Tiefsee: Mikroben und Seegurken graben den Ozeanboden um
Spiralförmige Gänge durchziehen den Meeresboden in der pazifischen Tiefsee. Sie zeugen von der Aktivität kleinster Organismen.
Die Hadalzone ist die unwirtlichste Gegend des Ozeans. Doch selbst dort, in 6.000 bis 8.000 Metern Tiefe, gibt es Leben. Es sind kleinste Organismen – und die scheinen sogar ziemlich fleißig zu sein. In vollkommener Dunkelheit, bei Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt und unter extremem Druck betreiben sie offenbar so etwas wie Landwirtschaft. Das konnte ein internationales Forschungsteam nun zeigen. Winzige Spuren deuten darauf hin, dass die Tierchen den Meeresboden umgraben und Mikroben züchten.
Forschende entdecken Wühlspuren in Tiefseeböden
Die Studie unter Leitung des National Institute of Advanced Industrial Science and Technology (AIST) in Japan erschien in der Zeitschrift Nature Communications. Die Forschenden untersuchten Sedimentproben vom Grund des Japangrabens, einer Tiefseerinne im Pazifischen Ozean. Die Bohrkerne waren bereits 2021 während der Expedition „Japan Trench Paleoseismology“ aus bis zu 8.000 Metern Tiefe entnommen worden.
Mithilfe von hochauflösender Röntgen-Computertomographie konnte das Team in den Tiefseesedimenten dreidimensionale Strukturen sichtbar machen. Dabei handelte es sich um Wühlspuren verschiedener Organismen, die dort offenbar den Boden bearbeiten – darunter Seegurken und Mikroben.
Galerie: Bizarre Welt der Tiefsee

Erdbeben sorgen für Besiedlung
Das belegt für die Forschenden, dass auch diese extrem nährstoffarme Zone, entgegen der gängigen Annahme, durchaus besiedelt ist. Doch wie schaffen es die kleinen Organismen, mehr als sechs Kilometer unter dem Meeresspiegel zu überleben? Erstaunlicherweise liegt der Schlüssel dazu in Erdbeben.
„Nach einem Erdbeben stürzt lockeres Sediment in die Tiefe und transportiert dabei große Mengen an Nährstoffen und Sauerstoff in den Graben“, sagt Michael Strasser, Leiter der Arbeitsgruppe für Sedimentgeologie an der Universität Innsbruck und einer der Studienautoren. Das zieht Organismen an: „Ähnlich wie Waldbrände das Wachstum neuer Pflanzen begünstigen, sorgen Erdbeben dafür, dass das Leben in der Tiefsee immer wieder neu beginnt.“
Seegurken und Muscheln betreiben Landwirtschaft in sechs Kilometern Tiefe
Nach einem solchen Beben beginnt der ‚Tiefsee-Landwirtschaftsbetrieb‘. In Phase eins besiedeln kleine Organismen wie Seegurken und Würmer den Boden und graben ihn regelrecht um. Dabei ernähren sie sich von den eingebrachten Nährstoffen und bringen durch ihre Wühlbewegungen aktiv Sauerstoff ins Sediment ein. Diesen brauchen sie nach und nach auf – und sterben anschließend ab.

Eine Muschel aus der Familie der Thyasiridae, die in Alaska gefunden wurde. Eine Muschel derselben Familie ist vermutlich im Japangraben für das Anzüchten von Mikroben verantwortlich.
In Phase zwei legen unter anderem Muscheln feine spiralförmige Gänge im Boden an. Die wenige Millimeter großen Tiere aus der Familie der Thyasiridae leben in Symbiose – also gegenseitiger Abhängigkeit – mit Mikroben und züchten diese gewissermaßen in ihren gegrabenen Rillen heran. Die Mikroben zersetzen daraufhin Abfallstoffe und binden Kohlenstoffdioxid (CO₂) im Meeresboden.
Kleine Tierchen, großer Effekt
Die ‚landwirtschaftliche‘ Aktivität der Tiefsee-Tierchen hat also große Bedeutung für den Kohlenstoffkreislauf. Sie sorgt dafür, dass organischer Kohlenstoff langfristig im Meeresboden gespeichert und nicht als CO₂ wieder in die Atmosphäre abgegeben wird. Das bedeutet weniger Treibhausgase in der Atmosphäre, was wiederum gut für das Klima ist.
