Nachhaltige Autos durch Lithium aus Deutschland?

15 Millionen E-Autos könnten 2030 auf deutschen Straßen unterwegs sein. Für deren Batterien braucht es Lithium. Kommt es bald aus dem Oberrheingraben?

Von Marius Rautenberg
Veröffentlicht am 10. Feb. 2022, 11:09 MEZ, Aktualisiert am 10. Feb. 2022, 20:50 MEZ
Geothermieanlage

Die Geothermieanlage in Bruchsal ist seit 2009 in Betrieb, zunächst für die Strom- und Wärmegewinnung. Mittlerweile wird hier auch Lithium gefördert. Die Bohrung geht mehr als 2500 Meter tief.

Foto von Uli Deck / EnBW

Bislang beherrschen Benziner und Dieselautos die Straßen. Doch nach dem Willen der EU werden sie ab 2035 keine Neuzulassung mehr bekommen. Entsprechend rüstet die Industrie auf Elektroautos um. Davon sollen laut neuer Bundesregierung in acht Jahren 15 Millionen in Deutschland unterwegs sein. Ein ehrgeiziges Ziel, für das es ausreichend Ladestationen im ganzen Land braucht und sich genug willige Käufer finden müssen.

Fraglich ist zudem, woher die ganzen Rohstoffe für die Autobatterien kommen sollen. Derzeit werden vor allem Lithium-Ionen-Akkus verwendet, die auch in zahlreichen anderen elektronischen Geräten wie Handys und Notebooks eingebaut sind. Das dafür benötigte Lithium wird heute überwiegend in Australien gewonnen und in China weiterverarbeitet, wo es unter großem CO2-Einsatz mittels chemischer Verfahren aus dem Gestein gelöst wird. Weitere große Vorkommen existieren in den südamerikanischen Anden. In den Wüsten Chiles, Boliviens und Argentiniens muss lithiumhaltiges Wasser aus Salzseen an die Oberfläche gepumpt werden, wo es anschließend verdunstet. Erst durch diesen großen ökologischen Eingriff kann dort Lithium gewonnen werden. Hinzu kommen die Transportwege rund um den Globus mit entsprechenden CO2-Emissionen.

Die Lithium-Förderung aus den Salzseen der Anden ist mit großen Eingriffen in den Wasserhaushalt der Region verbunden. Kritiker befürchten, dass der Grundwasserspiegel dauerhaft absinkt.

Foto von Alexander Schimmeck / Unsplash.com

CO2-freie Förderung von Lithium in Deutschland

Eine umweltschonende Alternative bietet sich direkt vor unserer Haustüre: Im Oberrheingraben an der deutsch-französischen Grenze enthält das Grundwasser in zwei bis fünf Kilometern Tiefe eine hohe Konzentration an gelöstem Lithiumsalz. Pumpt man das Thermalwasser an die Oberfläche, hat es eine Temperatur von über 120 Grad. Damit ist es zur Strom- und Wärmegewinnung geeignet, doch auch zum „Fluid- oder Watermining“, wie Professor Jochen Kolb vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) berichtet. Denn in diesen Tiefengewässern sind pro Liter 160 Gramm lithiumhaltige Salze gelöst, 4,5 mal so viel wie im Meer. Der Lithiumgehalt beträgt circa 150 Milligramm pro Liter.

Jochen Kolb und die Forscher vom KIT haben im Labor in den letzten Jahren verschiedene Stoffe getestet, mit denen sie das Lithium aus den Salzen adsorbieren können. Gut geeignet ist Manganoxid, das wie ein Sieb Lithiumionen festhält, während fremde Stoffe wie Natrium hindurchrutschen. Gemeinsam mit dem Energieversorger EnBW soll ab Mitte 2022 in einer Pilotanlage in Bruchsal die Technologie in größerem Maßstab getestet werden. 40 bis 50 Minuten müsse man Wasser durch die Anlage in Bruchsal fließen lassen, um genug Lithium für eine Tesla-Autobatterie zu sammeln, so Kolb. Die Förderung selbst geschieht komplett CO2-neutral, zusätzlich zur Energieerzeugung.

In Zukunft soll die Gewinnung in deutlich größeren Mengen stattfinden. Das Unternehmen Vulcan Energy Resources hat bereits Verträge mit den Autoherstellern VW, Stellantis und Renault abgeschlossen. Ab 2026 will die deutsch-australische Firma jährlich 40 Tausend Tonnen Lithium aus dem Oberrheingraben liefern. Genug, um etwa ein bis zwei Millionen Autobatterien zu bauen. In Insheim hat das Unternehmen bereits ein Geothermiekraftwerk gekauft. Weitere sollen mit Hilfe von Investoren folgen.

Für Investoren gibt es weiter offene Fragen

Doch gibt es für Anleger offene Fragen, wie Professor Steffen Kolb von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin meint: „Niemand weiß, ob das Lithium in den Thermalwässern durch die Entnahme reduziert wird, oder ob es nachgewaschen wird“, also ob und in welcher Geschwindigkeit es aus dem umliegenden Gestein wieder ins Wasser gelangt. Davon hängt ab, wie lange die Vorkommen reichen. Vulcan Energy Resources hat die Lithium-Reserven in ihren Fördergebieten im Oberrheingraben auf über eine Million Tonne geschätzt.

Hinzu kommen für die Investoren weitere Unwägbarkeiten: Zwar plant die Bundesregierung den Ausbau der Elektromobilität und stellt entsprechend Fördermittel bereit. Doch ob sich angesichts weiterhin hoher Preise für E-Autos Millionen neuer Käufer finden lassen, werden erst die kommenden Jahre zeigen. Im Oberrheingraben lassen sich zudem nicht alle von der neuen Goldgräberstimmung mitreißen. Zuletzt lehnte die Stadt Achern Bohrungen in ihrem Gebiet kategorisch ab. Man befürchtet, dass damit Erdbeben einhergehen könnten, so wie sie bereits in Basel und Landau vorkamen. Jedoch arbeiten Forscher an neuen sicheren Verfahren und auch das Umweltbundesamt gibt in einer Studie an, dass die Geothermie „keine unbeherrschbaren Risiken“ mit sich bringe.

Laut Steffen Kolb stellt sich außerdem die Frage, „ob wir weiter mit Lithium-Akkus fahren“. Er selbst habe ein Fahrzeug mit altem Nickel-Cadmium-Akku. Als er es 2010 gekauft habe, war noch gar nicht absehbar, dass Lithium eine große Rolle spielen würde. Das zeigt, wie schnell die technische Entwicklung ist. Die Autohersteller betreiben bereits viel Aufwand, um den Lithium-Anteil in Batterien auf ein Minimum zu reduzieren. Das Lithium aus dem Oberrhein dürfte dennoch in den kommenden Jahren gefragt sein.

Bis es die ersten Elektroautos mit Batterien aus deutschem Lithium gibt, dürfte es noch bis 2025 dauern.

Foto von Chuttersnap / Unsplash.com

Lithium aus dem Oberrhein kann nur einen Teil des Bedarfs decken

Ist damit der Weg für nachhaltige E-Autos mit Batterien „made in Germany“ frei? Nur teils. Denn dafür benötigt man einen weiteren problematischen Rohstoff: Kobalt. Das wird größtenteils in der Demokratischen Republik Kongo gewonnen – einhergehend mit Berichten über schlechte Arbeitsbedingungen, Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden. Jedoch gibt es bereits Ansätze, um Kobalt durch andere Stoffe wie insbesondere Nickel, oder auch Schwefel oder Mangan zu ersetzen.

Die Chancen stehen also gut, in einigen Jahren tatsächlich nachhaltige E-Autos mithilfe der Förderung aus dem Oberrheingraben bauen zu können. Allerdings schätzt die Deutsche Rohstoffagentur den Lithium-Bedarf allein in Deutschland auf bis zu 168 Tausend Tonnen im Jahr 2030. Mit den derzeit geplanten Anlagen könnte die Förderung per Geothermie also nur etwa ein Viertel dazu beitragen. Die EU fordert von ihren Mitgliedstaaten entsprechend auch an anderen europäischen Standorten Lithium zu gewinnen, wie zum Beispiel im Erzgebirge oder dem österreichischen Kärnten. Dort kommt der Rohstoff jedoch aus konventionellem Bergbau. Für eine wirklich nachhaltige Verkehrswende braucht es also weitere Maßnahmen wie mehr Recycling sowie ganzheitliche Mobilitätskonzepte, in denen der Einsatz von E-Autos nur ein weiterer Baustein neben dem Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel ist.

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