Unternehmen stellt Kraftstoff mit CO2 aus der Luft her

Ein kanadisches Unternehmen stellt CO2-neutralen Flüssigkraftstoff her und hofft auf das Interesse der Wirtschaft.

Von Stephen Leahy
Veröffentlicht am 12. Juni 2018, 16:55 MESZ
Dieser Kraftstoff wurde aus Wasserstoff und CO2 hergestellt, der der Luft entzogen wurde. Seine Hersteller hoffen, ...
Dieser Kraftstoff wurde aus Wasserstoff und CO2 hergestellt, der der Luft entzogen wurde. Seine Hersteller hoffen, dass er zum Kampf gegen den Klimawandel beitragen kann.
Foto von Carbon Engineering

Man stelle sich vor, man könnte an der Tankstelle zwischen Super, Super Plus und CO2-neutralem Kraftstoff auswählen.

Das kanadische Unternehmen Carbon Engineering stellt bereits solch einen flüssigen Treibstoff her, indem es Kohlendioxid aus der Atmosphäre zieht und mit Wasserstoff kombiniert. Das stellt gleich an zwei Fronten einen Durchbruch im Bereich der Ingenieurskunst dar: Zum einen gibt es nun einen kosteneffektiven Weg, um der Atmosphäre CO2 zu entziehen und den Klimawandel zu bekämpfen. Zum anderen gibt es eine potenziell wettbewerbsfähige Möglichkeit, um Kraftstoff für Fahr- und Flugzeuge herzustellen, der die Atmosphäre nicht zusätzlich mit CO2 anreichert.

„Das wird die Welt nicht vor den Folgen des Klimawandels bewahren, aber es ist ein großer Schritt auf dem Weg zu einer CO2-armen Wirtschaft“, sagte David Keith, ein Harvard-Professor für Angewandte Physik und der Gründer von Carbon Engineering. Keith zufolge waren für die Gewinnung von Kohlenstoff aus der Luft und dessen Umwandlung in Treibstoff nicht so sehr wissenschaftliche Durchbrüche nötig, sondern eher 30 Millionen Dollar, acht Jahre Ingenieursarbeit und eine „Million kleiner Details“.

Das beinhaltete auch, die Kosten pro aus der Atmosphäre gewonnener Tonne CO2 bei unter 100 Dollar zu halten. Das Pilotprojekt läuft seit 2015 im kanadischen Squamish in British Columbia und wurde vor Kurzem im Fachmagazin „Joule“ vorgestellt. Das Unternehmen nutzte bestehende Industrieprozesse, um den Produktionsmaßstab zu vergrößern und die Kosten zu senken.

„Unsere Abhandlung zeigt die Kosten und die technische Planung für eine Großfabrik auf, die pro Jahr eine Million Tonnen CO2 gewinnen könnte“, sagte Keith.

Bisher hatte man die Kosten für die CO2-Gewinnung aus der Luft – auch als Direct Air Capture bezeichnet – auf mindestens 600 Dollar pro Tonne geschätzt. Das wäre deutlich zu viel gewesen, um CO2 in großen Mengen aus der Atmosphäre zu gewinnen. Jedes Jahr werden weltweit genug fossile Brennstoffe verbraucht, um die Atmosphäre mit fast vier Milliarden Tonnen CO2 anzureichern. Um die globale Erwärmung auf 2° C zu beschränken (das internationale Ziel zur Vermeidung der schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels), werden vermutlich „negative Emissionen“ nötig sein – also Möglichkeiten, um große Mengen CO2 aus der Atmosphäre zu ziehen und dauerhaft einzulagern. Zu diesem Schluss gelangte das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC).

Dennoch: Selbst mit Kosten von 100 Dollar pro Tonne gibt es aktuell nicht viele CO2-Käufer. Also beschloss das Unternehmen, einfach selbst CO2-neutralen Kraftstoff herzustellen, sagte Steve Oldham, der Firmenchef von Carbon Engineering. Das gewonnene Kohlendioxid wird mit Wasserstoff kombiniert, der durch die Elektrolyse von Wasser gewonnen wird. Für diesen Prozess ist eine Menge Energie nötig, die die Pilotfabrik in Squamish durch Wasserkraft gewinnt. Der synthetische Kraftstoff, der so entsteht, kann entweder gemischt oder pur verwendet werden. Wenn er verbrannt wird, gibt er dieselbe Menge CO2 in die Atmosphäre ab, die für seine Herstellung benötigt wurde, und ist damit effektiv CO2-neutral.

„Aktuell kostet er mehr als ein Barrel Öl, aber an Orten, wo eine Tonne CO2 200 Dollar kostet, zum Beispiel in Kalifornien durch den Low Carbon Fuel Standard, sind wir wettbewerbsfähig“,  sagte Oldham in einem Interview.

BELIEBT

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    Die Anlagen einer Testfabrik von Carbon Engineering in British Columbia entziehen der Luft CO2.
    Foto von Carbon Engineering

    Ein CO2-Preis oder Kohlenstoffpreis ist ein Preis, den Industrien für ihre CO2-Emissionen zahlen müssen. In British Columbia liegt er bei 35 kanadischen Dollar pro Tonne. 2022 soll der CO2-Preis in ganz Kanada auf 50 kanadische Dollar (knapp 33 Euro) ansteigen. 

    „Ich finde das Projekt spannend. Die Zahlen in ‚Joule‘ sehen gut aus“, sagte Klaus Lackner von Center for Negative Carbon Emissions der Arizona State University. Lackner hat in den Neunzigern Pionierarbeit für das Konzept der Direct Air Capture geleistet. Carbon Engineering hat bewiesen, dass es möglich und kosteneffektiv ist. Das sei ein sehr wichtiger Schritt für die Industrie, wie er in einem Interview verlauten ließ.

    Der nächste Schritt würde darin bestehen, ein paar Großfabriken zu bauen, die Hunderttausende Barrel von CO2-neutralem Kraftstoff produzieren können, um die Kosten noch weiter zu senken. Wenn die Preise fallen, könnten sich zunehmend mehr Regierungen mit dem Gedanken anfreunden, CO2 aus der Luft zu gewinnen.

    „Wir werden einen Billionen Dollar schwere Industrie benötigen, um [die Erwärmung auf unter 2 °C zu beschränken]. Das klingt erst mal nach viel, aber der Luftfahrtsektor ist schon heute größer“, sagte Lackner.

    Carbon Engineering baut bereits eine größere Fabrikanlage, die mit kostengünstiger erneuerbarer Energie laufen und pro Tag 200 Barrel an Kraftstoff produzieren wird. Sie sollte Keith zufolge 2020 in Betrieb genommen werden können. Außerdem versucht das Unternehmen, seine Technologie lizenzieren zu lassen.

    „Wir glauben, dass sie gut skalierbar ist und es weltweit Märkte dafür geben wird“, sagte Oldham. „Alles, was man braucht, sind Luft und Wasser als Ausgangsmaterialien und ein bisschen Strom.“ Und eine Lizenz für ihre Technologie.

     

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