Der Schwarm des Menschen

Papageien können singen und sprechen, aber auch nerven und zerstören. Trotzdem ist kein anderer Vogel so beliebt. Diese Popularität wird 
ihm zunehmend zum Verhängnis.

Von Christine Dell'Amore
bilder von Joël Sartore
Veröffentlicht am 30. Mai 2018, 15:37 MESZ
Edelpapagei
Das Edelpapageiweibchen sticht mit seinem kirschroten Gefieder das dezentere Grün des Männchens aus. Bei anderen Arten sind die Männchen meist auffälliger gefärbt als die Weibchen.
Foto von Joël Sartore

Der zauberhafte Klang, den die Sängerin beim Erwärmen ihrer Stimme erzeugt, erfüllt bisweilen die üppigen Vogelgehege des Umgeni River Bird Park in Durban, Südafrika. Der Name der trällernden Diva? Molly, der Papagei. Die Blaustirnamazone hat von einem früheren Besitzer gelernt, Tonleitern zu singen. Viele Papageien in dem Zoo und Zuchtzentrum stammen aus privater Haltung: abgegeben von Menschen, die der Herausforderung, einen so großen und fordernden Vogel zu halten, nicht gewachsen waren. Papageien sind nicht nur laut und machen viel kaputt. Manche sind so schlau wie ein dreijähriges Kind, andere werden 80 Jahre alt. Das schlaucht.

Dennoch ist der Drang, Papageien zu halten, für viele unwiderstehlich. Die geselligen, intelligenten Vögel gehen zu ihren Eigentümern enge und bedeutsame Bindungen ein. Der Naturschützer und Ökologe Stuart Marsden nennt sie auch „die Menschen der Vogelwelt“. Kein Wunder, dass die Papageien unter den Haustieren die beliebtesten Vögel der Welt sind.

Manchen Arten wird diese Popularität jedoch zum Verhängnis. Obwohl es viele ergiebige Zuchtprogramme gibt, werden Papageien noch immer illegal in freier Wildbahn gefangen. Eine Ursache: Tierschmuggler, die schon Milliarden Euro mit dem illegalen Handel von Tieren wie Elefanten und Nashörnern verdienen, haben nun auch Papageien in ihr Angebot aufgenommen. Ein Palmkakadu beispielsweise ist auf dem Schwarzmarkt bis zu 25000 Euro wert. Der illegale Handel blüht vor allem in Lateinamerika und der Karibik. Dort herrschen laxe Gesetze, und nicht einmal die finden Anwendung.

„Wer in den USA einen Papagei kauft, bekommt mit 99-prozentiger Wahrscheinlichkeit ein Zuchttier“, sagt der Zoologe Donald Brightsmith von der Texas A&M University. In Europa ist die Situation seit dem Verbot von Wildvogelimporten 2007 ähnlich. „Aber in Peru, Costa Rica oder Mexiko erhalten Sie zu 99 Prozent einen Wildfang.“

Die Nachfrage nach Haustieren, gepaart mit der Abholzung und dem Verlust ihres Lebensraums sind die Hauptgründe für den Rückgang der Papageienbestände weltweit. Nur vier der rund 350 existierenden Papageienspezies stehen nach dem Washingtoner Artenschutzabkommen CITES nicht unter Schutz. Fast alle sind bedroht.

Die mit Abstand beliebteste Art ist der Graupapagei – wohl auch, weil er am besten sprechen kann. In den vergangenen 40 Jahren wurden laut CITES mindestens 1,4 Millionen Graupapageien aus ihren 18 Heimatländern legal exportiert. Hunderttausende weitere sind auf dem Transport gestorben oder wurden illegal in den Regenwäldern West- und Zentralafrikas gefangen.

BELIEBT

    mehr anzeigen
    Graupapageien lernen ähnlich sprechen wie Kinder: Mit ihrer Zunge ahmen sie die Wörter nach, die sie hören. Besondere Berühmtheit erlangte Alex, der Graupapagei einer US-Forscherin. Er beherrschte rund 200 Wörter.
    Foto von Joël Sartore

    Drehscheibe des Handels ist Südafrika. Kein anderes Land exportiert mehr Graupapageien. Früher kamen die meisten Bestellungen aus den USA und Europa, doch Vogelgrippe und strenge Gesetze zur Einschränkung des Tierhandels ließen die Nachfrage stark sinken. Heute gehen die Papageien vor allem in den Nahen Osten.

    Im Jahr 2016 traf CITES die umstrittene Entscheidung, den Graupapagei in den Anhang I aufzunehmen, also die Liste der Arten, die vom Aussterben bedroht sind. Nun müssen Züchter beim Verkauf ihrer Vögel ins Ausland den CITES-Inspektoren beweisen, dass ihre Tiere nicht gefangen wurden. Die meisten in Gefangenschaft geschlüpften Jungvögel tragen zur Identifizierung einen Ring am Bein. Diese Beringung haben sich aber auch illegale Händler angeeignet. Die Unterscheidung fällt schwer. Doch vielleicht gibt es eine andere Möglichkeit.

    Genetiker der Universität von KwaZulu-Natal in Südafrika arbeiten an einem Katalog typischer Erbgutprofile, die zeigen, ob ein Vogel aus der Wildnis oder aus der Zucht stammt. Ziel ist die Entwicklung eines genetischen Schnelltests, der es Züchtern, Käufern oder Zollbeamten am Flughafen ermöglicht, durch einfache Gewebeproben sofort die Herkunft eines Vogels zu ermitteln. Ein ähnlicher Ansatz könnte die chemischen Isotope in den Federn analysieren und von ihnen auf die Ernährung des Vogels schließen, die klare Hinweise auf die Herkunft geben kann.

    Bunte Federn umrahmen die Augen des Edwards-Feigenpapageis. Neben Feigen ernährt er sich von anderen Früchten, Blütennektar und Insekten. Er lebt in Indonesien und Papua-Neuguinea und scheut nicht die Nähe des Menschen.
    Foto von Joël Sartore

    In den vergangenen Jahren hat der Schutz der Papageien einige Fortschritte gemacht. Saudi- Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate zum Beispiel – Länder, die sich ursprünglich geweigert hatten, die CITES-Vorschriften umzusetzen – haben verkündet, keine wild gefangenen Graupapageien mehr zu importieren.

    Langfristig, so Naturschützer, sei die Herausforderung aber vor allem, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass Papageien mehr sind als Requisiten auf der Schulter von Piraten oder Haustiere, die schmutzige Witze erzählen. Es gibt Hunderte Papageienarten in den schillerndsten Farben. Sie gehören zum Inventar der Natur auf fast allen Kontinenten. Nicht zum Inventar unserer Wohnzimmer.

     

    Diesen Artikel finden Sie auch in Ausgabe 6/2018 des National Geographic Magazins. Jetzt ein Magazin-Abo abschließen!

     

    loading

    Nat Geo Entdecken

    • Tiere
    • Umwelt
    • Geschichte und Kultur
    • Wissenschaft
    • Reise und Abenteuer
    • Fotografie
    • Video

    Über uns

    Abonnement

    • Magazin-Abo
    • TV-Abo
    • Bücher
    • Disney+

    Folgen Sie uns

    Copyright © 1996-2015 National Geographic Society. Copyright © 2015-2024 National Geographic Partners, LLC. All rights reserved