Was passiert mit unseren Seen?

Forscher gehen der Frage nach, weshalb der Wasserstand in manchen Gewässern in Deutschland seit Jahrzehnten zurückgeht und in anderen nicht.

Von Kathrin Fromm
Veröffentlicht am 14. März 2018, 09:26 MEZ
Tiefe See in der Klocksiner Seenkette
Auf dem Tiefen See der Klocksiner Seenkette schwimmt eine Plattform mit einer Wetterstation. Die Daten nutzen die Wissenschaftler am Deutschen GeoForschungsZentrum für ihr Monitoring.
Foto von Achim Brauer

Eine weltweite Studie hat gezeigt, dass das Wasser in vielen Seen knapp wird. Gilt das auch in Deutschland?
Unterschiedlich. Die Entwicklung läuft nicht überall gleich ab, hat Gunnar Lischeid vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung festgestellt, der Seen und Grundwasser in Brandenburg untersucht. Bei manchen Messstellen gingen die Wasserstände in den vergangenen 30 Jahren kontinuierlich zurück, bei anderen jedoch stiegen sie an – und am häufigsten war einfach kein klarer Trend zu erkennen. „Wir haben festgestellt, dass die Seen, deren Wasserstand zurückgeht, sehr langsam auf aktuelle Wetterereignisse wie etwa einen feuchten Sommer reagieren. Die Entwicklung ist bei ihnen direkt an den Grundwasserstand gekoppelt, der ebenfalls zurückging“, sagt Lischeid

Spielt der Klimawandel eine Rolle, wenn die Wasserstände in Seen zurückgehen?
Sicherlich, aber nur zum Teil. „Wir wissen nicht, wie sich die Seespiegel ohne den Klimawandel entwickelt hätten. Daher ist es schwierig festzustellen, wie viel Einfluss etwa höhere Temperaturen oder weniger Niederschläge haben“, sagt der Agrarwissenschaftler Gunnar Lischeid. „So etwas kann man nur mit komplexeren Modellen untersuchen. Diese Modelle benötigen aber sehr umfangreiche Daten, die für viele Seen nicht in der nötigen Dichte vorliegen.“ Er betont: „Ein großer Teil aktuell beobachteten Entwicklungen hat nichts mit dem Klimawandel zu tun.“

Was beeinflusst die Seespiegel noch außer dem Klima?
„Den größten Einfluss auf die hydrologischen Systeme hat sicherlich der Mensch“, sagt Achim Brauer vom Deutschen GeoForschungsZentrum. Und das ist nicht erst heute so. Schon im Mittelalter stauten die Menschen Wasser für Mühlen, später bauten sie Drainagen, um Äcker trocken zu legen und nahmen so auch den Seen das Wasser weg. Ebenfalls einen Einfluss hat die Vegetation. Je nachdem, welche Pflanzen am Ufer wachsen und wie viel Grundwasser diese brauchen, kann das auch Auswirkungen auf die Seen haben. „Auch hier kommt oft der Mensch ins Spiel. Wenn ein Kiefernforst in der Nähe eines Sees erst angepflanzt wird und später wieder abgeholzt wird, beeinflusst das den Wasserstand, weil die Bäume in der Wachstumsphase erst das Grundwasser aufbrauchen und es später, wenn sie weg sind, wieder steigt“, erklärt Brauer. „Insgesamt ist es ein komplexes Zusammenspiel aus natürlichen und vom Mensch beeinflussten Faktoren.“

Wie entwickeln sich denn die Wasserstände in Seen?
Schwankungen von ein paar Metern im Verlauf von Jahrzehnten und Jahrhunderten sind normal. Der Geologe Achim Brauer versucht die langfristige Entwicklung von Seen mit historischen Wetteraufzeichnungen, alten Karten und Sedimentanalysen nachzuzeichnen: „Das ist ein variables System. Im Mittelalter hatten wir den höchsten Wasserstand, zum Teil zwei, drei Meter mehr als heute. Die tiefsten Seespiegel konnten wir vor 9000 bis 10.000 Jahren nachweisen. Da stand das Wasser vier bis fünf Meter niedriger.“ Zum Teil helfen den Forschern Baumstümpfe, die eine Zeit lang unter der Wasseroberfläche lagen. „Wenn so ein Baumstumpf wieder auftaucht, weil das Wasser zurückgeht, wissen wir, dass der Seespiegel schon einmal so niedrig war“, erklärt Brauer, der bislang keinen direkten Zusammenhang zwischen den wechselnden Klimaphasen und den schwankenden Seespiegeln feststellen konnte: „Warum die Wasserstände in Seen alle paar Jahrzehnte ansteigen und wieder absinken, wissen wir noch nicht.“

Was lässt sich daraus für die Zukunft schließen?
Um die jetzige Situation richtig einordnen zu können, kommt es auf den weiteren Verlauf an. „Wir müssen die Entwicklungen der nächsten Jahre im Blick behalten: Gehen die Wasserstände in den betroffenen Seen weiter langfristig nach unten – oder steigen sie vielleicht wieder. Nur so lässt sich der zusätzliche Effekt durch den Klimawandel bestimmen“, betont Gunnar Lischeid.

Ein Artikel über verschwindende Seen steht in der Ausgabe 3/2018 des National Geographic Magazins (und hier). Jetzt ein Magazin-Abo abschließen!

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