Wird das Wasser knapp in Deutschland?

Die letzten Hitzejahre haben deutliche Spuren hinterlassen. Nicht nur der Wald leidet. Auch die Trinkwasserversorgung steht vor neuen Herausforderungen.

Von Jens Voss
Veröffentlicht am 9. Aug. 2021, 18:24 MESZ
Die Notlage unserer Wälder
Deutschland ist ein Land voller üppiger grüner Bäume, obwohl erste kürzlich viele davon verschwanden.

Ob Öl, Holz, Metall, Weizen oder Baumwolle: Fast alle Rohstoffe lassen sich ersetzen. Wasser nicht. Es ist die Basis allen Lebens. Unser komplettes Dasein ist von ihm abhängig. Sauberes Wasser ist ein Menschenrecht. Doch laut UN-Weltwasserbericht 2020 haben 2,2 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sicherem Trinkwasser. 

Der Klimawandel befeuert die Situation noch: Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass sich die Lage in Regionen, die schon jetzt unter Wasserstress leiden, weiter verschlechtert. Und dass sich die Trockengebiete weltweit beträchtlich ausdehnen werden. Vor allem die Tropen und die dort liegenden Entwicklungsländer werde es treffen.

Auch in Deutschland konnte man die Auswirkungen der Klimaveränderung in den letzten Jahren deutlich spüren, meldet der Deutsche Wetterdienst (DWD). Der vergangene Winter war der zehnte zu warme Winter in Folge. Und die Sommer 2019 und 2018 brachten neben 2003 so viel Hitze wie nie zuvor seit Beginn der regelmäßigen Wetteraufzeichnungen vor fast 140 Jahren. 

Deutschland auf dem Trockenen

Wüstenklima und Waldbrandgefahr – beides gab es 2020 schon im zeitigen Frühjahr. Einen guten Monat lang hatte es in weiten Teilen Deutschlands kaum geregnet. Im Sommer kam die Gewissheit: Der Dürremonitor Deutschland des Helmholtz Zentrums für Umweltforschung (UFZ) dokumentierte eine flächendeckende Dürre in den Böden bis knapp zwei Meter Tiefe.

Die Folgen: Ernteausfälle in der Landwirtschaft, teilweise viel zu niedrige Wasserstände in Flüssen und Seen und dramatische Trockenschäden in den Wäldern. Gerade dem deutschen Wald geht es so schlecht wie nie. Vier von fünf Bäumen sind geschädigt. Das geht aus dem neuen Waldzustandsbericht hervor, den das Bundeslandwirtschaftsministerium Ende Februar veröffentlicht hat. Hitze, Stürme, Borkenkäfer und Brände haben enorme Schäden verursacht. „Unsere Wälder sind krank“, sagt Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner.

Besonders schlimm steht es um die Fichte – mit 25 Prozent Deutschlands häufigste Baumart. Mit ihren flachen Wurzeln kann sie kaum noch Wasser aus dem trockenen Boden ziehen. Und sind die Bäume erst einmal geschwächt, hat der Borkenkäfer leichtes Spiel. In rasantem Tempo frisst er sich durch den Forst – und hinterlässt nur noch graue Baumgerippe. Wo man auch hinblickt: Ganze Fichtenbestände sind inzwischen abgestorben.

Insgesamt 277.000 Hektar Wald müssen aufgeforstet werden – eine Fläche größer als das Saarland. Weg von den Fichten-Monokulturen, hin zu naturnahen und deshalb widerstandsfähigen Mischwäldern, lautet die Strategie. Bäume für den Klima- und Naturschutz: Immer mehr Menschen wollen selbst einen Beitrag leisten. Zum Beispiel, indem sie für Aufforstungsprojekte spenden, bei lokalen Pflanzaktionen die Ärmel hochkrempeln oder für Jugendbewegungen wie Fridays for Future auf die Straße gehen. 

Auch viele Unternehmen haben die Zeichen der Zeit erkannt. Die Marke Finish des Unternehmens Reckitt hat beispielsweise gemeinsam mit der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald ein ambitioniertes Wiederaufforstungsprogramm ins Leben gerufen. Im Rahmen der Mission #FinishspartWasser sollen in diesem Jahr 25.000 neue Bäume gepflanzt werden. Schon im letzten Jahr waren es rund 10.000 Neupflanzungen. 

Fichtensterben im Harz: Wetterextreme und Borkenkäfer haben Deutschlands häufigster Baumart in weiten Teilen des Landes dramatisch zugesetzt. Widerstandsfähige Mischwälder sollen die Monokulturen ersetzen.

Foto von Shutterstock

Wasser braucht Wald

Aber das ist nur die eine Seite der Medaille: Denn nicht nur der Wald braucht das Wasser. Das Wasser braucht den Wald. Wälder spielen eine wichtige Rolle für einen gesunden Wasserkreislauf. Ihre Böden speichern und reinigen Niederschläge wie kaum ein anderes Ökosystem. Ökologen und Umweltverbände fordern deshalb ein Umdenken.

Mit Entwässerungsgräben werde dem Waldboden vielerorts buchstäblich das Wasser abgegraben, kritisiert etwa der WWF. Ein Teufelskreislauf: Denn das verstärke die Gefahr von Dürre, Waldbrand und Schädlingsbefall. „Wir müssen endlich weniger entwässern“, mahnt WWF-Vorstand Christoph Heinrich. 

(K)eine endlose Ressource

Grundsätzlich ist Deutschland ein wasserreiches Land. Mehr als 70 Prozent unseres Trinkwassers werden aus Grundwasser gewonnen. Der Rest stammt meist aus Quellen oder Talsperren. „Es herrscht in Deutschland noch kein Mangel an Trinkwasser“, versichert das Umweltbundesamt (UBA). 

Aber bleibt das auch so? Das UBA stellt klar: Weitere aufeinander folgende Trockenjahre hätten „in jedem Fall negative Auswirkungen auf die Wasserverfügbarkeit“ und womöglich „nachteilige Auswirkungen auf die Grundwasserstände“. In den Jahren 2018 und 2019 sei das in einigen Regionen schon der Fall gewesen. Der Verband der deutschen Wasserwirtschaft DVGW spricht von einem „Stresstest für die Trinkwasserversorgung“.

Verteilungskämpfe ums Wasser?

Wird Wasserknappheit also künftig auch bei uns zum Dauerproblem? Damit es nicht soweit kommt, entwickelt das Umweltweltministerium (BMU) derzeit eine Nationale Wasserstrategie. Sie soll Antworten auf die Frage liefern, wie wir im Jahr 2050 die Wasserversorgung für Mensch und Umwelt sichern können. Im Zentrum stehen Regeln für die künftige Verteilung von Wasser – eine Wasserhierarchie.

Höchste Priorität habe die Trinkwasser-Versorgung der Menschen, betont Umweltministerin Svenja Schulze. Doch wer ist danach an der Reihe, sollte das Wasser knapp werden? Müssen Schwimmbäder schließen? Darf man noch den Garten wässern? Könnten Industrie und Landwirtschaft nicht vermehrt auf aufbereitetes Brauchwasser setzen? Solche überaus wichtigen Entscheidungen müssten vor Ort getroffen werden, so die Ministerin. 

Viele weitere Herausforderungen beschäftigen die Politik. So will Schulze die Schadstoffbelastung der Gewässer reduzieren und die Funktionsfähigkeit der Wasserökosysteme verbessern. Schließlich stellt sich die Frage, wie die sogenannte Daseinsvorsorge gesichert werden kann, also die Wasser-Infrastruktur in den Gemeinden.

BELIEBT

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    Kahlfraß: Hier hat der Borkenkäfer gewütet. Leiden Fichten unter Trockenstress, können sie nicht mehr genug Harz produzieren, um sich vor den hungrigen Invasoren zu schützen. Binnen kürzester Zeit sterben so ganze Wälder ab.

    Foto von Shutterstock

    Abfall? Rohstoff!

    Die Diskussion über die Zukunft der Wasserversorgung ist in vollem Gange. Gleichzeitig sorgt derzeit eine junge Generation von Tüftlern und Gründern mit vielversprechenden Umwelttechnologien für Aufsehen. 

    Wie man zum Beispiel das Kanalnetz fit für Wetterextreme machen kann, zeigt ein Erfinderpaar aus Hessen. Ivana und Pierre Büttner haben dazu ihr Abwassersystem Variokan entwickelt. Es basiert auf einem Gummiprofil, das in die Kanalrohre gelegt wird. Die flexible V-Form soll für einen optimalen Wasserdurchfluss bei Starkregen und Trockenheit sorgen – und damit vor Hochwasser und Ablagerungen in den Rohren schützen.

    Auf die Reinigung von schwer belasteten Industrieabwässern hat sich Akvola spezialisiert. Hier wird Brauchwasser nicht als Abfall gesehen, sondern als Rohstoff. Die Berliner Jungunternehmer Matan Beery, Lucas León und Johanna Schulz sind überzeugt: Der einzige Weg für eine langfristig nachhaltige Wasserversorgung ist der, die Abwasserwiederverwendung erschwinglich zu machen.

    Direkt an Konsumenten wenden sich Paul Kupfer, Patrick Boadu und Marian Gutscher mit ihren Soulbottles. Das Hamburger Unternehmen produziert Design-Trinkflaschen aus Glas – nach eigenen Worten nachhaltig, fair und klimaneutral in Deutschland. Ein Euro pro verkaufter Flasche fließt nach eigenen Angaben in Trinkwasserprojekte in Entwicklungsländern. 

    Wassersparen im Haushalt

    Beispiele wie diese zeigen: Es tut sich was. Und damit nicht genug. Wir alle können dazu beitragen, dass uns künftig nicht das Wasser ausgeht. Zum Beispiel, indem wir weiter Wasser sparen. Nach Angaben des Wasserwirtschaftsverbandes BDEW ist der tägliche Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschland seit 1990 von 147 Litern auf etwa 125 Liter gesunken. Ein wachsendes Bewusstsein habe ebenso dazu beigetragen wie moderne Haushaltsgeräte sowie wassersparende Duschköpfe und Toiletten. 

    „Wir empfehlen, immer sorgsam mit Wasser umzugehen“, rät Wasserexpertin Corinna Baumgarten vom Umweltbundesamt. Es gibt viele Hebel. Die Behörde hat errechnet: Gut zwei Drittel des Trinkwassers nutzen wir fürs Duschen, Baden und für die Toilettenspülung. Der Rest entfällt vor allem aufs Kochen, Wäschewaschen, auf die Raum- und Gartenpflege und aufs Geschirrspülen. 

    Eine Regentonne hilft bei der Gartenbewässerung und Autowäsche. Weiter geht’s im Bad: Eine volle Wanne etwa verschlingt gut 150 Liter Wasser, fünf Minuten Duschen nur die Hälfte. Und je weniger Wasser erhitzt werden muss, desto weniger Energie wird verbraucht. Das schont Portemonnaie und Klima.

    Auch beim Geschirrspülen kann man jede Menge Waser sparen. Moderne Spülmaschinen brauchen laut Umweltbundesamt nur noch rund zehn Liter Wasser und weniger als eine Kilowattstunde Strom pro Durchgang. Damit seien sie in den meisten Fällen effizienter als das Spülen von Hand –vorausgesetzt, die Maschine ist voll beladen.

    Das Amt empfiehlt das Eco- oder Energiesparprogramm, auch wenn der Spülgang dann länger dauert. Aufs Vorspülen per Hand sollte man verzichten – das verbrauche nur unnötig Wasser und Energie, vor allem dann, wenn man Warmwasser nutzt.

    Eine aktuelle Studie schlägt in dieselbe Kerbe. Hiernach haben zwar rund zwei Drittel der deutschen Haushalte eine Spülmaschine. Doch 44 Prozent der Besitzer spülen nach wie vor regelmäßig mit der Hand vor. Bis zu 24 Liter Wasser werden dabei jedes Mal verbraucht. So verschwenden wir allein in Deutschland jährlich über 25 Milliarden Liter, nur weil wir Geschirr per Hand vorspülen.

    Klingt nach gigantischem Verbrauch? Ist es auch: Mit der gleichen Menge könnte man ein Jahr lang den Durst von gut 35 Millionen Menschen mit täglich zwei Litern sauberem Trinkwasser stillen.

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