Die Suche nach Erde 2

Forscher orteten bisher rund 400 so genannte Exoplaneten, die außerhalb unseres Sonnensystems um einen Stern kreisen. Einige von ihnen sind so beschaffen, dass sie bewohnt sein könnten. Das unserer Erde ähnlichste Gestirn ist „Gliese 581d“.

Von Timothy Ferris

Jahrtausende haben wir gebraucht, um unseren Heimatplaneten zu erkunden, und Jahrhunderte dauerte es, einiges über unsere Nachbarplaneten zu erfahren. Doch inzwischen werden jede Woche neue Welten entdeckt. Die Astronomen haben bisher mehr als 400 sogenannte Exoplaneten nachgewiesen: Himmelskörper, die nicht um unsere Sonne, sondern um andere Sterne kreisen.

Manche sind so eigenartig, dass ihre Entdeckung nachträglich eine Bemerkung des Evolutionsbiologen John B. S. Haldane bestätigt: «Ich habe den Verdacht, das Universum ist nicht nur seltsamer, als wir vermuten, sondern seltsamer, als wir vermuten können», hatte er vor rund 80 Jahren geschrieben. Da ist zum Beispiel, 260 Lichtjahre von der Erde entfernt, ein „heißer Saturn“. Er wirbelt so schnell um seinen Mutterstern, dass ein Jahr nur drei irdische Tage dauert. Und 150 Lichtjahre von uns entfernt kreist ein „heißer Jupiter“ so dicht um seine Sonne, dass die oberen Schichten seiner Atmosphäre vom Sonnenwind weggeblasen werden und einen kometenartigen Schweif bilden. Es gibt da draußen auch einen Pulsar – den Überrest eines einst gewaltigen Sterns, kaum größer als eine Stadt, aber viel schwerer als unsere Sonne –, den drei Planeten umrunden, bis sie seiner Anziehungskraft nicht mehr widerstehen können und in ihn hineinstürzen.

Solche Exoten zu erforschen ist spannend. Aber wonach die Astronomen vor allem fahnden, sind Hinweise auf Vertrautes: Sie suchen nach Planeten, die unserer Erde ähneln und die genau im richtigen Abstand um ihr Zentralgestirn kreisen. Wenn es auf solchen Himmelskörpern nicht zu heiß und nicht zu kalt ist, könnte es auf ihnen Leben geben.

Eine zweite Erde wurde zwar bisher nicht gefunden, aber im Februar 2009 jubelten die Forscher über die Entdeckung von Corot-7b. Der Planet ist knapp doppelt so groß wie die Erde und etwa fünfmal so schwer. Seinen Namen erhielt er nach dem französischen Weltraumteleskop „Corot“, mit dem man ihn erspäht hatte. Von deutscher Seite ist an diesem Projekt maßgeblich die Astrophysikerin Heike Rauer vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin beteiligt. Corot-7b umkreist seine Sonne in 20,4 Stunden, aber da er ihr immer dieselbe Seite zukehrt, könnte es auf der Tagseite mehr als 2000 Grad heiß und auf der Nachtseite mit minus 200 Grad lebensfeindlich kalt sein.

Der Versuch, in vielen Lichtjahren Entfernung einen Planeten wie die Erde neben seinem grell leuchtenden Stern zu erkennen, gleicht der Suche nach einem Glühwürmchen im Silvesterfeuerwerk. Daher gelang es bisher erst, elf Exoplaneten zu fotografieren. Alle sind groß. Und weit von ihrem Zentralgestirn entfernt.

Die meisten der anderen wurden mit dem Doppler-Verfahren nachgewiesen. Man nutzt dabei aus, dass ein Stern durch die Anziehungskraft seiner Planeten regelmäßig etwas hin und her gezogen wird. Das Verfahren ist inzwischen so weit verfeinert, dass es die Astronomen messen können, wenn ein Stern nur um einen Meter pro Sekunde von seiner regulären Bahn abweicht. Mit diesem Effekt kann man einen großen Planeten in einer weiten oder einen kleinen in einer engen Umlaufbahn nachweisen, allerdings noch keine zweite Erde, die wie unser Planet 150 Millionen Kilometer von ihrem Stern entfernt ist.

Bei einer zweiten Methode erfasst man die minimale Helligkeitsschwankung, wenn ein Planet vor seiner Sonne vorüberwandert und bei diesem Vorbeimarsch, dem Transit, einen Teil des Lichts abschirmt. Damit gelang unter anderem der Nachweis von Corot-7b.

Noch genauer als „Corot“ misst inzwischen der US-Satellit „Kepler“. Er wurde im März 2009 ins All geschossen. „Kepler“ beobachtet ausschließlich einen kleinen Himmelsabschnitt zwischen den Sternen Deneb und Wega. Seine extrem empfindliche Kamera macht alle 30 Minuten ein Weitwinkelfoto von mehr als 100.000 Sternen. Computer auf der Erde überwachen ständig deren Helligkeit und schlagen Alarm, wenn sie eine geringfügige Verdunkelung registrieren, die möglicherweise den Vorbeizug eines Planeten anzeigt.

März 2009: Um fünf Uhr morgens startet von Cape Canaveral in Florida eine Rakete. Sie trägt die Teleskopsonde „Kepler“ ins All. „Kepler“ soll mehr als 100000 Sterne beobachten und sie nach Hinweisen für erdähnliche Planeten absuchen.
Foto von Bild: Malcolm Denemark, Florida Today

März 2009: Um fünf Uhr morgens startet von Cape Canaveral in Florida eine Rakete. Sie trägt die Teleskopsonde „Kepler“ ins All. „Kepler“ soll mehr als 100000 Sterne beobachten und sie nach Hinweisen für erdähnliche Planeten absuchen.

Kombiniert man die Beobachtungen von „Kepler“ mit Messungen des Doppler-Effekts, lassen sich auch der Durchmesser und die Masse eines solchen Planeten ermitteln. Sollte der Nachweis eines Gesteinsplaneten gelingen, der ungefähr die Größe der Erde hat und der in lebensfreundlichem Abstand um seinen Stern kreist – nicht so nahe, dass alles Wasser verdampft, aber nicht so weit entfernt, dass es dauerhaft gefriert –, könnte es sich lohnen, dort nach Anzeichen von Leben zu suchen.

Das beste Jagdrevier dürften Zwergsterne sein, die kleiner sind als unsere Sonne. Davon gibt es sehr viele, auch in unserer kosmischen Nachbarschaft. Mit einer langen Lebensgeschichte sind solche Sonnen zuverlässige Energielieferanten für Planeten in der Umgebung. Je schwächer so ein Stern leuchtet, desto näher liegt ihm seine lebensfreundliche Zone. Wie bei einem Lagerfeuer: Je kleiner es ist, umso dichter muss man ran, um sich ausreichend zu wärmen. Eine enge Umlaufbahn erhöht zudem die Wahrscheinlichkeit, den Planeten vor seiner Sonne vorbeiziehen zu sehen.

Und in der Tat: Nur 20,5 Lichtjahre von der Erde entfernt steht im Sternbild Waage der rote Zwergstern Gliese 581. Zwei seiner vier Planeten – Gliese 581c und Gliese 581d – umkreisen ihn in einem Abstand, der theoretisch die Entstehung von Leben ermöglichen würde.

Um vorhandenes Leben aber auch nachweisen zu können, braucht man noch spezieller ausgerüstete Weltraumteleskope. Sie müssten in der Lage sein, das Spektrum des Lichts erdähnlicher Planeten nach „Biosignaturen“ zu untersuchen. Hinweise auf Leben wären etwa der Nachweis von Methan, Ozon und Sauerstoff in der Atmosphäre. Ein sicheres Merkmal wäre der „rote Rand“: Er entsteht, wenn chlorophyllhaltige Pflanzen Energie über Fotosynthese gewinnen, wie bei uns auf der Erde.

Allerdings wird es eine extrem schwierige Aufgabe sein, das Licht eines solchen Planeten von dem seines Muttersterns zu unterscheiden, der zehn Milliarden Mal heller leuchtet. Es könnte gelingen, während der Planet vor seiner Sonne vorbeizieht und deren Licht seine Atmosphäre durchstrahlt. Das Spektrum ändert sich je nach Zusammensetzung der Atmosphäre – und ein speziell ausgerüstetes Weltraumteleskop könnte das analysieren.

Erfolg verspricht das allerdings nur, wenn wir nach Leben suchen, wie wir es kennen. Außerirdisches Leben könnte aber ganz anders aussehen. Wenn etwa der „rote Rand“ fehlt, muss das nicht bedeuten, dass der Exoplanet unbelebt ist. Auch auf der Erde gab es Lebensformen schon lange, ehe Pflanzen die Kontinente besiedelten. Die biologische Evolution ist völlig unvorhersehbar: Selbst wenn auf einem Zwillingsplaneten der Erde zur gleichen Zeit Leben entstanden wäre wie hier, würde es dort heute mit Sicherheit anders aussehen.

Am besten beschrieb es der Evolutionsbiologe und Nobelpreisträger Jacques Monod in seinem Bestseller „Zufall und Notwendigkeit“: Leben entwickelt sich trotz der Wirkung der überall geltenden Naturgesetze nicht zwangsläufig in einer bestimmten Weise, sondern immer auch durch Zufälle, durch unzählige, unvorhersehbare Vorkommnisse.

In der Geschichte unseres Planeten hat der Zufall oft gewirkt, es kam zu Massensterben, die Millionen biologische Arten hinwegfegten – und dadurch Raum für neue Lebensformen schufen. Das bekannteste Ereignis dieser Art ist der Einschlag eines Asteroiden vor 65 Millionen Jahren. Er rottete die Dinosaurier aus und eröffnete den Urahnen der Menschen die Möglichkeit, sich zu entfalten. Deshalb suchen die Forscher nicht nur nach Exoplaneten, die der heutigen Erde ähneln, sondern auch solche, die aussehen wie die jüngere Erde. Aber vielleicht ist die Evolution anderswo im All ja auch schon weiter? «Für die Suche nach außerirdischem Leben ist die Erde, wie sie heute ist, möglicherweise das schlechteste Vorbild», sagt Caleb Scharf, Direktor am Zentrum für Astrobiologie der Columbia-Universität in New York.

Leicht wird es jedenfalls nicht sein, Leben auf den Planeten anderer Sterne zu finden. Doch wir sind mittlerweile überzeugt, dass es da draußen Milliarden Planeten gibt. Sie zu erforschen wird die Bandbreite unseres Wissens genauso erweitern wie den Horizont unserer Phantasie. Eines ist uns immerhin schon klar geworden: Die Kreativität der Natur ist größer als unsere Vorstellungskraft.

(NG, Heft 1 / 2010)

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