Sturm aus mysteriösen Radioblitzen aus den Tiefen des Weltalls

Vor Kurzem entdeckten Astronomen 15 Energieausbrüche, die aus einer rätselhaften Quelle in drei Milliarden Lichtjahren Entfernung kommen.

Von Nadia Drake
Veröffentlicht am 9. Nov. 2017, 03:41 MEZ
Ein geparkter Bus vermittelt einen Eindruck von der Größe des Green Bank Telescope, dem hochempfindlichen Radioteleskop eines Observatoriums in West Virginia, USA.
Foto von Nrao, Aui, Reuters

Etwas hat neues Leben in ein weit entferntes kosmisches Mysterium gehaucht und dafür gesorgt, dass zum wiederholten Male riesige Energiemengen ins All geschleudert wurden.

Noch weiß niemand so genau, von welchem Objekt sie ausgehen, aber Wissenschaftler bezeichnen das Phänomen als Fast Radio Burst (FRB) oder Schnellen Radioblitz: ein kurzer, aber extrem starker Ausbruch von Radiostrahlung. Im aktuellen Fall entdeckten Astronomen eine schnelle Abfolge von Radioblitzen aus einer etwa drei Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie.

Die Wissenschaftler des SETI-Forschungsprojekts Breakthrough Listen machten die Entdeckung, weil sie glücklicherweise ziemlich genau wussten, wo sie danach suchen mussten. Das Team hatte das Green Bank Telescope im US-Bundesstaat West Virginia auf einen Ort am Himmel ausgerichtet, an dem ein Schneller Radioblitz namens FRB 121102 entdeckt worden war.

Von den etwa zwei Dutzend Radioblitzen, die bisher entdeckt wurden, ist FRB 121102 der einzige, der sich wiederholt. Daher ist er auch der einzige Blitz, dessen Heimatgalaxie bekannt ist. Sie wurde Ende 2016 identifiziert, nachdem Wissenschaftler mehrere Teleskope genutzt hatten, um den Ursprungsort des Blitzes ausfindig zu machen.

Nach dieser Entdeckung verstummte FRB 121102 in diesem Jahr für eine Weile. Obwohl das Phänomen schon zuvor Perioden der Stille und Aktivität aufgewiesen hatte, beunruhigte sein Schweigen die Forscher diesmal.

„Wir hatten befürchtet, dass unsere Gelegenheit, es zu untersuchen, verstrichen sei“, sagt Casey Law von der Universität von Kalifornien in Berkeley. „Die neue Entdeckung lässt vermuten, dass FRB 121102 wieder aktiv wird, und es wird einfacher sein zu untersuchen, was diese starken Ausbrüche erzeugt, und wie.“

RADIO GAGA

Die Radioblitze wurden erstmals 2007 als solche identifiziert und sind im Wesentlichen noch immer rätselhaft. Die Wissenschaftler wissen nicht, woraus sich ihre Energie speist – aber sie wissen, dass die Ausbrüche ihren Ursprung in großer Entfernung haben und mitunter aus Bereichen mit extrem starken Magnetfeldern stammen.

Die Aufgabe des Teams von Breakthrough Listen ist es, nach Anzeichen intelligenter Radiotransmissionen zu suchen. Es untersuchte FRB 121102, um das technische Equipment für diese Suche zu testen. Man wollte außerdem verstehen, wie diese kurzen, pulsierenden Signale modifiziert werden, wenn sie durch interstellares Plasma und andere intergalaktische Stoffe reisen.

BELIEBT

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    Schließlich gehört diese Art von Signalen zu jenen Aussendungen, die das Team von außerirdischen Zivilisationen erwarten würde, sagt Andrew Siemion, der Direktor des SETI-Forschungszentrums in Berkeley.

    Für eine Weile schien FRB 121102 aber die Puste ausgegangen zu sein. Als das Breakthough-Team am 26. August jedoch einen Blick in seine Richtung warf, entdeckte es 15 Blitze innerhalb einer Stunde – die meisten, die FRB121102 seit dem letzten Jahr um diese Zeit erzeugt hatte. Sie beobachteten auch die bisher höchste Frequenz der Blitze, was vermuten lässt, dass es bei ihrer Aussendung eine starke Variabilität gibt.

    Niemand weiß, warum FRB121102 nun wieder aktiv ist oder ob diese neue Reihe an Ausbrüchen einen Hinweis auf die astrophysikalische Maschine birgt, die dieses Phänomen auslöst. Manche Wissenschaftler vermuten, dass es weniger mit der Quelle der Blitze zu tun hat und mehr mit diversen kosmischen „Linsen“, die die Blitze periodisch verstärken.

    Von FRB 121102 „haben wir zuvor schon ‚Blitzstürme‘ erlebt, darunter auch vom letzten August bis September, als das [Interferometer] Very Large Array nichts, nichts und nichts fand und dann – wumm! – tauchten sie plötzlich bei jeder Sitzung auf“ sagt Shami Chatterjee von der Cornell Universität.

    „Die Übereinstimmung des Monats hat ebenfalls für Verwunderung gesorgt“, sagt er. „Haben wir eine größere Wahrscheinlichkeit, die Blitze während bestimmter Jahreszeiten zu sehen, wenn die Linsengeometrie gerade richtig ausgerichtet ist? Das ist bisher noch ganz wilde Spekulation – die Leute entschuldigen sich sogar, wenn sie das vorschlagen –, aber wer weiß?“

    Sogar noch wildere Spekulationen gibt es um die Quelle dieser Schnellen Radioblitze, die sich bisher noch nicht offenbart hat. Zu den frühen Theorien zählten Primordiale Schwarze Löcher, kollidierende Neutronensterne und sogar extraterrestrische Zivilisationen, obwohl Aliens generell keine ernstzunehmende Erklärung sind.

    „Wir stimmen mit der Mehrheit der astronomischen Gemeinde überein, dass die Wahrscheinlichkeit sehr gering ist, dass E.T. etwas mit der Quelle [der Blitze] zu tun hat. Trotzdem ist die Quelle sehr mysteriös“, sagt Siemion. „Wir wissen zweifelsfrei, dass im Universum technologisch leistungsfähiges Leben entstehen kann. Wir wären als Wissenschaftler nachlässig, wenn wir diese Möglichkeit von vornherein ausschließen würden.“

    Seriöse Untersuchungen konzentrieren sich aktuell allerdings auf Magnetare, die besonders dichten Überreste massereicher Sterne, die ein extrem starkes Magnetfeld haben. Diese rotierenden Neutronensterne schleudern gigantische Mengen Strahlung ins Weltall. Ob diese Strahlungsausbrüche aber etwas mit dem Schwall an Radioblitzen zu tun haben, ist ungeklärt.

    Laut Law ist es auch möglich, dass FRB 121102 dermaßen aktiv ist, dass er die gesamte magnetische Energie eines Magnetars aufgebraucht hat. „Da werden gewaltige Mengen Energie ausgestrahlt.“

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