Bernstein enthält ältestes Froschfossil der Welt

Das Fossil war so erstaunlich gut erhalten, dass es sogar als neue Art bestimmt werden konnte.

Von John Pickrell
Veröffentlicht am 6. Juli 2018, 19:03 MESZ
Dieser Bernstein aus Myanmar enthält einen winzigen Frosch, der zu Zeiten der Dinosaurier lebte.
Dieser Bernstein aus Myanmar enthält einen winzigen Frosch, der zu Zeiten der Dinosaurier lebte.
Foto von Chen Hai-ying

Mehr als ein Drittel der über 7.000 weltweiten Frosch- und Krötenarten lebt in den Regenwäldern unserer Welt. Für diese feucht-tropischen Bereiche fiel der Fossilbericht bisher jedoch eher spärlich aus, sodass Paläontologen kaum Hinweise auf die frühe Evolutionsgeschichte der Amphibien haben.

Ein Bernsteinstück aus der Kreidezeit hat nun aber vier winzige Tropenfrösche ins Licht der Aufmerksamkeit gerückt. Die Tiere lebten zu Zeiten der Dinosaurier und sind damit offiziell die ältesten bekannten Froschfossilien der Welt. Zu den Überresten zählt auch das Skelett eines alten Frosches, das so vollständig erhalten ist, dass er als neue Art beschrieben werden konnte: Electrorana limoae.

„Es war aufregend, diese kleinen Fossilien gegen das Licht zu halten und die Frösche darin zu entdecken“, sagt David Blackburn. Der Paläontologe arbeitet am Florida Museum of Natural History in Gainesville, USA. „Wir haben nur wenige kleine und intakte Froschfossilien, und besonders das Electrorana-Exemplar ist ein seltener Fund.“

Zu Lebzeiten wären diese winzigen Frösche nicht mal 2,5 Zentimeter groß gewesen, wie man in der entsprechenden Studie nachlesen kann, die die Fossilien beschreibt und in „Scientific Reports“ erschien. Das Forscherteam stand unter der Leitung von Lida Xing, einem National Geographic Explorer und Wissenschaftler der Chinesischen Universität für Geowissenschaften in Peking.

„Echsen und Frösche in Bernstein sind zwar nicht völlig beispiellos, aber so alte Exemplare sind außergewöhnlich“, sagt Marc Jones, ein Experte für Froschfossilien am Natural History Museum in London. „Der Fossilbericht für Frösche ist nach wie vor unausgewogen und lückenhaft. Aber gelegentliche Schätze wie dieser verdeutlichen uns, was uns noch fehlt.“

WUNDERSAME SCHENKUNG

Der 99 Millionen Jahre alte Frosch stammt aus denselben Bernsteinvorkommen Myanmars wie viele andere außergewöhnliche Fossilien. Unter den besonderen Funden befinden sich ein Dinosaurierschwanz, ein paar Küken, gut erhaltene Flügel und zahllose Insekten. Bambusstücke, Stummelfüßer und Wasserspinnen, die ebenfalls in Bernstein aus der Kreidezeit eingeschlossen wurden, lassen vermuten, dass die Landschaft damals einem Regenwald glich. Ähnliche Arten leben auch heute in unseren feuchten Tropenwäldern.

Das Dexu Institute of Paleontology in Chaozhou erhielt die die Frösche durch eine Schenkung privater chinesischer Fossilsammler. Drei der Fossilien befanden sich Xing zufolge schon seit Jahren im Besitz des Instituts. Allerdings enthielten sie nur die Vordergliedmaßen von Fröschen sowie den Abdruck eines kopflosen Körpers. Erst durch die „Wunderschenkung“ eines größeren und vollständigeren Exemplars im Jahr 2010 wurde die aktuelle Forschung möglich gemacht.

„Er hatte sich schon leicht zersetzt, aber man konnte mit bloßem Auge die sehr gut erhaltene Skelettstruktur erkennen“, sagt Xing.

CT-Scans offenbarten noch viel mehr Details über den dreidimensionalen Aufbau und die Anatomie des Fossils. Unter anderem entdeckte man Hinweise darauf, dass Electrorana den heutigen Fröschen auf vielerlei Arten glich. Das Urtier scheint einer der ältesten Abstammungslinien heute lebender Froschlurche wie Unken und Geburtshelferkröten anzugehören.

„Es ist zwar nicht viel vom Weichgewebe von Electrorana erhalten, wie das bei einigen großartigen Eidechsenfunden aus denselben Vorkommen der Fall ist. Aber sein gut erhaltenes Skelett stellt eines der ältesten Zeugnisse eines Frosches aus einem tropischen Wald dar, der auch für moderne Frösche ein sehr wichtiger Lebensraum ist“, sagt Michael Pittmann, ein Paläontologe der Universität Hongkong.

KÄFER INKLUSIVE

Im Hinblick auf die Qualität und Vielfalt der Fossilien in diesen Bernsteinvorkommen könnte sich in Zukunft die Gelegenheit ergeben, die Ernährungsweise dieser Frösche zu untersuchen, fügt er hinzu. Auch daran könnte man dann erkennen, inwiefern sie sich von heutigen Fröschen unterschieden.

Spannenderweise enthält der Bernstein mit dem Electrorana-Exemplar auch einen Käfer. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass das Insekt auf dem Speiseplan des urzeitlichen Amphibiums stand.

Der vollständigere Frosch war ein Jungtier, dessen weiche Knochen nicht vollständig versteinert sind. Den Wissenschaftlern fehlen also viele Details des Skeletts, die Aufschluss über diverse Verhaltensweisen und Ökologie gegeben hätten – beispielsweise das Hüftgelenk, das seine Hüpfbewegungen bestimmt hätte, und die Knochen des Innenohrs.

Aber Blackburn, der an der Studie mitgeschrieben hat, hofft, dass bei künftigen Fossilfunden noch besser erhaltene Exemplare ans Tageslicht kommen. Dann könnten sich Forscher auch mit komplexeren Fragen über die Lebensweise und Evolution alter Frösche befassen.

„Ich kann nur hoffen, dass uns noch mehr spektakuläre Fossilfunde bevorstehen“, sagt er. „In den heutigen Tropenwäldern gibt es eine große Vielfalt von Froscharten. In dem kreidezeitlichen Bernstein aus Myanmar könnten also durchaus noch viel mehr Arten auf ihre Entdeckung warten.“

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