Grüne Antarktis: Moos verändert den weißen Kontinent

Die steigenden Temperaturen haben die Wachstumsrate des Mooses auf dem südlichen Kontinent in den letzten 50 Jahren beschleunigt.

Von Michelle Z. Donahue
Veröffentlicht am 9. Nov. 2017, 03:34 MEZ
Green Island, Antarktis
Eisberge sprenkeln das Meer vor der moosbedeckten Küste von Green Island, Antarktis.
Foto von Matt Amesbury

Die eisige Landschaft der Antarktis wird deutlich grüner.

Forscher haben die Moosschichten, die sich in den letzten 150 Jahren auf dem südlichen Kontinent gebildet haben, genau untersucht und dabei festgestellt, dass diese kleinen Pflanzen in den letzten 50 Jahren stärker als gewöhnlich gewachsen sind.

Die treibende Kraft dahinter sei laut den Forschern die Klimaerwärmung. Wenn die Arktis taut, gibt es mehr Wasser, um das Moos zu befeuchten. Zudem sorgt die steigende Wärme für längere Wachstumssaisons.

„Der Temperaturanstieg auf der antarktischen Halbinsel innerhalb des letzten halben Jahrhunderts hatte einen dramatischen Effekt auf die Moosbänke, die in dieser Region wachsen“, sagte Matthew Amesbury in einer Erklärung. Er ist ein Paläoklimaforscher an der Universität von Exeter in Großbritannien.

„Wenn das so weitergeht und die Landmasse durch den Gletscherrückzug zunehmend vom Eis befreit wird, wird die antarktische Halbinsel in der Zukunft ein deutlich grünerer Ort sein.“

Moose wachsen gemeinhin sehr langsam, und in kalten Polarregionen nehmen sie eher zu, als dass sie am Ende einer Wachstumsphase verrotten. Dieser Umstand ermöglicht es den Forschern, das Wachstum Tausende von Jahren zurückzuverfolgen, ähnlich wie bei Torfschichten in anderen Regionen der Welt.

Das Team, das von Dan Charman von der Universität von Exeter angeführt wurde, nahm Kernproben des Mooses an drei Stellen entlang eines 640 km langen Bereichs der antarktischen Halbinsel. Die Landmasse, die nördlich in Richtung Südamerika ragt, ist der nördlichste Teil des antarktischen Festlands. Dieser Bereich wäre einer der ersten auf dem Kontinent, auf dem die Auswirkungen der wechselnden Klimamuster sichtbar wären.

Bis vor etwa 50 Jahren wuchsen die zwei Arten, welche die Moosbänke der Halbinsel dominieren, im Schnitt einen Millimeter oder weniger pro Jahr. Seitdem, so berichtete das Team in der Fachzeitschrift „Current Biology“, haben sich die Moose im Schnitt jedoch um drei oder mehr Millimeter pro Jahr ausgedehnt.

Verlässliche Wetteraufzeichnungen begannen Mitte des 20. Jahrhunderts, daher ist es nicht möglich, für die Jahre davor eine Korrelation zwischen Temperaturen sowie anderen Wettertrends und den Ansammlungen der Moosschichten festzustellen. Ein Kernpunkt ist aber, dass das Mooswachstum und seine Anhäufung mindestens seit den 1950ern einen steten Aufwärtstrend verzeichnen, selbst über geografisch weit auseinanderliegende Orte hinweg. Das bedeutet, dass die Ursache dafür ebenfalls weit verstreut ist. Die Anhäufung von Kohlenstoff-Isotopen – ein Hinweis auf erhöhte photosynthetische Aktivität – und die mikrobielle Aktivität haben ebenfalls zugenommen.

Basierend auf diesen Mustern mutmaßen die Forscher, dass weitere Erderwärmung die Region schnell in eine deutlich andere ökologische Landschaft verwandeln könnte – ähnlich der Arktis, die über die letzten Jahrzehnte hinweg auch immer grüner wurde.

„Die Empfindlichkeit des Mooswachstums gegenüber Temperaturanstiegen in der Vergangenheit lässt vermuten, dass sich Ökosysteme bei zukünftiger Erwärmung rapide verändern werden. Das wird zu großen Veränderungen in der Biologie und Landschaft dieser ikonischen Region führen“, sagte Charman in einer Erklärung. „Kurz gesagt könnten wir die Antarktis entsprechend gängiger Beobachtungen in der Arktis ergrünen sehen.“

Der südlichste Kontinent der Erde war nicht immer von Eis bedeckt. Die Entdeckung versteinerter Farne, Kiefern und Ginkgos aus der Kreidezeit zeigt, dass es einst ein warmer Ort war und dass viele Pflanzen- und Tierarten ein recht angenehmes Leben in der unmittelbaren Nähe des Südpols geführt haben. Das erneute Ergrünen ist in gewisser Weise ein Schritt zurück in der Zeit.

„Veränderung ist der Puls unseres Planeten“, sagt Robin Bell, eine geophysische Forscherin am Lamont-Doherty-Erdobservatorium der Columbia Universität, per E-Mail. „Veränderung ist also keine Überraschung. Aber die vom Menschen verursachte Veränderung und die Geschwindigkeit, mit der sie vonstattengeht, sind beide neu.“

Auch wenn nicht klar ist, was das für den Planeten als Ganzes bedeutet, repräsentiere das vorerst eine neue Gelegenheit für Forschung und Entdeckung, so Bell.

„Mit weniger Eis wird ein größerer Teil vom Gestein des Kontinents freiliegen, und dann wird es so viele neue Dinge zu lernen geben“, sagt sie. „Es ist so wichtig, dass wir uns alle Beobachtungen über diesen abgelegenen Ort, die wir machen können, voll zunutze machen.

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