersehen, dass andere, nicht weniger geschützte Arten durch den Biber ihren Lebensraum verlieren. So wie der Lachs, den Tierschützer in der Elbe und ihren Zuflüssen gerade mühsam auf päppeln – und für den die Biberdämme unüberwindbar sind. Was wiederum Angler ärgert. Es ist kompliziert.
Zwischen all diesen Interessen muss Beutling in seinem Revier zwischen Stepenitz und Dömnitz vermitteln. Also redet er. Er kann das gut, er ist nicht nur Biberbeauftragter, sondern auch Angler und Jäger und Mitglied im Projekt „Elblachs 2000“. Wenn Reden nichts hilft, vergrämt er den Biber mit Plastikkanistern voller Steine, die in der Strömung klappern, „da gehen die nicht bei“. Oder er trägt den Damm ab, jeden Tag nur ein bisschen, damit der Biber nichts merkt. Beutling trickst den Biber so aus: Würde er den Damm mit einem Mal einreißen, rauscht es zu laut – und der Biber baut ihn gleich wieder auf. In letzter Instanz, nach vielen Formalitäten, kann der Biber auch „entnommen“ werden: getötet. „Das muss ich nicht haben“, sagt Beutling.
An seiner letzten Station heute breitet sich neues Schwemmland aus, so weit man blicken kann, Weiden und Schwingelgras staken heraus. „Schauen Sie sich das an“, sagt Beutling und breitet die Arme aus, „so viel Habitat für so viele Arten!“ Irgendwer hat sicher was zu meckern, aber das ist ihm jetzt egal. Hier ist Biberland. Beutling atmet tief ein. „Wo, wenn nicht hier?“
Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe 4/2018 des National Geographic Magazins. Jetzt ein Magazin-Abo abschließen!
