Für einen Teenager wurde ein Tag am Strand zu einem Durchbruch beim Klimaschutz

Ethan Noveks Geistesblitz führte dazu, dass er schon während der High School Forschungen in Yale betrieb.

Von Christina Nunez
Veröffentlicht am 6. Nov. 2017, 09:47 MEZ
Der mittlerweile 18-jährige Ethan Novak erfand während der High School einen Mechanismus, mit dem man Kohlendioxid aus Abgasen von Industrie- und Stromkraftwerken abspalten kann.
Foto von Ethan Novek

Ethan Novek grub an einem Strand in Connecticut gerade ein Loch in den Sand, als er etwas bemerkte, das ihn ins Grübeln brachte. Das Meerwasser, das in das Loch sickerte, stieg im selben Verhältnis an wie die Gezeiten vor der Küste. Was, wenn mit diesem Sickerwasser landeinwärts in Brunnen Energie gewonnen werden könnte anstatt draußen auf dem Meer?

Der Gedanke führte zum ersten in einer Reihe von Experimenten, die Novek schlussendlich an die Yale Universität brachten. Aber vorerst führte er ihn zu einem Forschungsprojekt, das er in der High School begann. Nach seinem Sommer am Strand fing er in der neunten Klasse mit fortlaufenden Experimenten im Labor seiner Schule an. In der zehnten Klasse hatte er dann eine einfache und kostengünstige Möglichkeit erarbeitet, Kohlendioxid aus der Luft abzuspalten und es in nützliche Produkte umzuwandeln. Kürzlich kam er ins Halbfinale des Wettbewerbs NRG COSIA Carbon XPRIZE, dessen Hauptgewinn 20 Millionen Dollar sind.

Wenn er über seine Forschung spricht, gerät er fast außer Atem. Es gibt eine Menge zu berichten. Sein „seltsamer Weg“, wie er es nennt, der ihn von der Idee am Strand zur Abscheidung von Kohlendioxid aus der Luft führte, begann mit der Anmeldung eines Patents auf ein Energiesystem, das den Gezeiten unterworfen war. Der nächste Schritt war die Untersuchung des Energiepotenzials der Salzgradienten von Süßwasser und Meerwasser. Schlussendlich führte sein Weg ihn zur Erforschung paralleler Reaktionen zwischen Ammoniak und Kohlendioxid. Um seine rasante Nacherzählung der verschiedenen Forschungsansätze, die ihn zu seinem Konzept der Kohlendioxidabscheidung führten, angemessen würdigen zu können, benötigt man einige Fachkenntnisse im Bereich der Chemie.

Novek ist definitiv nicht allein mit seiner Faszination für Kohlendioxidabscheidung, denn diese bietet eine verlockende, wenn auch noch schwer realisierbare Chance: Wenn es uns gelingt, das Kohlendioxid schon herauszufiltern, bevor es den Schornstein verlässt und in die Atmosphäre übergeht, könnte die Notwendigkeit, die Nutzung fossiler Brennstoffe einzustellen, ein bisschen weniger dringlich werden.

DER FALL KOHLENDIOXIDABSCHEIDUNG

Trotz der weltweit großen Mengen an Kohlendioxid stellte die gewerbsmäßige Abscheidung der chemischen Verbindung – bei der sie unterirdisch gelagert oder zu anderen Produkten recycelt wird – bisher eine große Herausforderung dar. Milliarden Dollar sind in vielversprechende Projekte für „saubere Kohle“ in Kanada und Mississippi verschwunden, ohne dass die erhofften Ergebnisse erzielt wurden. Die Arbeit an dem Projekt in Mississippi wurde kürzlich sogar eingestellt.

„Ich war immer von dem Konzept inspiriert, aus Abfallprodukten wertvolle Materialien zu machen“, sagt Novek. „Ich mag den Gedanken sehr, jedem auf der Welt einen höheren Lebensstandard ermöglichen zu können, ohne dass uns die auf der Erde verfügbaren Ressourcen ausgehen.“

Für ihn hat Kohlendioxidabspaltung weniger mit dem Ausbau von Kohle zur Energiegewinnung zu tun und mehr mit der industriellen Verschmutzung. Selbst, wenn wir es schaffen würden, unsere gesamte Energieproduktion auf erneuerbare Energien wie Wind- und Solarkraft umzustellen, gäbe es auf der Welt immer noch CO2-Emissionen durch beispielsweise Stahl- und Zementfabriken, erklärt Novek. Diese sind beim Umstieg auf erneuerbare Energien nicht annähernd so weit vorangeschritten wie der Energiesektor.

„Wie geht man mit diesem Aspekt um?“, fragt er im Hinblick auf diese Industriestätten. „Da kommt dann die CO2-Abscheidung ins Spiel.“

Als Novek Abhandlungen zum Salzgradienten für seine Idee zur Gezeitenenergie las, tauchte ein Name immer wieder auf: Menachem Elimelech. Also schrieb er dem Yale-Professor eine E-Mail, drückte sein Interesse an dessen Forschung aus und stellte ihm zahlreiche Fragen. Er bekam keine Antwort.

In der Zwischenzeit führte Novek seine Experimente fort, die ihn schließlich auf Kohlendioxid brachten. Für seinen Mechanismus, der CO2 und Ammoniak zu Urea umwandelte – dem Hauptbestandteil von Dünger –, gewann er mehrere Preise, darunter den ersten Platz auf einer internationalen Wissenschafts- und Ingenieursmesse von Intel. Er schrieb wieder an Elimelech und brachte ihn auf den neuesten Stand.

Diesmal erhielt er eine Antwort. Elimelech gratulierte Novak zu seiner Beharrlichkeit und wollte wissen, ob der Teenager seine Forschungen an der Yale Universität präsentieren und einen durch Fachleute geprüften Artikel über sein Thema schreiben würde.

Die letzten beiden Jahre der High School verbrachte Novek auf dem Campus von Yale. Er verlagerte den Fokus von seiner Urea-Idee auf die Abscheidung und Wiederverwendung von Kohlendioxid. Dabei spalteten organische Lösungsmittel bei Zimmertemperatur CO2 aus Abgasen ab, was 96 Prozent weniger Energie verbraucht als bisherige CO2-Abscheidungsprozesse. Außerdem arbeitet er an einem Konzept, bei dem mit dem Abfallprodukt Schwefelwasserstoff von Öl- und Gasunternehmen Kohlendioxid zu Kohlenmonoxid umgewandelt werden kann. Diese Verbindung findet bei der Produktion von Chemikalien und Kunststoffen Verwendung.

Anfang des Jahres zog Novek nach San Antonio in Texas, um mit einem neuen Team an seinem Konzept zur CO2-Abscheidung zu arbeiten, das er in Yale verfeinert hat.
Foto von Ethan Novek

In Zusammenarbeit mit Elimelech und graduierten Studenten veröffentlichte er eine Abhandlung und nahm am XPRIZE-Wettbewerb teil, während er seinen Schulabschluss aus der Ferne machte.

„Ich habe sehr, sehr viele kluge Schüler kommen und gehen sehen“, sagt Andrew Bramante, der den Kurs Independent Science Research an der Greenwich High School in Connecticut leitet, den Novek belegt hatte. „Aber Ethan ist eine Sorte für sich.“

EINSICHT DURCH RÜCKSCHLÄGE

Bramante vermutet, dass Novek seine Schulstunden „wahrscheinlich damit verbracht hat, von seinen Erfindungen zu träumen, anstatt die erforderlichen Unterrichtsaufgaben zu bearbeiten.“ Novek bestätigt das und sagt, dass er vor seinem Umzug nach New Haven Probleme hatte, seine Pflichten an der High School und seine Forschung in Yale unter einen Hut zu bringen.

Aber er sagt auch, dass die Freiheit, im Labor seiner High School und zu Hause zu experimentieren, zu seinem Erfolg beigetragen hat. Seine Eltern seien nicht so wissenschaftlich interessiert, sagt er. Daher gab es auch niemanden, der ihm gesagt hat, dass er seine Zeit nicht mit einem Experiment verschwenden sollte, das ohnehin nicht gelingen könnte, das ihm aber wertvolle Einsichten brachte.

„Auf gewisse Weise habe ich da schon erlebt, was Durchhaltevermögen heißt – die Fähigkeit, wirklich zu verstehen, warum etwas nicht funktioniert“, sagt er, „anstatt dass mir einfach irgendjemand erzählt, warum etwas nicht klappt.“ Außerdem war er auch sehr auf seine Internetrecherchen angewiesen, bei denen er Abhandlungen in Fachzeitschriften aufrufen konnte. „Wenn es das Internet nicht gäbe, wüsste ich nicht, wo ich heute wäre.“

BELIEBT

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    Im Sommer vor der neunten Klasse war Novek an einem Strand in Connecticut. Dort kam ihm die Idee zu seinem auf Gezeiten basierenden Energiekonzept, das er später patentierte.
    Foto von Ethan Novek

    Der mittlerweile 18-jährige Novek hat nun ein kleines Unternehmen gegründet, Innovator Energy. Damit verfolgt er seine Idee der CO2-Abscheidung und -umwandlung weiter und ist nach San Antonio in Texas gezogen, wo er mit dem Southwest Research Institute einen Prototyp seines Systems baut.  Er sagt, dass seine Technologie für acht Dollar pro Tonne Kohlendioxid abscheiden kann, deutlich unter dem aktuellen Marktpreis (in Kalifornien beträgt der beispielsweise 13 Dollar pro Tonne).

    Kürzlich wurde er an der Yale Universität aufgenommen, wo er ein Studium der Chemietechnik aufnehmen wird. Vorher nimmt er sich jedoch ein Jahr Zeit, um sich auf seine Kohlendioxid-Forschungen zu konzentrieren. In diesem Jahr, so sagt er, will er „die größte Auswirkung in der kürzesten Zeit erzielen.“

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