Künstliche Intelligenz verändert die Suche nach Leben im All

Mithilfe von KI gewinnen Astronomen ein klareres Bild des Himmels und entdecken neue Hinweise auf außerirdisches Leben. Gleichzeitig eröffnet die Technologie völlig neue Perspektiven auf bislang verborgene Geheimnisse des Universums.

Von Rebecca Boyle
Veröffentlicht am 18. Dez. 2024, 09:29 MEZ
Aufnahme der Milchstraße

Astronomen auf der Suche nach außerirdischem Leben gewinnen ein umfassenderes Bild des Himmels. Daneben öffnet sich auch der Blick auf bisher vielleicht übersehene Aspekte.

Foto von ChiemSeherin / Pixabay.com

Hamed Valizadegan trainierte als NASA-Informatiker früher einen Algorithmus, der Aufnahmen der Blutgefäße in der Netzhaut von Astronauten analysierte. Sehminderungen, die in der Schwerelosigkeit auftreten, sollten genauer erforscht werden. Eine wichtige Arbeit. Doch Valizadegan, der seine kindliche Liebe zum Nachthimmel nie verloren hat, mochte seinen Wunsch, die Sterne zu studieren, darüber nicht aufgeben.

Seine Kollegen aus der Weltraumforschung sträubten sich anfangs dagegen, Künstliche Intelligenz für die Erforschung des Kosmos zu nutzen – vielleicht, weil die Arbeitsweise generativer Algorithmen nicht unbedingt nachvollziehbar ist. Hoch entwickelte Systeme, auch BlackBox-KI genannt, sind dem menschlichen Gehirn nachempfunden. Einzelne künstliche „Neuronen“ stellen Berechnungen an und geben dann Informationen an andere Netzwerkknoten weiter. Die daraus resultierenden Systeme sind derart komplex, dass ihre inneren Abläufe nicht mehr nachvollziehbar sind.

Mit Künstlicher Intelligenz auf der Suche nach erdähnlichen Planeten

Dann geriet die moderne Astronomie an einen Kapazitätsengpass: Weltraum- und erdgestützte Teleskope sammeln so viele Informationen, dass Menschen nicht mehr in der Lage sind, sie – wenn überhaupt – zeitnah zu bearbeiten. Geplante neue Observatorien würden die Forschung mit noch mehr Beobachtungen überschwemmen, etwa das Vera-C.-Rubin-Observatorium in Chile.

2014 erhielt Valizadegan eine Einladung des Astronomen Jon Jenkins, sich einer verstärkt KI-gestützten Suche nach einem erdähnlichen Planeten in unserer Galaxie anzuschließen. Es war das Projekt, auf das Valizadegan gehofft hatte. Die Wissenschaftler suchen nach etwas Vertrautem: einem Gesteinsplaneten mit fester Oberfläche, stabiler Atmosphäre und flüssigem Wasser, der einen Stern umkreist.

Einen ersten Exoplaneten – einen Planeten, der einen anderen Stern als unsere Sonne umkreist – entdeckten Astronomen 1995. In den 2010er-Jahren beobachtete das Kepler-Weltraumteleskop 150000 Sterne in einem kleinen Himmelsabschnitt und drehte sich gelegentlich, um einen neuen Bereich des Weltraums zu durchsuchen. Seit 2018 erfasst Keplers Nachfolger TESS (Transiting Exoplanet Survey Satellite) einen deutlich größeren Teil des Himmels und konzentriert sich dabei auf etwa 200000 Sterne, die näher an der Erde liegen.

Indirekte Beweise für ferne Welten

Doch selbst mit diesen weltraumgestützten Observatorien ist es schwierig zu ermitteln, ob ein Planet einen anderen Stern umkreist. Die Teleskope können den Planeten selbst nicht abbilden. Vielmehr bestätigen sie seine Existenz indirekt. Dazu messen sie kaum merkliche Helligkeitsschwankungen eines Sterns, die auf einen vorbeiziehenden Himmelskörper verweisen könnten.

Heute kennt man mindestens 5600 Planeten, die ferne Milchstraßensterne umkreisen. Die meisten sind Welten aus Gas, Gestein oder beidem, größenmäßig oft zwischen Erde und Neptun. Keiner von ihnen ähnelt unserer Heimat. Keiner verfügt über die Bedingungen oder die chemischen Verbindungen, die es für Leben braucht, wie wir es kennen.

Kepler-Planeten: Extremwelten ohne Hoffnung auf Leben

Keiner der 370 neuen Planeten gleicht der Erde oder einem anderen Planeten unseres Sonnensystems. Einer, Kepler-495 c, ist etwa doppelt so groß wie die Erde und rast binnen sechs Tagen um seinen sonnenähnlichen Stern. Ein anderer, Kepler-27 d, ist fast so groß wie Neptun, also etwa achtmal so groß wie die Erde, und hat ein Sechseinhalb-Tage-Jahr. Aufgrund der immensen Hitze und Strahlung ihrer Sterne sind diese Planeten aller Wahrscheinlichkeit nach unbewohnbar.

Eine neue Generation von Teleskopen wird im nächsten Jahrzehnt auf Planetenjagd gehen und immer größere Mengen von Sternenlicht auf die Erde bringen. Künftige KI-Planetensuchprogramme, die auf ExoMiner aufbauen, befinden sich bereits in der Entwicklung. Wissenschaftler hoffen, dass KI nicht nur bei der Entdeckung neuer Welten hilft, sondern auch bei der Suche nach Bedingungen, die am ehesten Leben beherbergen könnten.

Die Österreicherin Lisa Kaltenegger, Astrophysikerin und Direktorin des Carl Sagan Institute an der Cornell University, hat sich dieser Frage verschrieben. 2020 überlegten sie und ihr Mitarbeiter Dang Pham, ob KI-Systeme so trainiert werden könnten, dass sie lebenswichtige Ressourcen wie Wasser aufspüren – etwas, das ExoMiner bisher nicht leisten kann.

„Wenn man Eis findet, kann man auf Wasser schließen“, erklärt Kaltenegger. „Findet man Wolken, kann man auf Wasser schließen.“ Gemeinsam simulierten sie und Pham mittels Messungen aus der Erdatmosphäre Exoplaneten mit felsiger Oberfläche, Wasser, Wolken und Eis.

Mit ihrem Algorithmus suchten die Wissenschaftler nach einer Signatur, die auf Leben hindeuten könnte: der sogenannten Roten Kante. Diese spezifischen Lichtwellenlängen werden von Pflanzen in den Weltraum reflektiert und könnten entscheidend sein, um Hinweise auf bewohnbare oder belebte Welten zu entdecken.

KI als Hilfsmittel: Hinweise statt Gewissheit bei der Suche nach Leben

Tatsächlich konnte ihre Software die Existenz von Leben in einer simulierten Atmosphäre in etwa drei Viertel der Fälle erkennen. Dies könnte die Suche nach einer zweiten Erde erheblich vereinfachen. „Ich dachte, das würde richtig schwierig. Aber die Algorithmen des maschinellen Lernens sind sehr gut im Mustererkennen“, sagt Kaltenegger. Am besten waren die Computerprogramme darin, charakteristische Merkmale von Blattpflanzen auszumachen; als weniger zuverlässig erwiesen sie sich bei der Suche nach Hinweisen auf Flechten, Borken oder Biofilmen. Die Algorithmen bieten keine absolute Sicherheit. Man könnte lediglich in Erwägung ziehen, dass ein gewisser Prozentsatz der Planetenoberfläche von Vegetation bedeckt ist.

Das sei nicht dasselbe wie eine Entdeckung, stellt Kaltenegger klar. Immerhin, es sei ein nützlicher Hinweis. „Es wird mit Sicherheit nicht heißen: ‚KI sagt, wir haben einen erdähnlichen Planeten gefunden‘“, sagt sie. „Aber die KI wird es auf ein Level bringen, auf dem echte Menschen draufschauen müssen.“ Wissenschaftler werden dann weitere Teleskope auf den betreffenden Planeten richten und ihn auf Biosignaturen absuchen müssen. Letztlich werden es immer reale Menschen sein, die darüber entscheiden, was eine solche Entdeckung bedeutet.

Cover National Geographic 12/24

Cover National Geographic 12/24

Foto von National Geographic

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