Wo Schüler in ihrer Freizeit an regenerativen Energien forschen
Strom von einem Wasserrad, Energiespeicherung mit Erdgas – das alles entsteht im Schülerforschungszentrum Südwürttemberg. So werden Jugendliche für Naturwissenschaften begeistert.
Noch vor seinem Abitur hat Benno Hölz sein erstes Ingenieurprojekt abgeschlossen. Als Achtklässler begann er gemeinsam mit einigen Mitschülern, Pläne und Modelle für ein Wasserkraftwerk zu entwickeln. Heute ist Benno 17 Jahre alt, und auf dem Schulhof seines Gymnasiums im baden-württembergischen Ochsenhausen dreht sich ein fünf Meter hohes Wasserrad. Der Strom, den es produziert, wird ins Netz eingespeist. „Als wir am Anfang endlose Berechnungen immer wieder durchgehen mussten, hätte ich nicht gedacht, dass wir das schaffen“, sagt er.
Das Wasserkraftwerk gehört zu einem Projekt des Schülerforschungszentrums (SFZ) Südwürttemberg, einer außerschulischen Bildungsstätte für naturwissenschaftlich interessierte Schüler. „Wir machen die Energiewendeim Kleinen“, sagt Tobias Beck, Physiklehrer und Pädagogischer Leiter. Zudem Energieverbund zählen weitere Projekte, die Schüler an anderen SFZ-Standorten entwickelt haben: eine Windkraftanlage, eine Modellanlage, mit der Strom in Erdgas umgewandelt und so gespeichert werden kann, und ein elektronisches System, das Verbrauch und Speicherung des Stroms steuert.
Mit diesem Paket gewann das SFZ im vergangenen Jahr den Zayed Future Energy Prize, mit dem die Vereinigten Arabischen Emirate nachhaltige Energieprojekte von Unternehmen, NGOs und Schulen auszeichnen – dotiert mit 100.000 Dollar. Im Januar flog Benno mit einem Mitschüler und Leiter Beck nach Abu Dhabi und präsentierte dort die Fortschritte. „Unsere Arbeit ist doppelt nachhaltig“, sagt Beck. „Weil wir mit erneuerbaren Energien arbeiten und weil wir den Nachwuchs fördern. Das sind die Ingenieure der Zukunft, die unseren Wohlstand garantieren.“
“Bei uns können alle mitmachen, unabhängig vom Geldbeutel ihrer Eltern.”
Beck vergleicht die naturwissenschaftliche Förderung mit Nachwuchsarbeit im Fußball: „Werden die Jugendlichen nicht gut ausgebildet, wird kein Land Weltmeister.“ Damit sie Lust haben, nach Schulschluss naturwissenschaftlich zu arbeiten, sollen sie sich im SFZ weniger wie in der Schule und mehr wie im Sportverein fühlen. Alle kommen freiwillig, Noten gibt es keine, gearbeitet wird in Teams. Betreut werden die rund 500 Schüler von etwa hundert Lehrern, Studenten und Ehrenamtlichen. Knapp ein Viertel sind Mädchen. Viele Projekte werden von Unternehmen gefördert, für die Schüler sind die Angebote kostenlos. „Bei uns können alle mitmachen, unabhängig vom Geldbeutel ihrer Eltern“, sagt Beck. „Und unabhängig von der Schulart.“ Auch in anderen Regionen gibt es Schülerforschungszentren: zum Beispiel in Kassel, Erlangen und Hamburg. Das SFZ in Südwürttemberg, gegründet im Jahr 1999, war das erste und ist bis heute das einzige mit acht Standorten.
Im Schulkeller in Ochsenhausen steht eine Messstation. An einem Laptop lassen sich Temperatur und Menge des Wassers, das über das Rad fließt, ablesen. Die Schüler forschen hier weiter: Wann produziert das Kraftwerk am meisten Strom? Und wie können sie die Effizienz steigern? Wenn Benno in einem Jahr sein Abitur hat, will er eine Ingenieurwissenschaft studieren. Manchen zukünftigen Kommilitonen hat er dann wohl einiges voraus.
Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe 9/2017 von National Geographic.
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