Ran ans schwere Gerät

Mit ihrer Mädchen-Ingenieur-Akademie will die Stiftung Niedersachsenmetall für technische Berufe begeistern.

Von Ines Bellinger
Veröffentlicht am 23. Nov. 2018, 12:37 MEZ
Die Mädchen des Herrmann-Billung-Gymnasiums in Celle beim Aushub ihres neuen Schulteichs.
Die Mädchen des Herrmann-Billung-Gymnasiums in Celle beim Aushub ihres neuen Schulteichs.
Foto von Susanne Harms

Elf Mädchen, 20 Tonnen Sand, 240 Quadratmeter Fläche, ein Bagger. Was könnte daraus werden? Über hundert Arbeitsstunden später steht fest: der neue Schulteich am Herrmann-Billung-Gymnasium in Celle. Er hat nicht nur sauberes Wasser bekommen. Auf seinen terrassenförmig angelegten Stufen wachsen Rohrkolben, Fieberklee und Brunnenkresse, in seiner Mitte sprudelt ein Springbrunnen, und am Ufer laden ein Bachlauf und eine Bank zum Verweilen ein.

Für die Renaturierung des Teiches
 haben Isabella Ohlms, Leoni Schulte, 
Alina Eddelbüttel und ihr Team geschaufelt und geschweißt, recherchiert
 und programmiert, gelitten und gejubelt. Jeden Dienstagnachmittag, elf
 Monate lang. So ist aus dem 30 Jahre 
alten, zugewucherten Tümpel ein Schmuckstück geworden. Am 18. Dezember steigt die Abschlussfeier. Es 
wird etwas Gutes zu essen geben und
 Zertifikate für die Neunt- und Zehntklässlerinnen. Und: Zwei der Mädchen werden im Partnerbetrieb ein Praktikum machen. „Dort haben wir schon mal einen Fuß in der Tür“, sagt Alina stolz.

Stolz auf „ihre“ toughen Mädchen ist auch Susanne Harms, die Bildungsreferentin bei der Stiftung Niedersachsenmetall. Die Stiftung hat die Mädchen-Ingenieur-Akademie (MIA) ins Leben gerufen, um Nachwuchs für technische Berufe zu gewinnen. In Gifhorn hat sie mit Schülerinnen bereits ein Gewächshaus gebaut. „Die Betriebe haben ein hohes Interesse an Mädchen“, sagt sie. „Jungs bringen zwar häufig ein größeres technisches Vorwissen mit, aber Mädchen sind fleißiger, sorgen für eine andere Atmosphäre in den Ausbildungsklassen und schließen auch häufiger ein Studium an.“

Als Partner für den Schulteich in Celle hat Harms die Agentur für Arbeit gewonnen, die das Projekt zur Hälfte finanziert. An der berufsbildenden Axel-Bruns-Schule haben die Mädchen schweißen gelernt. Bei Baker Hughes, einer Erdöl-Service-Gesellschaft, haben sie die Pumpe programmiert und die Schale für ihren Springbrunnen mit einem 3-D-Drucker gefertigt. Am schwierigsten, und das sagen alle, die riesige Folie auszubreiten, als der Teich ausgeformt war, und sie erst mal dorthin zu bringen. Nachdem die Mädchen drei 80-Quadratmeterstücke auf dem Schulhof zusammengeschweißt und aufgerollt hatten, schwang sich Leoni kurzerhand auf den Radlader und bugsierte den dicken Ballen zur ausgehobenen Teichgrube.

Was die MIA-Mädchen treiben, bleibt den Jungs an den Schulen natürlich nicht verborgen. „Ich hatte schon Anrufe von Schülern, die sich ausgegrenzt fühlen“, sagt Harms. „Aber unsere Stiftung macht ja auch Angebote für Jungs.“ Die Mädchen in Celle haben ihre Mitschüler nicht vermisst. „Wenn Jungs dabei gewesen wären, hätten die die coolen Sachen machen wollen, und wir wären für die Deko zuständig gewesen“, sagt Alina. „So können wir sagen: Wir haben das geschafft!“ Für die Lehrerin Victoria Lux, die die Mädchen in den Projektstunden betreut, ist es eine Freude zu sehen, wie selbstbewusst die Schülerinnen Entscheidungen treffen und wie sie lernen, mit Rückschlägen umzugehen – etwa als sie feststellten, dass die Teichstufen zu hoch gebaut wurden. Gewonnen haben bei dem Projekt alle, findet sie. „Die Mädchen haben eine extreme Individualförderung genossen“, sagt sie. „Und die Schule hat auch etwas von dem schönen neuen Teich.“

Wer weiß schon, welche Berufe Isabella, Leoni, und Alina einmal ergreifen werden. Mit 15, 16 Jahren wüssten erst zehn Prozent der Schüler, was sie einmal werden wollen, sagt Harms. Eine Gewissheit hat der Teichbau aber bereits gebracht: Mit Dekorieren lassen sich die Mädchen nicht mehr abspeisen.

Dieser Artikel stammt aus Heft 12/2018 des National Geographic-Magazins. Jetzt ein Abo abschließen!

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