Warum scheint die diesjährige Hurrikansaison besonders verheerend?

Obwohl Harvey und Irma ungewöhnlich starke Verwüstung angerichtet haben, ist die Hurrikansaison insgesamt nicht so ungewöhnlich, wie es scheint.

Von Michael Greshko
Veröffentlicht am 9. Nov. 2017, 03:41 MEZ
Hurrikan Irma
Am 4. September 2017 um 17:24 UTC nahm der NASA-NOAA-Satellit Suomi NPP dieses Bild von Hurrikan Irma auf. Der Sturm gehörte zu diesem Zeitpunkt der Kategorie 4 an und nahm Kurs auf die Leeward-Inseln.
Foto von Noaa, NASA Goddard MODIS Rapid Response Team

Gerade als Hurrikan Harvey seinen verheerenden Feldzug über Houston beendet hatte, reihte sich Irma als stärkster atlantischer Hurrikan seit Beginn der Aufzeichnungen hinter ihm ein. Da fällt es schwer, keine Vergleiche mit dem letzten Mal zu ziehen, als mächtige Stürme die Küste der USA in der katastrophalen Hurrikan-Saison 2005 bedrohten.

Genau wie vor zwölf Jahren, als Katrina und Rita kurz nacheinander die Golfküste verwüsteten, sehen sich die USA auch nun einer Reihe gefährlicher Hurrikans gegenüber, die Land erreichen könnten. Im Angesicht mehrerer großer Stürme mag man sich fragen, warum diese Hurrikansaison für die Bürger der USA schlimmer als sonst scheint, und warum es in den letzten zwölf Jahren weniger große Hurrikans gab, die auf die US-Küste trafen.

Im Folgenden haben wir einige der wichtigsten Fragen zur diesjährigen Hurrikansaison beantwortet

WIE AKTIV IST DIE HURRIKANSAISON 2017 LAUT DEN BISHERIGEN PROGNOSEN?

Überdurchschnittlich. Die Nationale Ozean- und Atmosphärenbehörde der USA (NOAA), die Colorado State Universität und der Weather Channel hatten alle prognostiziert, dass in diesem Jahr wohl mehr Hurrikans über dem Atlantik entstehen würden als üblich. Die NOAA sagte vorher, dass es in dieser Saison zwischen 14 und 19 benannte Stürme und fünf bis neun Hurrikans geben würde.

Im Vergleich dazu gab es in der überdurchschnittlich aktiven Hurrikansaison 1981 zwölf benannte Stürme und sechs Hurrikans.

WARUM IST DIESE SAISON SO AKTIV?

Kurz gesagt: Die Atmosphärenbedingungen waren hurrikanfreundlich und die Oberflächentemperatur des Meeres war wärmer als gewöhnlich. Das Klimavorhersagezentrum der NOAA hatte gesagt, dass mehrere Bedingungen (wie der starke westafrikanische Monsun) im Zusammenspiel das Karibische Meer und Teile des tropischen Atlantiks – die sogenannte Hauptentwicklungsregion für Stürme – besonders hurrikanfreundlich gemacht haben.

Laut Kerry Emanuel, einem Atmosphärenwissenschaftler am MIT, der Hurrikans erforscht, fallen besonders zwei Faktoren auf. Erstens gibt es momentan kaum einen Unterschied zwischen der Windgeschwindigkeit nahe der Oberfläche und der Windgeschwindigkeit in etwa 16 Kilometern Höhe. Das sorgt dafür, dass sich kilometerhohe Hurrikans bilden können und stabil bleiben. Noch dazu weist der tropische Atlantik ein hohes „Wärmepotenzial“ auf, was bedeutet, dass das Wasser schneller in die Atmosphäre verdunsten kann.

„[Das Wärmepotenzial] ist eine thermodynamische Geschwindigkeitsbegrenzung für Hurrikans“, sagt Emanuel. „Je höher die Geschwindigkeitsbegrenzung liegt, desto besser sind die Bedingungen für die Bildung von Hurrikans und desto gewaltiger können sie werden.“

Noch dazu ist der El Niño in diesem Jahr eher neutral und verbessert damit auch die Chancen der Hurrikans. Wenn dieses Wetterphänomen, welches den äquatorialen Pazifik erwärmt, aktiv ist, gibt es oft mehr Windscherung und ein geringeres Wärmepotenzial über dem Atlantik. Das verringert dann auch die Überlebenschancen für Hurrikans.

ES SCHEINT LANGE HER ZU SEIN, DASS ES EINE SO STARKE HURRIKANSAISON GAB. GAB ES WIRKLICH EINE ART DÜRREPERIODE FÜR HURRIKANS IN DEN LETZTEN ZWÖLF JAHREN?

[Das] bezieht sich auf den Umstand, dass es fast 12 Jahre her ist, seit ein Hurrikan der Kategorie 3 oder höher auf die Küste der USA getroffen ist. Zuletzt war das der Hurrikan Wilma 2005.

Ja nachdem, wie man die Kategorie 3 definiert, war dieser Zeitabschnitt der längste seit mindestens 1900.

Die diesjährige Hurrikansaison markiert das Ende einer Glückssträhne, da Irma als Hurrikan der Kategorie 3 in Florida auf das Festland der USA traf – der zweite in diesem Jahr, sagt der Meteorologe Robert Hart von der Florida State Universität. Laut Harts Zählung gab es einen solch verheerenden Doppelschlag auf die USA seit mehr als einem Jahrhundert nicht mehr, auch wenn 1954 nah dran war. In diesem Jahr hatte ein Hurrikan der Kategorie 4 über beiden Carolinas gewütet, und zwei Hurrikans der Kategorie 3 schrammten nur knapp am Festland vorbei.

WAS HAT DIESE „DÜRRE“ VERURSACHT?

Sie geht hauptsächlich auf die Art und Weise der Messungen zurück. Hart und seine Kollegen demonstrierten in einer Studie aus dem Jahr 2016, dass diese Dürreperiode fast verschwindet, wenn man die Definitionen der Hurrikan-Kategorien nur ganz leicht verändert.

Dazu sollte man wissen, dass dieses Kategoriesystem, welches die Hurrikans anhand ihrer maximalen Windgeschwindigkeit sortiert, nur eine Art ist, auf die man die Intensität der Stürme messen kann. Orientiert man sich an den Todesopfern oder dem wirtschaftlichen Verlust, sieht die Sache schon anders aus.

„Erzählen Sie mal den Leuten, die den Hurrikan Ike [der Kategorie 2 im Jahr 2007] überlebt haben, dass das kein großer Hurrikan gewesen ist – der hat einen großen Teil der texanischen Küstenlinie zerstört“, sagt Emanuel. „Erzählen Sie den Leuten, dass Sandy kein großes Ereignis war ... und das war nicht mal ein Hurrikan.“

BEDEUTET EINE AKTIVERE SAISON, DASS MEHR HURRIKANS LAND ERREICHEN WERDEN?

Nicht ganz. Die Meteorologen weisen darauf hin, dass es innerhalb eines einzelnen Jahres keine feste Beziehung zwischen der Anzahl der Stürme einer Hurrikansaison und der Anzahl der Stürme gibt, die Land erreichen. Das liegt daran, dass die lokalen Wetterbedingungen die spezifischen Wege der Hurrikans bestimmen – und Meteorologen können diese nur für ein paar Tage im Voraus berechnen.

Emanuel sagt aber, dass auf einer Zeitskala von 100 Jahren die Anzahl aller Hurrikans und die Anzahl der Hurrikans, die auf Land treffen, miteinander korrelieren. Er weist jedoch auf den Zufallsfaktor hin, der jedes Jahr aufs Neue eine Rolle spielt.

„Andrew, der 1992 auftrat, war zur damaligen Zeit der teuerste Hurrikan, den es in den USA je gegeben hatte, [und] er trat in einem der ruhigsten Jahre auf, die wir im ganzen Atlantik je hatten“, sagt er.

SIND SAISONALE HURRIKANPROGNOSEN DENN DANN ÜBERHAUPT SINNVOLL?

Ja, aber eher für die Meteorologen als für die Öffentlichkeit, so Emanuel. Er beklagt, dass die Leute manchmal wichtige Entscheidungen wie den Abschluss von Versicherungen an Vorhersagen festmachen, die eine „ruhige“ Saison bescheinigen. Trotzdem können auch Saisons mit nur wenig Hurrikans zerstörerische Stürme wie den Hurrikan Andrew 1992 hervorbringen. „Die saisonale Vorhersage wird so häufig falsch interpretiert, dass sie fast schon kontraproduktiv ist“, sagt er.

„Obwohl die saisonalen Vorhersagen für eine große demografische Bandbreite nützlich sind, kann man nicht einfach seine eigenen persönlichen Vorbereitungen einzig [darauf] stützen“, fügt Hart hinzu, der ebenfalls das Beispiel Andrew anbringt.

Die Vorhersagen für das Erreichen von Land für einen spezifischen Hurrikan sind aber etwas anderes.

„Die Menschen, die sich potenziell im Pfad des Hurrikans befinden, müssen wirklich aufpassen und den Anweisungen der Notfallmanager unbedingt Folge leisten. „Wenn man Ihnen sagt, dass sie verschwinden sollen, verschwinden Sie – trödeln Sie nicht herum.“

WELCHE ROLLE SPIELT DER KLIMAWANDEL DABEI?

Das ist kompliziert, aber es gibt durchaus Hinweise darauf, dass der Klimawandel zumindest einen Einfluss auf die Aktivität der Hurrikansaison hat. (Discover how climate change likely strengthened Hurricane Harvey.)

„Was die Vorhersagen für die Hurrikanaktivität in der Saison nächstes Jahr angeht, sind anthropogene Einflüsse nicht unsere Hauptsorge, weil die Veränderungen durch menschengemachte Effekte von einem Jahr aufs nächste offensichtlich gering sind“, sagt Hart. „In den kommenden Dekaden und dem kommenden Jahrhundert könnten sie als Triebfeder der Hurrikanaktivität aber leicht zu unserer Hauptsorge werden.“

Laut einer umfassenden wissenschaftlichen Klimastudie für die USA, die für das National Climate Assessment 2018 vorbereitet wurde, ist es schwierig, die Einflüsse des Klimawandels auf Hurrikans nachzuweisen. Da Hurrikans seltene Ereignisse sind, gibt es nicht viele Datenpunkte, die Wissenschaftler untersuchen könnten, um einen Trend zu erkennen.

Die Vorhersagen für die kommenden Jahrzehnte, die auf der globalen Erwärmung basieren, lassen jedoch vermuten, dass die durchschnittliche Intensität tropischer Zyklone – inklusive atlantischer Hurrikans – wahrscheinlich zunehmen wird. Emanuel fügt hinzu, dass es außerdem einen recht einheitlichen Konsens gäbe, dass Hurrikans von hoher Intensität (Kategorie 3, 4 oder 5) in den kommenden Dekaden häufiger auftreten werden.

Noch ist nicht ganz klar, ob die Gesamtzahl aller Hurrikans zu- oder abnehmen wird. Mehr als 70 Prozent aller tropischen Zyklone weltweit sind Stürme der Kategorie 1 oder 2. Die schwächeren Stürme könnten in Zukunft seltener auftreten, vielleicht aber auch nicht.

Sowohl Emanuel als auch die Studie stimmen darin überein, dass individuelle Hurrikans zukünftig mehr Niederschlag bringen werden, da wärmere Luft auch mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann. 

Außerdem könnten ihm zufolge in Zukunft auch die Sturmfluten schlimmer werden – zum Teil, weil die starken Hurrikans, durch die sie verursacht werden, zahlreicher auftreten werden, und zum Teil aufgrund des steigenden Meeresspiegels.

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