Hoffnungsträger der Klimakrise: So wirksam sind CO2-Speicher

Inmitten der wachsenden Besorgnis über den globalen Klimawandel suchen Wissenschaftler und Technologen nach Lösungen, die dazu beitragen können, die unvermeidbaren Restemissionen auszugleichen. Dazu muss CO₂⁠ eingelagert werden.

Von Sarah Langer
Veröffentlicht am 7. Nov. 2023, 09:21 MEZ
CO2 Sequestrierung

Es wird vermehrt nach Lösungen gesucht, CO2 einzuspeichern.

Foto von Equinor

Die globale Erwärmung hat bereits spürbare Auswirkungen auf die Umwelt. Der Anstieg der Durchschnittstemperaturen führt zu schmelzenden Gletschern, steigendem Meeresspiegel und vermehrten extremen Wetterereignissen wie Dürren, Stürmen und Hitzewellen. Als Grund nennen Wissenschaftler, Klimaschützer oder die Europäische Kommission „die Verbrennung fossiler Brennstoffe, die Abholzung von Wäldern und die Viehzucht“, die „zunehmend das Klima und die Temperatur auf der Erde“ beeinflussen. Das erhöhe die „in der Atmosphäre natürlich vorkommenden Treibhausgase enorm, was den Treibhauseffekt und die Erderwärmung“ verstärke.

Joris Spindler vom Umweltbundesamt beschäftigt sich mit Strategien und Szenarien zu Klimaschutz und Energie. Er erklärt, dass der Treibhausgasausstoß in Deutschland 2022 rund 750 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid betrug. „Verschiedene Klimaszenarien sehen vor, dass dieser bis zum Jahr 2045 auf 40 bis 70 Millionen Tonnen CO₂⁠, das heißt um mehr als den Faktor zehn, sinken muss.“ Die Szenarien sehen eine Verringerung der Emissionen durch eine verringerte Nutzung der fossilen Energieträger Kohle, Öl und Gas vor. Ein Teil der Energie soll aus erneuerbaren Energien bereitgestellt werden, ein Teil soll durch die Umstellung von Produktionsverfahren eingespart werden. Durch CO₂⁠-Sequestrierung können zusätzlich die unvermeidbaren Restemissionen im Umfang von 40 bis 70 Mio. Tonnen CO₂⁠ ausgeglichen werden.  

CO₂⁠-Sequestrierung entzieht der Atmosphäre Kohlendioxid oder versucht es von ihr fernzuhalten

Bei der Sequestrierung wird CO₂⁠ entweder aus der Atmosphäre entfernt oder nach der Entstehung an Punktquellen abgeschieden, um anschließend eingelagert zu werden. „CO₂⁠-Sequestrierung ist die (Wieder-)Festlegung von CO₂⁠ aus der Erdatmosphäre an Land oder im Meer. Dabei wird Kohlenstoff durch den Prozess der Fotosynthese gebunden und Sauerstoff freigesetzt. Zusätzlich kann durch technische Prozesse, wie das CCS (Carbon Capture and Storage) Verfahren, CO₂⁠ aus Abgasen abgeschieden und gespeichert werden“, erklärt Joris Spindler. 

Die wichtigste Option sei die Minderung des Treibhausgasausstoßes, wie sie beispielsweise durch die vermehrte Nutzung erneuerbarer Energie als Ersatz für fossile Energieträger möglich ist. Für die unvermeidbaren Restemissionen sollten als Ausgleich die natürlichen Senken, wie Wiederaufforstung, Wiedervernässung von degradierten und Bewahrung bestehender Moore genutzt werden. Hierbei werden Pflanzen und Bäume eingesetzt, um CO₂⁠ aus der Atmosphäre zu entfernen und in Biomasse zu speichern. Sollten diese nicht ausreichen, könne die Anwendung von CCS zum Einsatz kommen, am besten dort, wo keine zusätzlichen Anreize für den weiteren Einsatz fossiler Energien entstehen. Dies sei beispielsweise der Fall am Ende langer Nutzungsketten bei Müllverbrennungsanlagen. 

Auch unter Wasser kann CO2 eingespeichert werden.

Foto von Equinor

Durch CO₂⁠- Sequestrierung das Netto Null Ziel 2045 erreichen

CCS ist ein Verfahren, bei dem Kohlendioxid aus industriellen Quellen abgeschieden und anschließend in geologischen Formationen gelagert wird, um seinen Eintrag in die Atmosphäre zu verhindern. Diese Methoden umfassen die Speicherung in unterirdischen geologischen Formationen, wie ausgeförderten Öl- und Gasfeldern, tiefen Salzwasserreservoires oder die geologische Speicherung durch beschleunigte Karbonatisierung – eine chemische Reaktion in Basaltgestein. Durch die Einlagerung des CO₂⁠ in geologischen Formationen soll verhindert werden, dass das CO₂⁠ wieder in die Atmosphäre gelangt. 

Diese technische Sequestrierung besteht aus mehreren Schritten. Zunächst wird das CO₂⁠ aus Industrieanlagen abgeschieden – entweder durch Absorption, durch Verbrennung mit reinem Sauerstoff oder es wird direkt aus der Umgebungsluft entnommen. Schließlich wird das gereinigte CO₂⁠ in die unterirdischen Speicherformationen gepumpt und dort aufbewahrt.

Daten und Erfahrungen zur Umsetzung fehlen 

Ist die CO₂-Sequestrierung also die ultimative Lösung zur Bekämpfung der Klimakrise? Nicht ganz, denn auch bei der technischen Abscheidung und Speicherung von CO₂⁠ fallen Energiemehraufwendungen an und ein Teil der Emissionen gelangt weiterhin in die Atmosphäre. Deshalb könne die Nutzung fossiler Energien - auch mit CCS – niemals komplett treibhausgasneutral werden, so der Experte. Auch die fehlende Erfahrung mit der Lagerung sei ein Problem: „Für die sichere Einlagerung von CO₂⁠ in geologischen Formationen liegen über lange Zeiträume - wir sprechen von 10.000 Jahren - keinerlei Erfahrungswerte vor“, erklärt Spindler. Die bestehenden Erfahrungen mit CO₂⁠-Speicherung über wenige Jahrzehnte belegten nicht die Speichersicherheit, da die beteiligten Prozesse sehr langsam abliefen und wenige Dekaden keinen ausreichenden Beobachtungszeitraum für die Langzeitsicherheit eines Speichers darstellten.

BELIEBT

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    Die Vermehrung von erneuerbaren Energien ist trotz jeder Maßnahme unausweichlich. 

    Foto von Ole Jørgen Bratland/Equinor

    Bestehende CO₂⁠-Speicher in Norwegen als Vorbild

    Trotz aller Herausforderungen bietet die technische CO₂⁠-Sequestrierung eine Möglichkeit, um die CO₂⁠-Speicherung der natürlichen Senken zu ergänzen, falls diese nicht ausreichen sollten. Weitere Investitionen in Forschung und Entwicklung sind sinnvoll, um diese Technik weiter zu erproben. Es gibt schon Länder und Orte, die erste Erfolge mit der Speicherung von Kohlenstoffdioxid verbuchen. „In Norwegen arbeiten zwei industrielle CO₂⁠-Speicher. Aktuell werden jeweils ca. 1 Mio. Tonnen CO₂⁠ pro Jahr abgeschieden und gespeichert. Beide Speicher wurden entwickelt, um unerwünschtes CO₂⁠, das bei der Erdgasförderung anfällt, zu binden“, erklärt Spindler. 

    Mit der CO₂⁠-Sequestrierung sollen die unvermeidbaren Restemissionen im Jahr 2045 ausgeglichen werden, damit das Netto-Null-Ziel erreicht wird. Es ist jedoch viel entscheidender, die Treibhausgasemissionen insgesamt zu reduzieren, indem man auf erneuerbare Energien umsteigt, die Energieeffizienz verbessert und nachhaltige Landwirtschaftspraktiken fördert. 

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