Trumps neue Regelung zum Gewässerschutz könnte folgenreiche Verschmutzungen verursachen

Unter Trumps Regierung könnten episodische Flüsse und Feuchtgebiete nicht länger unter Schutz stehen. Das könnte weitreichende Wasserverschmutzung zur Folge haben.

Von Hillary Rosner
Veröffentlicht am 9. Nov. 2017, 03:36 MEZ
Ein alter Teich bei Lyons in Colorado wurde während einer Flut im Jahr 2013 zu einem neuen Flussbett für den St. Vrain River.
Foto von Matt Nager

Am 27. Juni kündigte die amerikanische Umweltschutzbehörde EPA eine neue Regelung an, welche die Definition des Clean Water Act aus dem Jahr 2015 vollständig rückgängig machen würde.

COLORADO Die Cathy Fromme Prairie im Südwesten von Fort Collins in Colorado ist ein Fenster zur Vergangenheit – ein Überbleibsel der Kurzgrasprärie, die einst das gesamte Gebiet bedeckte. Die Feuchtgebiete und Wiesen bieten schuppigen, gefiederten und pelzigen Tieren ein Zuhause: Singvögel, Adler, Hasen, Kojoten und Klapperschlangen tummeln sich dort. Ein kleiner Fluss namens Fossil Creek schlängelt sich durch die Prärie, bevor seine Windungen an den nahegelegenen Parzellen, Einkaufszentren und einem Golfplatz vorbeiführen. Für die Menschen in der Gegend ist sein Name allgegenwärtig: Es gibt eine Fossil Creek Schnellstraße, Fossil Creek Eigentumswohnungen und einen Fossil Creek Park.

An einem warmen und windigen Märzmorgen auf der Cathy Fromme bietet der Fossil Creek keinen besonders spektakulären Anblick. Es ist einfach ein trockenes, flaches Flussbett, das ein paar hundert Meter von einem Parkplatz entfernt verläuft. Im Grunde ist der Fossil Creek den größten Teil des Jahres über trocken.

Aber wenn das Wasser fließt – was meist nach großen Regenfällen passiert –, durchnässt er die Feuchtgebiete. Diese sind von entscheidender Bedeutung für die Filtration des Wassers und als Lebensraum für Zugvögel und andere Tiere. Er ist die Lebensgrundlage für Wasserkäfer, die die Basis diverser Nahrungsketten sind. Schlussendlich füllt der Fossil Creek nach dem Passieren des Golfplatzes das Fossil Reservoir und speist den Fluss Cache La Pourde. Der wiederum bewässert zahllose Farmen und versorgt Tausende Bewohner in den Boomtowns entlang der Front Range-Bergkette von Colorado mit Trinkwasser.

Hat die Bundesregierung der Vereinigten Staaten die Befugnis, den Fossil Creek unter dem Clean Water Act (dt. sinngemäß Gesetz zur Reinhaltung des Wassers) zu schützen? Die Obama-Regierung war dieser Ansicht. Die Trump-Regierung ist es nicht.

Etwa 90 Prozent der Wasserläufe, die sich durch den amerikanischen Westen schlängeln, sind episodisch, führen also nur gelegentlich Wasser. Laut einem Gesetz der Obama-Regierung, das vor Gericht standgehalten hat, könnten diese Wasserläufe geschützt werden, wenn sie einen größeren Wasserlauf speisen. Das Gesetz würde auch einige Feuchtgebiete und abgeschiedene Seen schützen.

Es wurde auf Grundlage eines 400 Seiten starken wissenschaftlichen Berichts erlassen, der 1.200 von Experten begutachtete Artikel zusammenfasste. „Es gibt beinahe einen wissenschaftlichen Konsens zu diesem Thema“, sagt Brian Chaffin, ein Professor für Wasserpolitik an der Universität von Montana. „Der Schutz unserer Gewässer hängt wirklich von der Qualität der Zuflüsse ab“, sagt David Cooper, ein Feuchtgebiet-Ökologe an der Colorado State Universität.

Eine neue Durchführungsverordnung, die von Präsident Trump erlassen wurde, weist die Umweltschutzbehörde und den U.S. Army Corps of Engineers jedoch an, das Gesetz durch ein anderes zu ersetzen. Dieses basiert nicht etwa auf Gewässerkunde, Biologie oder Chemie, sondern auf der engen Auslegung des Clean Water Act, die vor einem Jahrzehnt vom damaligen Richter des Obersten Gerichtshof Antonin Scalia vorgebracht wurde.

Im Zuge dieser Auslegung könnten Wasserläufe wie der Fossil Creek „in einen Durchlass  gezwängt, zubetoniert oder zugeschüttet werden“, sagt Cooper.

TRÜBES WASSER

Die Wassergesetzgebung ist komplex und umfangreich. Während des fast 45-jährigen Bestehens des Clean Water Acts wurde die Frage, welche Gewässer er eigentlich schützt, immer wieder kontrovers diskutiert.

Im Gesetzt selbst steht, dass es „schiffbare Gewässer“ reguliert, was es lose als „Gewässer der Vereinigten Staaten“ definiert. Diese Definition, die nicht wirklich eine ist,  vermittelt „eine vage Ahnung davon, dass der Kongress wusste, dass ‚schiffbare Gewässer‘ – die wir uns als große Gewässer vorstellen, wo Häfen liegen und Lastschiffe ankommen – nicht ausreichen würden“, sagt Melinda Kassen. Sie ist eine Anwältin für Wasserrecht in Colorado und arbeitet für die Theodore Roosevelt Conservation Partnership.

Ein paar Jahre nach Verabschiedung des Gesetzes (gegen das auch Präsident Nixons Last-Minute-Veto nichts ausrichten konnte) erließen die Umweltschutzbehörde und das Army Corps eine Verordnung. Darin wurde eine – laut Kassen „sehr, sehr weit gefasste“ – Definition der Gewässer der Vereinigten Staaten aufgestellt. Das Gesetz schützte fortan viele Arten von Wasserläufen und Feuchtgebieten und blieb 25 Jahre lang bestehen.

2001 änderten sich die Dinge aber mit einem Fall des Obersten Gerichtshofs, dessen Kürzel SWANCC für die Solid Waste Agency of Northern Cook County steht. Diese hat das Army Corps verklagt, weil es ihr eine Genehmigung verweigerte, um eine ehemalige Kiesgrube in eine Mülldeponie umzuwandeln. Die Grube hatte sich über mehrere Jahre hinweg mit Wasser gefüllt und war zu einem Zwischenstopp für Zugvögel geworden.

Das Gericht beschloss, dass das Army Corps seine Befugnisse übertreten hatte und dass der Clean Water Act keine „isolierten Gewässer“ abdecken würde. Stattdessen müsste es eine „maßgebliche Anbindung“ an ein schiffbares Gewässer geben.

Aber „maßgebliche Anbindung“ war als Aussage auch nicht gerade präzise. Infolge dieser Entscheidung gab es nur noch mehr allgemeine Verwirrung darum, was das Gesetz nun abdeckte und was nicht.

Im ganzen Land verfolgten die Büros des Army Corps extrem unterschiedliche Ansätze hinsichtlich dessen, was sie regulierten. Hatten Toteisseen in Prärien eine maßgebliche Anbindung? Hatten Salztonebenen eine? Ein episodischer Fluss?

2006 gab es dann einen weiteren Fall vor dem Obersten Gerichtshof: Rapanos gegen die Vereinigten Staaten bildete den Höhepunkt eines Jahrzehnte währenden Rechtsstreits. Dieser wurde von einem Bauunternehmer von Einkaufszentren losgetreten, der ein Feuchtgebiet aufgeschüttet hatte und behauptete, es wäre zu weit von schiffbaren Gewässern entfernt. Er wurde in zwei Anklagepunkten schuldig gesprochen.

Der Fall Rapanos endete ohne eine Mehrheitsentscheidung: Vier Richter stimmten dafür, die Interpretation des Clean Water Act so zu belassen, wie sie war – der vage Standard der „maßgeblichen Anbindung“. Fünf stimmten für eine Änderung. Aber von diesen fünf konnten sich nur vier über das Wie und Warum einig werden. Die Entscheidung fiel also nicht 5:4 aus, sondern 4:1:4. Scalia verfasste die „Mehrheitsmeinung“ und argumentierte, dass der Kongress nie beabsichtigt hatte, dass der Clean Water Act auch Feuchtgebiete einschloss. Nur Gebiete, die eine „durchgehende Oberflächenverbindung“ zu „relativ dauerhaften stehenden oder fließenden“ Gewässern hätten, sollten einbezogen werden,

Richter Anthony Kennedy stimmte zu, dass der Fall an das untere Gericht zurückgegeben werden sollte, um zu bestimmen, ob die fraglichen Gewässer berücksichtigt werden sollten. Aber er widersprach Scalias Begründung vehement. Die Idee der „maßgeblichen Anbindung“ sei vernünftig, sagte er, und stimmte darin mit den vier Andersdenkenden überein. Sie sollte so definiert werden, dass sie alles abdeckte, was die „chemische, physikalische und biologische  Intaktheit“ der schiffbaren Gewässer beeinflusste.

„Kennedy führte den Präzedenzfall des Obersten Gerichtshofs weiter“, sagt Michelle Bryan, eine Professorin für Ressourcenrecht an der Universität von Montana. „Scalia hatte versucht, das Gesetz zu ändern, aber ohne Erfolg.“ Die „maßgebliche Anbindung“ blieb vorerst bestehen – aber es war noch immer nicht wirklich klar, was das bedeutete.

AUFTRITT OBAMA

Die Regierung unter Obama wollte den Sachverhalt ein für alle Mal klären. 2014 erließ die Umweltschutzbehörde auf Basis einer umfangreichen wissenschaftlichen Prüfung und etwa zwei Millionen öffentlicher Kommentare die Clean Water Rule. Laut der Behörde war diese darauf ausgelegt sicherzustellen, dass „die Gewässer, die durch den Clean Water Act geschützt werden, präziser definiert und berechenbarer werden, für Unternehmen und die Industrie verständlicher sind und mit dem Gesetz und den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen übereinstimmen.“ Die Regelung, so sagt die Umweltschutzbehörde, „schützt Wasserläufe und Feuchtgebiete, von denen wissenschaftlich bewiesen wurde, dass sie den größten Einfluss auf die Wasserqualität haben und die Grundlage der Wasserressourcen unseres Landes bilden.“

Die Regelung schützt Zuflüsse, die „ein Flussbett, ein Ufer und einen normal hohen Wasserstand haben“, ebenso „regionale Wasserschätze“ wie Toteisseen in der Prärie und die Küstenfeuchtgebiete von Texas, „wenn sie nachgelagerte Gewässer beeinflussen.“

Die meisten Bewässerungsgräben von Farmen wurden explizit nicht mit einbezogen. Dasselbe gilt für die meisten Farmarbeiten wie das Pflügen von Feldern oder das Treiben von Viehherden.

Trotzdem wurde die Regelung sofort gerichtlich angefochten und auf Eis gelegt.

Das American Farm Bureau argumentierte, dass die Behörden nun „fast grenzenlose Befugnis“ hätten, um Feuchtgebiete, Gräben und „jede Vertiefung, in der sich Regenwasser sammelt“ zu regulieren. Mitglieder des Missouri Farm Bureau produzierten eine Videoparodie, in der eine Farmersfrau barfuß durch einen trockenen Graben läuft und ein paar Zeilen singt, von denen eine sinngemäß lautet: „Wir brauchen eh keine Regierung“. Derweil tun ihr Mann und drei junge Kinder so, als würde sie in der staubtrockenen Rinne schwimmen und Boot fahren.

Einige staatliche Farmverbände unterstützten die Regelung jedoch. Die Rocky Mountain Farmers Union startete ihre eigene „They Don‘t Speak for Me“-Kampagne (dt. Die sprechen nicht für mich). Dabei beteuerten sie, dass Farmer und Rancher auch sauberes Wasser bräuchten und dass die lautesten Widersprüche von Lobbyisten aus D. C. kämen.

Derweil bleibt ein 2008 von der Bush-Regierung herausgegebener Leitfaden, der eigentlich als temporärer Lückenfüller dienen sollte, ein Ratgeber dafür, was vom Clean Water Act abgedeckt wird und was nicht. „Leitfäden sind nicht rechtskräftig“, sagt Kassen. „Jeder stimmt eigentlich darin überein, dass das keine gute Art ist, die Dinge zu handhaben.“

WARTEN AUF KLARHEIT

Peschel Open Space an der östlichen Grenze von Longmont in Colorado ist der perfekte Ort, um den Unterschied zwischen Scalia und Kennedy zu begreifen. Hier fließt neben einem Feldweg der St. Vrain Creek. An seinem Flussbett finden sich noch Spuren einer großen Flut von 2013, bei der sich sein Lauf leicht verlagert hat. Der St. Vrain würde vermutlich sogar unter dem Scalia-Test geschützt sein, da er das ganze Jahr über Wasser führt und eine direkte Verbindung zum South Plate River hat.

Aber jenseits des Feldwegs – nur etwa eine SUV-Länge entfernt – erstreckt sich ein Feuchtgebiet. Es hilft dabei, den Schmutz aus den umliegenden Stadt- und Industriegebieten und den Farmen zu filtern. An einem Märzmorgen, der so windig ist, dass man kaum die Autotür öffnen kann, weht eine riesige Staubwolke von einem kargen Acker jenseits der Straße über das Feuchtgebiet.

„Der Schmutz weht hangabwärts und würde das auch einfach weiter tun, wenn das Feuchtgebiet ihn nicht filtert“, sagt Alison Holleran, geschäftsführende Direktorin von Audubon Rockies, während sie im Auto wartet, dass der Wind sich legt.

Im Sinne der Scalia-Interpretation wäre dieses Feuchtgebiet mit Sicherheit vom Clean Water Act ausgenommen, da der schmale Feldweg als Barriere zwischen ihm und dem Creek fungiert. Die beiden haben keine „durchgehende Oberflächenverbindung“.

In Colorado gibt es ungefähr 150.000 Kilometer an Wasserläufen, aber nur knapp 25 Kilometer davon sind wirklich schiffbar. Bei einer extrem engen Auslegung des Clean Water Act wäre ein Großteil des Wassers des Staates – und damit jedes Staates stromabwärts von Colorado – der Gefahr der Verschmutzung ausgesetzt.

Was also wird nun passieren? Selbst, wenn die Umweltschutzbehörde unter Scott Pruitt – ein unerbittlicher Gegner der Regelungen der Ära Obama – schnellstmöglich eine neue Regelung erlässt (mit dem kürzestmöglichen Zeitraum für öffentliche Kommentare), würden fast sofort Klagen folgen. „Wenn sie den Scalia-Test anwenden oder sagen, dass sie nur schiffbare Gewässer berücksichtigen wollen und nicht anderes“, sagt Bryan, „dann hätten wir ein atemberaubendes Ausmaß an Gerichtsverfahren.“

Es wird also fast mit Sicherheit wieder einmal am Obersten Gerichtshof enden.

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