Der Gorongosa-Nationalpark nach Zyklon Idai

Der Direktor des Gorongosa-Nationalparks in Mosambik, Greg Carr, berichtet von der Katastrophenhilfe für die Menschen der umliegenden Gemeinden und den neuen Aufgaben eines Nationalparks.

Von Andrea Henke
bilder von Jen Guyton
Veröffentlicht am 31. März 2019, 23:47 MESZ
Gorongosa Lebensmittelhilfe
Bewohner der Gemeinde Madangua mit Lebensmittelpaketen. Ranger des Gorongosa-Nationalparks verteilen Grundnahrungsmittel wie Maismehl, Bohnen und Speiseöl an die Anwohner des Parks.
Foto von Jen Guyton

Herr Carr, wie groß sind die Schäden im Nationalpark nach dem Zyklon Idai?

Keiner konnte bisher in den Park hinein und nach den Tieren gucken. Vermutlich sind die großen Tiere in höhere Gebiete gezogen und es geht ihnen gut. Kleinere Tiere haben wahrscheinlich nach lokalen Erhebungen wie Termitenhügeln gesucht. Dennoch habe ich keinen Zweifel daran, dass viele von ihnen ertrunken sind. Der Wind war so stark, 180 Kilometer in der Stunde, dass wir sicher auch viele Vögel verloren haben. Aber die Natur ist widerstandsfähig. Sie wird zurückkommen. Als allererstes geht es darum, den Menschen in den umliegenden Gemeinden zu helfen.

Wie sind die Auswirkungen des Zyklons Idai in der Region Gorongosa um den Park?

Wir befinden uns mitten in der Hochwasserzone, Tausende von Familien haben ihr Zuhause verloren. Hütten und Felder, die kurz vor der Ernte standen, wurden weggespült. Diese Menschen müssen jetzt wahrscheinlich mindestens neun Monate lang ernährt werden, bevor sie das nach der nächsten Ernte wieder selbst können.

Sie sind mit Ihren Mitarbeitern vor Ort und verteilen Lebensmittel an etwa 20 000 Menschen. Die Überschwemmungen haben viele Straßen und Brücken weggespült. Wie kommen Sie zu den Menschen?

Wir setzen seit dem ersten Tag zwei Hubschrauber ein ­und benutzen außerdem Boote. Zum Glück hat es in den letzten Tagen nicht geregnet und einige Straßen sind langsam wieder passierbar. Gerade haben wir eine Lieferung von 30 Tonnen Lebensmitteln per LKW in unser Lager bringen können.

Sie haben schon vor dem Zyklon Idai die Gemeinden, die um den Park herum liegen, bei Bildung, medizinischer Versorgung und Landwirtschaft unterstützt – macht das die Katastrophenhilfe einfacher?

Ja, wir haben bereits Beziehungen zu den Gemeinden. Als die derzeitige Katastrophe eintrat, konnten wir sofort zu reagieren. Ich bin sehr stolz darauf, dass wir als Gorongosa-Nationalpark mit unseren 600 Helfern so viel zur Katastrophenhilfe beitragen können. Der beste Weg zu helfen, ist das Wissen der Einheimischen zu nutzen: Sie sprechen die Landessprache und haben die lokale Expertise.

Ist es eine neue Aufgabe von Nationalparks, sich auch um das Wohlergehen der vor Ort lebenden Menschen zu kümmern?

Bislang haben Nationalparks den Fokus ausschließlich auf Flora und Fauna gelegt. Ein Nationalpark ist aber ein Ökosystem und das schließt auch Menschen ein. Unser Mandat gilt nicht nur für den Nationalpark, sondern auch für ein sehr großes Gebiet um ihn herum, für eine Zone der nachhaltigen Entwicklung, in der 200 000 Menschen leben. Wir brauchen den Nationalpark, um diesen Menschen aus der Armut zu helfen. Ironischerweise belegt der Zyklon in gewisser Weise fast, dass wir gute Nachbarn in ein und demselben Ökosystem sind. Jeder gute Nationalpark sollte ein guter Nachbar in einem Ökosystem sein.

Ist ein Zyklon wie Idai ein außergewöhnliches Ereignis?

Idai ist in seinen Ausmaßen einzigartig. Diese Art von Stürmen und damit verbundenen Überflutungen wird aber durch den Klimawandel zunehmen. Darauf müssen wir vorbereitet sein.

Welche Rolle spielen Nationalparks im Klimawandel?  

Große Wildnisgebiete wie der Gorongosa Park können Wetterextreme mäßigen: Wenn wir eine schreckliche Dürre haben, kann unser Park von seiner gespeicherten Feuchtigkeit abgeben. Wenn wir eine schreckliche Flut haben, saugt der Boden einen Teil der Fluten auf. Die Hälfte unseres Nationalparks ist derzeit ein einziger See. Das ist eine gute Sache. All das Wasser hätte bis in die Stadt Beira fließen und alles noch schlimmer machen können. Das ist ein großer Vorteil von Nationalparks und Wildnisgebieten: Sie mäßigen Wetterextreme.

Was werden die Menschen machen, die vom Hochwasser vertrieben wurden, wenn die Pegel wieder sinken?

Die große Frage in zwei oder drei Monaten wird sein: "Wollen all diese Leute zurückgehen, wieder Häuser in einer Flutzone bauen und auf den nächsten Zyklon warten?" Wahrscheinlich nicht. Es sollte dort eine neue Nutzungszone geben. Wir sollten einen Flutkorridor schaffen, denn dies ist wirklich kein Ort zum Leben.

Werden Sie nicht wieder auf ihre Grundstücke zurück wollen? 

Sie wollen natürlich in der Nähe ihrer vorherigen Dörfer und Gemeinden leben, aber es sollte außerhalb des Flutkorridors sein. Wir möchten im Bereich des Flutkorridors eine geschützte Kategorie von Grundstücken in Gemeindebesitz schaffen. Die Anwohner sollen dort alle Vorteile der Nutzung erhalten. Sie könnten saisonale Landwirtschaft und Fischerei betreiben, aber eben nicht dort leben. Naturschutz muss die Landrechte der lokalen Bevölkerung anerkennen.

Wann wird der Gorongosa-Nationalpark wieder öffnen können?

Wir werden im Juni wieder für den Tourismus öffnen. Ich halte es für wichtig, dass wir schnellstmöglich wieder öffnen, denn sonst gewinnt der Zyklon. Wir haben bereits Buchungen ab dem 15. Juni. Einige Wissenschaftler haben ihre Treffen für Mai abgesagt, aber ich wünsche mir, dass auch sie im Juni wiederkommen.

Wenn Sie für die Anwohner des Gorongosa-Nationalparks spenden möchten, erhalten Sie hier Informationen.

Die Fotografin und Ökologin Jen Guyton wird von der National Geographic-Society als Explorer und "Fulbright-National Geographic Digital Storytelling Fellow".gefördert.

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