Astronomen entdecken größten bekannten Gesteinsplaneten

Mit der 40-fachen Masse der Erde ist der Planet ein Gigant in brennender Sonnennähe. Aber er passt in keine bekannte Kategorie.

Von Nadia Drake
Veröffentlicht am 3. Juli 2020, 17:18 MESZ
Planet TOI-849b

Der Planet TOI-849b ist fast so breit wie der Neptun. Er ist jedoch kein Gasriese, sondern ein unglaublich dichter Gesteinsplanet, der in einer kurzen Umlaufbahn um seinen Stern kreist.

Foto von Mark Garlick, University of Warwick (Illustration)

In etwa 730 Lichtjahren Entfernung, nicht weit von unserer Galaxie, umkreist ein bizarrer Planet einen sonnenähnlichen Stern. Er ist groß, sehr dicht, eng an seinen Heimatstern gebunden und unterscheidet sich von allem, was Astronomen bisher gesehen haben – sowohl in unserem eigenen Sonnensystem als auch im restlichen Weltall.

Die heiße Welt mit der Bezeichnung TOI-849b ist der massereichste Gesteinsplanet, der je entdeckt wurde: Er besitzt ungefähr die 40-fache Masse unserer Erde. Das Besondere: Die enorme Masse von TOI-849b legt eigentlich nahe, dass es sich um eine riesige gasförmige Welt wie den Jupiter handeln müsste. Aber der Planet hat fast keine Atmosphäre. Wie kann so eine Welt überhaupt entstehen? Bei der Suche nach einer Antwort müssen Forscher einiges hinterfragen, was sie über die Entstehung von Planeten zu wissen glauben.

„Es ist sehr schwierig, einen so massereichen und dichten Planeten wie TOI-849b zu schaffen, ohne dass er zu einem Gasriesen wird“, schrieb David Armstrong in einer E-Mail. Der Exoplanetenforscher an der University of Warwick ist der Hauptautor einer Studie über den Planeten, die in „Nature“ erschien. „Etwas in diesem Standardprozess ging schief.“ Armstrong und seine Kollegen glauben, dass die Welt der freiliegende, luftlose Kern eines riesigen Planeten ist, der einmal größer als der Jupiter hätte werden sollen.

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„Solche Objekte sind es, die die Theorie weiter voranbringen und die Gebiete der Exoplaneten- und Planetenforschung so spannend machen“, schrieb der Co-Autor Ravit Helled von der Universität Zürich in einer E-Mail.

„Der ist zweifellos merkwürdig“, findet auch Jonathan Fortney, der Direktor des Other Worlds Laboratory an der University of California in Santa Cruz. Er selbst war an den Beobachtungen nicht beteiligt. „Aber ich bin mir nicht sicher, was das bedeutet.“

In den letzten zehn Jahren haben Planetenjäger Tausende von weit entfernten Welten in der Galaxie entdeckt. Die meisten davon sind der Erde ausgesprochen unähnlich und fallen in Kategorien wie „Hot Jupiter“ – große, Gasplaneten auf engen Umlaufbahnen um ihren Stern – oder „Supererden“, also Gesteinsplaneten, die größer als unsere Erde, aber kleiner als der Neptun sind. TOI-849b entzieht sich einer Klassifizierung allerdings.

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    Der Planet wurde vom NASA-Weltraumteleskop TESS (Transiting Exoplanet Survey Satellite) entdeckt, das 200.000 der nächstgelegenen, hellsten Sterne sucht. Das Objekt verriet seine Anwesenheit, als es vor dem Antlitz seines Sterns vorbeizog und dabei kurzzeitig einen kleinen Teil des Sternenlichts verdeckte. Diese flüchtigen, schattenhaften Transite verrieten, dass die außerirdische Welt ihren Stern alle 18 Stunden umkreist, was bedeutet, dass seine Oberflächentemperatur schwindelerregende 1.500 °C beträgt.

    Die Beobachtungen von TESS zeigten auch, dass der Planet etwa 3,4 Mal so breit ist wie die Erde. Das macht ihn zu einer ungewöhnlich großen Welt für eine so sternennahe Position. Bisher haben Astronomen vor allem Hot Jupiters oder viel kleinere Supererden auf solch engen Bahnen beobachtet. Und in der sogenannten Neptunwüste – der heiße, strahlungsintensive Bereich in unmittelbarer Sternennähe – wurden derartige Objekte generell noch nie entdeckt.

    „Es gibt dort wirklich keine Planeten mit so einer Masse“, sagt Fortney. TOI-849b hat den richtigen Radius, um als Hot Neptune zu gelten. Aber seine Masse ist zwei- bis dreimal so groß.

    Mit dem HARPS-Instrument am La-Silla-Observatorium in Chile konnte das Gravitationsschwanken des Zentralsterns von TOI-849b beobachtet werden. Daraus ergab sich, dass der Planet zwar ungefähr so breit wie unser Neptun, aber mindestens doppelt so massereich ist. Dementsprechend muss der Plant eine enorm hohe Dichte aufweisen. Er verfügt möglicherweise über eine dünne Atmosphärenschicht, die wahrscheinlich aus Wasserstoff und Helium besteht. Aber er hat definitiv nicht annähernd so viel Gas, wie eine Welt von solcher Masse halten sollte.

    „Wir glauben, dass er eine Mischung aus Metallen, Silikaten, Wasser und möglicherweise eine (sehr) kleine Atmosphäre enthält“, so Helled.

    Überbleibsel aus ferner Vergangenheit?

    Die seltsamen Eigenschaften des Planeten lassen Armstrong und seine Kollegen vermuten, dass die geheimnisvolle Welt wahrscheinlich der Kern eines Gasriesen ist. Ausgehend von seiner heutigen Masse hätte der Planet massereicher werden müssen als der Jupiter. Die Gasriesen in unserem Sonnensystem haben wahrscheinlich dichte Kerne aus Gestein und exotischen Materialien, auch wenn keiner der beiden Kerne auch nur annähernd so massiv wie TOI-849b sein dürfte.

    „Unsere besten Schätzungen über die Masse von diesem Teil des Jupiterkerns sind überraschend unsicher“, sagt Armstrong. „Aber einige neuere Arbeiten legen eine Obergrenze von etwa 25 Erdmassen nahe. TOI-849b ist sogar noch massereicher.“

    Nach aktuellen Theorien zur Planetenbildung wachsen Welten aus kleinen Eis- oder Gesteinsbrocken in den Akkretionsscheiben aus Gas und Staub, die neugeborene Sterne umgeben. Einige Planeten, zum Beispiel die Erde, begnügen sich mit einer kleinen Menge an Material. Andere wie Jupiter und Saturn ziehen große Mengen Gase an und blähen sich zu gewaltigen Welten mit enormen Atmosphären auf.

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    Sobald ein Planet auf etwa zehn Erdmassen angewachsen ist, so Armstrong, beginnt ein Prozess, der als „Runaway Gas Accretion“ bezeichnet wird. Die Schwerkraft des Planeten zieht dann rasch Wasserstoff und Helium aus der Umgebung an. Ein Planetenkern mit 40 Erdmassen sollte aller Wahrscheinlichkeit nach eine absolut gewaltige Menge an Gas akkumulieren – aber so sieht TOI-849b heute nicht aus.

    „Wir können bereits sagen, dass Planeten wie TOI-849b selten sind. Aber es gibt sie – und jetzt müssen wir herausfinden, wie und warum“, sagt Helled.

    Eine Möglichkeit besteht darin, dass TOI-849b eine Bahn in der Akkretionsscheibe um seinen Stern ausräumte. Danach ging ihm das Material aus und sein Wachstum kam zum Stillstand. Eine andere Möglichkeit ist, dass TOI-849b nur noch der Kern eines ehemals riesigen Planeten ist, der irgendwie seine Atmosphäre verloren hat, vielleicht wegen seiner Nähe zum Stern. In dem Fall können sich Forscher allerdings nicht erklären, wie der Planet innerhalb einiger Milliarden Jahre mehrere hundert Erdmassen an Gas verloren haben kann.

    Ein drittes Szenario könnte sein, dass katastrophale Zusammenstöße in der frühen Phase des Planeten – Kollisionen mit anderen, ähnlich großen Gesteinsbrocken – sowohl den felsigen Planetenkern vergrößerten als auch seine Atmosphäre zerstörten.

    „Der wichtigste Hinweis ist, dass TOI-849b in der Neptunwüste liegt, was auf eine seltene Entstehungsgeschichte hindeutet“, sagt Armstrong. „Für mich ist das ein Hinweis auf einen der ungewöhnlicheren Pfade.“

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

     

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