Wiederauferstehung dank Gentechnik? Wie der ausgestorbener Beutelwolf zurückkehren kann

Fast ein Jahrhundert nach seiner Ausrottung soll das ikonische Tier nun gentechnisch zurückgezüchtet werden.

Von Kennedy Warne
Veröffentlicht am 21. Juli 2023, 14:35 MESZ
Beutelwolf

Fast ein Jahrhundert nach seiner Ausrottung soll das ikonische Tier nun gentechnisch zurückgezüchtet werden.

Foto von Danny Ye

Tasmanische Tiger leben – wenn auch nicht buchstäblich. Seit fast einem Jahrhundert wurde das berühmte australische Beuteltier nicht mehr gesichtet, aber es existiert in der Erinnerung und in der kollektiven Trauer über sein Aussterben – und in der Vorstellung einer Handvoll Wissenschaftler und Unternehmer, die die Art tatsächlich wieder zum Leben erwecken und anschließend auswildern möchten. Der Tasmanische Tiger war kein Tiger. Er lebte einst auch nicht nur auf Tasmanien. Der holländische Entdecker und Seefahrer Abel Tasman setzte die Bezeichnung in die Welt, nachdem er 1642 an der Ostküste der Insel anlegte, die später nach ihm benannt wurde. Seine Matrosen entdeckten Fußabdrücke von Kreaturen mit „Krallen wie ein Tiger“. Die Europäer gaben dem Tier verschiedene Namen – Zebra-Opossum, Beuteltierwolf, Tasmanischer Dingo –, aus Vorurteil wie auch aus Unwissenheit.

​Dämonisierung des Beutelwolfes

Man war der Meinung, dass Säugetiere der nördlichen Hemisphäre den australischen Beuteltieren überlegen seien. Frühe Beobachter betrachteten sie als „hilflose, deformierte und monströse Werke der Natur“. Der Koala wurde als „ungehobelt […] unbeholfen und schwerfällig“ verspottet. Der Beutelwolf, das größte räuberisch lebende Beuteltier der Welt, das bis in die Neuzeit überlebt hatte, wurde als primitiver Aasfresser, „brutal“ und „dumm“, abgetan. Es war nur ein kurzer Schritt von der falschen Benennung und Verunglimpfung der einheimischen Tierwelt bis hin zum irrwitzigen Versuch, sie durch mitgebrachte Arten zu ersetzen.

Der koloniale Eifer führte zu einem ökologischen Umbruch, von dem sich Australien bis heute nicht erholt hat. Das Aussterben des Beutelwolfs ist ein Symbol dafür. Einst existierten mindestens fünf Arten. Die letzte, die überlebte, war der sogenannte moderne Beutelwolf, der einmal den gesamten australischen Kontinent sowie die Insel Neuguinea bewohnt hatte. Vor etwa 3000 Jahren verschwand diese Art vom australischen Festland. Niemand weiß genau, warum, aber ein verändertes Klima und der Wettbewerb mit dem kurz zuvor vom Menschen eingeführten Dingo sind die wahrscheinlichen Ursachen.

Übrig blieb nur die tasmanische Population, die auf der Insel zurückblieb, seit der Meeresspiegelanstieg die Landbrücke zum Festland vor etwa 10000 Jahren abgeschnitten hatte. Was ein Zufluchtsort für die Tiere hätte sein können, wurde stattdessen zur Endstation. Obwohl es kaum Beweise dafür gibt, dass Beutelwölfe erhebliche Bestandsverluste verursacht hätten, erklärten Schafzüchter sie zum Feind. Der „einheimische Tiger“ wurde als bluttrinkender Schafsmörder dämonisiert. 1888 setzte man ein Kopfgeld auf ihn aus. In den folgenden zwei Jahrzehnten wurden Tausende der Tiere von Schäfern und Jägern gefangen, erschossen oder vergiftet.

​Rückkehr als Symbol Tasmaniens

Das Kopfgeldprogramm war erfolgreich. In den frühen 1900er-Jahren waren Beutelwölfe so selten geworden, dass die Prämienzahlungen zurückgingen und schließlich ganz eingestellt wurden. Der Ruf nach Schutz für die Tiere kam zu spät. Im Jahr 1986 wurde das Raubtier offiziell für ausgestorben erklärt, nachdem seit 56 Jahren keines mehr in freier Wildbahn gesichtet worden war. Auch wenn die Zahl der Beutelwölfe sank – sie gewannen an kultureller Bedeutung. Im Jahr 1917 wurde der gelbbraune Beutelwolf zum Wappentier Tasmaniens gewählt. Ein Paar stützt ein Schild mit den wichtigsten Exportgütern des australischen Bundestaates: Hopfen, Äpfel – und ironischerweise auch Schafe, die angebliche Beute des Beutelwolfs. Heute ist sein Konterfei weit verbreitet – auf Bieretiketten, auf Bussen, als Maskottchen des tasmanischen Cricket-Teams und als Gesicht des australischen Tages der bedrohten Tierarten.

Die Idee, das Tier in der Realität wieder aufleben zu lassen, tauchte Ende der 1990er-Jahre auf. Das „La­zarus“-Projekt zielte darauf ab, Individuen mithilfe von DNA aus konservierten Museumsexemplaren zu klonen; es wurde eingestellt, als sich das verfügbare genetische Material als zu minderwertig erwies. Seitdem entwickeln Forscher immer neue Instrumente, die es ermöglichen, ein Beutelwolf-Genom aus mehreren Quellen zu erstellen. Im vergangenen Jahr prognostizierte der leitende Forscher Andrew Pask, sein Team würde innerhalb von zehn Jahren das erste Beutelwolfbaby-Hybrid erzeugen.

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Foto von National Geographic

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