Norbert Rosing - Küsten wie gemalt
Zwei Jahre lang hat Norbert Rosing die deutsche Nord- und Ostsee im Wandel der Jahreszeiten fotografiert. Eine Liebeserklärung.
Lange Zeit war ich vor allem in der kanadischen Arktis unterwegs gewesen, wo ich Polarlichter, Eisbären und Polarfüchse fotografierte. Als der „Eiserne Vorhang“ fiel, begann ich, mich für meine Heimat zu interessieren. Vor allem für ihre so unterschiedlichen Naturräume zwischen Alpen und Ostsee, zwischen der Eifel und der Sächsischen Schweiz. Seit zehn Jahren reise ich für mein Projekt „Wildes Deutschland“ durchs Land und bin immer noch überrascht, welche Vielfalt es bietet.
Die deutsche Küste hat tausend Gesichter, und ich kann nicht sagen, welches mir am besten gefällt. Vielleicht Sylt? Die Dünen des „Ellenbogens“, die Farben der Heide, der ewige Strand ziehen mich stets aufs Neue in ihren Bann. Stürme mag ich besonders. Die Gewalt des Wassers, das unheimliche Grau der Wolken, Graupelkörner, die wie Geschosse durch die Luft fliegen. Wenn der Wind dann stirbt, liegt das Watt wie ein Spiegel unter einem riesigen Himmel. Schwärme von Watvögeln ziehen darüber hinweg, und ich empfinde ein großes Gefühl von Freiheit. Einen Augenblick lang gehört diese Welt mir ganz allein.
(NG, Heft 7 / 2015, Seite(n) 124 bis 133)