Außergewöhnliche Fotos von Frauen in Konfliktzonen

Stephanie Sinclair hat letzte Woche einen internationalen Preis erhalten, welcher dem Engagement und der Tapferkeit von Fotojournalistinnen gewidmet ist.

Von Daniel Stone
Veröffentlicht am 27. Okt. 2017, 15:41 MESZ
Ritu Saini (vorn), 21, und Rupa, 23
Ritu Saini (vorn), 21, und Rupa, 23, genießen 2016 den Monsunregen auf einem Dach in Agra, Indien. Beide Frauen haben einen Säureangriff überlebt. Hunderte Frauen und Mädchen haben in Indien durch Säureangriffe Verletzungen erlitten. Ritu wurde von ihrem Cousin attackiert, als sie 15 war.
Foto von Stéphanie Sinclair

Was braucht es, um als eine der mutigsten Fotojournalistinnen der Welt ausgezeichnet zu werden?

Das kann man Stephanie Sinclair fragen. Sie erhielt letzte Woche den Journalistenpreis Anja Niedringhaus Courage in Photojournalism Award. Diese Ehre wird jedes Jahr von der Internationalen Stiftung für Frauen in den Medien an eine einzelne Fotografin vergeben.

Sinclair ist eine National Geographic-Fotografin, die bereits mit einem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde. Sie ist bekannt dafür, Zugang zu den prekärsten Gebieten der Welt zu erlangen, um dort fotografisch den Mangel an Menschenrechten oder das Streben nach Gleichberechtigung zu dokumentieren. Mit ihrem empathischen Blick fängt sie fesselnde Aufnahmen schutzloser Menschen ein. Kürzlich fotografierte sie das Gesicht des Albinismus und die marginalisierten Menschen, die damit leben.

Sinclairs herausragendste Arbeit ist ihre Bilderserie „Too Young to Wed“ (dt. „Zu jung zum Heiraten“), die sich über 15 Jahre erstreckt. Dafür bereiste die Fotografin die ganze Welt und dokumentierte die Auswirkungen, welche erzwungene Hochzeiten auf zu junge Mädchen haben. Auch das körperliche und emotionale Leid, das den Kinderbräuten angetan wird, ist ein Thema der Fotoserie. Sinclair hat viele der 50 Länder besucht, in denen Kinderhochzeiten stattfinden. Sie hat selbst gesehen, auf welche Arten und Weisen diese Praktiken die Kindheit und Jugend von fast 40.000 Mädchen jeden Tag verkürzen. Die Hochzeiten zwingen Mädchen, die mitunter erst neun Jahre alt sind, in die Rolle von Erwachsenen (und in Schwangerschaften) und isolieren sie von sozialen Kontakten.

Die Jury befand, dass Sinclair sich nicht nur durch ihre tiefgründigen und intimen Porträts auszeichnete. Sie fiel auch durch ihre Bereitschaft auf, an Orte des entsetzlichen Leids und der Grausamkeit zurückzukehren, um dort Fotos zu machen und auf der ganzen Welt das Bewusstsein für diese Dinge zu stärken.

BELIEBT

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    Männer tragen den 15-jährigen Hatem Qureya, nachdem er infolge eines Luftangriffs unter Schutt begraben wurde. Der Angriff auf das Viertel Bustan al Qasr im syrischen Aleppo erfolgte am 6. August 2012 und kostete mindestens acht Menschen das Leben, darunter fünf Kinder derselben Familie. Hatem starb später auf dem Weg zum Feldlazarett. Mindestens zwei Menschen, darunter ein Kind, waren unter dem Schutt gefangen, was den Rettungseinsatz erschwerte.
    Foto von Nicole Tung

    „Man stelle sich den Mut vor, den es braucht, um Tag für Tag den Geschichten des Schreckens zu lauschen, den diese jungen Mädchen erleben“, sagt Elisa Lees Munoz. Sie ist die Geschäftsführerin der Internationalen Stiftung für Frauen in den Medien. „Es ist also wirklich die Tapferkeit, sich dessen als seine Lebensaufgabe anzunehmen, sich diese Geschichten anzuhören und sie an die Öffentlichkeit zu bringen.“

    Zwei andere Fotografinnen finden ebenfalls eine ehrenvolle Erwähnung: Louisa Gouliamaki für ihre fesselnde Berichterstattung der europäischen Flüchtlingskrise und Nicole Tung, deren Arbeit den Zivilisten, die im Konflikt in Syrien, im Irak und im Iran festsitzen, eine Stimme und ein Gesicht verliehen hat.

    Die Reaktionen auf ihre Arbeit über die Kinderbräute hat Sinclair überwältigt. Sie half bei der Gründung einer Nichtregierungsorganisation, welche Spenden sammelt und darauf hinarbeitet, diese Praktiken einzudämmen. 2012 wirkte sie als Co-Produzentin bei der Dokumentation „Too Young to Wed“ mit. Die Organisation ist mittlerweile eine Partnerschaft mit dem Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen und anderen gemeinnützigen Organisationen eingegangen. Gemeinsam helfen sie dabei, diese Einengung des Lebens und der Chancen der jungen Mädchen zu verhindern.

    Hunderte von bewaffneten Demonstranten liefern sich am 20. Februar 2014 ein Gefecht mit der Polizei in der Nähe von Kiews zentralem Platz der Unabhängigkeit. Der Konflikt entbrannte trotz eines Waffenstillstandes, der nur Stunden zuvor vom damaligen bedrängten Präsidenten der Ukraine ausgerufen wurde. Die Demonstranten drängten die Polizisten zurück und hatten die Kontrolle über den Großteil des Platzes, den sie zu Beginn der politischen Krise des Landes besetzt hatten.
    Foto von Louisa Gouliamaki

    Die Internationale Stiftung für Frauen in den Medien verleiht den Preis jährlich zu Ehren von Anja Niedringhaus. Die deutsche Fotojournalistin wurde 2014 in Afghanistan getötet. Niedringhaus hatte den Preis für Mut im Journalismus für ihre Arbeit im Mittleren Osten nach den Anschlägen vom 11. September erhalten. Der Preis wurde zu ihren Ehren umbenannt, nachdem sie an einer Sicherheitsschleuse in Kabul erschossen wurde.

    Sinclair ist Niedringhaus nur im Vorbeigehen im Irak und in Afghanistan begegnet. Sie verfolgt auch einen anderen Ansatz als Niedringhaus, wenn es darum geht, Ungerechtigkeiten zu beleuchten. Anstatt in den gefährlichsten Kriegs- und Konfliktzonen zu arbeiten, reist Sinclair an – immer noch gefährliche – Orte, die man selten sieht, um Menschen zu treffen, die selten fotografiert werden.

    Ein israelischer Soldat springt von einem gepanzerten Fahrzeug. In der Hand hält er die Flagge zum 60. Geburtstag Israels. Seine Einheit feiert ihre Rückkehr vom Gaza-Streifen auf die israelische Seite der Grenze am 16. Januar 2009.
    Foto von Anja Niedringhaus, Associated Press

    Mit diesem Ansatz geht auch ein Abweichen vom traditionellen journalistischen Handeln einher, einfach nur zu beobachten. Der Preis ist auch eine Anerkennung für Sinclairs Mut, sich vom Beobachter zu einem Verfechter zu wandeln – eine Person, die ihre Kamera benutzt, um für Gerechtigkeit, Gleichbehandlung und Chancen zu kämpfen.

    „Stephanie ist beim besten Willen keine objektive Fotografin“, sagt Sarah Leen, die Leiterin des Bereichs Fotografie für National Geographic. „Sie ist eine leidenschaftliche Person. Wenn sie Ungerechtigkeit sieht, wird sie wütend, und dann fängt sie an, Veränderungen herbeizuführen.“

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