Elche in Deutschland: Die leise Rückkehr der Riesen
Seit einigen Jahren zieht es immer wieder Elche aus Osteuropa nach Deutschland. In Brandenburg sind Forscher dem König des Waldes per GPS-Sender auf der Spur. Wird die größte Hirschart bei uns wieder dauerhaft heimisch?
Grenzgänger Bert: Der mit einem GPS-Halsbandsender markierte Elchbulle im Naturpark Nuthe-Nieplitz südlich von Berlin.
Bert ist gekommen, um zu bleiben. Vielleicht liegt das an den tierischen Bekanntschaften, die er in seiner neuen Heimat geknüpft hat. Vor allem in Gesellschaft von Kühen scheint sich der aus Polen zugewanderte Elchbulle pudelwohl zu fühlen. Seit er Anfang 2018 erstmals im Osten Deutschlands entdeckt wurde, hat er sich immer wieder Rinderherden in Sachen-Anhalt und Brandenburg angeschlossen. Ein Kuriosum – denn eigentlich gelten Elche als Einzelgänger.
Nicht nur Berts sonderbares Verhalten beschäftigt die Wildtierbiologen. Ein Elch auf deutschem Boden: Das allein ist schon etwas Besonderes. Denn eigentlich war Alces alces hierzulande schon lange ausgestorben. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bevölkerten die bis zu drei Meter großen Riesen noch Teile des heutigen Ostdeutschlands – bis sie in den Wirren des Zweiten Weltkriegs aus unseren Wäldern verschwanden.
Elchparadies südwestlich von Berlin
Das scheint sich jetzt zu ändern. Dank erfolgreicher Schutzmaßnahmen zieht es seit einigen Jahren immer wieder Elche aus Osteuropa nach Deutschland. Seit 2001 gilt ein Jagdverbot in Polen. Seitdem wachsen die Bestände dort kontinuierlich an – aktuell vermuten Wissenschaftler über 30.000 Exemplare in unserem östlichen Nachbarland. Nicht zuletzt die Entdeckung von Bert lässt Tierfreunde hoffen, dass sich die größte Hirschart wieder fest bei uns ansiedeln wird.
Bert liebt Kühe: Der Elch während der Brunft 2019 auf einer Weide in seiner brandenburgischen Wahlheimat.
König ohne Krone: Bert Anfang Juni 2019 im Naturpark Nuthe-Nieplitz. Sein Geweih hatte er im März abgeworfen. Schon wenige Monate später wird es nachgewachsen sein.
In Brandenburg sind Forscher dem König des Waldes inzwischen per GPS-Sender auf der Spur. Im Februar 2018 konnten Biologen der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) Bert ein Senderhalsband anlegen. Die gesammelten Daten aus 781 Tagen zeigen dem Team um Professor Siegfried Rieger, dass Berts gesamtes Streifgebiet mehr als 2.000 Quadratkilometer groß ist. In gut zwei Jahren legte er eine Strecke von 2.275 Kilometern zurück – etwa drei Kilometer pro Tag.
Berts eigentliches Zuhause ist der brandenburgische Naturpark Nuthe-Nieplitz geworden. „Elche brauchen Wasser, das müssen keine offenen Flächen sein“, erklärt Rieger. Mit seinen ausgedehnten Feuchtgebieten, Wäldern und Wiesen sei der rund 7.000 Hektar große Naturpark südwestlich von Berlin ein geeigneter Lebensraum. Eintönige Wälder, vor allem Monokulturen aus Kiefern, würden dagegen gemieden, betont der Wildbiologe. In Finnland, wo rund 100.000 Elche leben, habe man ähnliche Beobachtungen gemacht.
Ein Elchbulle auf der Autobahn
Mit dem umliegenden Straßenverkehr kommt Bert offenbar gut klar. Mindestens 172 Mal hat er im Analysezeitraum eine Straße gekreuzt, darunter zwei Autobahnen. Vor allem nachts, wenn weniger los ist, wird er aktiv – ein Hinweis darauf, dass sich der Elchbulle womöglich schon gut ans Straßennetz angepasst hat. „Bert meidet nicht unbedingt den Menschen“, sagt Rieger. „Aber er meidet Siedlungen.“
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Damit stellt sich die Frage, wie viele Elche im dichtbesiedelten Deutschland überhaupt dauerhaft heimisch werden könnten. Zwar werden auch in anderen Bundesländern wie Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen oder Bayern vermehrt Elche gesichtet. Wie viele es aber tatsächlich sind und ob sich bereits stabile Populationen entwickelt haben, darüber herrscht noch Unklarheit.
Auch gesicherte Nachweise über Elch-Nachwuchs in Deutschland fehlen bislang. Einiges spricht dafür, dass zumindest die meisten der hier beobachteten Tiere Gäste sind, die früher oder später in ihre osteuropäische Heimat zurückkehren, wo sie noch viele geeignete Lebensräume finden. Bert allerdings ist gekommen, um zu bleiben.