Die letzten amerikanischen Touristen in Nordkorea

Von Daniel Stone
bilder von David Guttenfelder
Veröffentlicht am 9. Nov. 2017, 03:41 MEZ
Tourist macht Selfie
Der Tourist Jacob Augustine macht auf dem Chuch’e-Turm in Pjöngjang ein Selfie.
Foto von David Guttenfelder, National Geographic

Trotz seiner restriktiven Gesetze, seines strengen Herrschers und seines Rufs als Einsiedlerkönigreich ist Nordkorea schon seit Langem für Besucher offen. Seit Jahren bringen chinesische Reiseveranstalter Ausländer in das Land – darunter auch etwa 1.000 Amerikaner jedes Jahr –, die dort dann eine geführte Tour mit inszenierten Besichtigungen und Fotogelegenheiten machen können. Zahlreiche Amerikaner konnten sich die Zeit in koreanischen Vergnügungsparks, Schulen und U-Bahnstationen vertreiben. Fast alle Besuche verliefen ohne bemerkenswerte Vorfälle.

Das änderte sich allerdings nach dem Tod von Otto Warmbier am 19. Juni. Der US-amerikanische Student wurde in Pjöngjang festgenommen, weil er versucht hatte, ein Poster aus einem Hotel zu stehlen. Mit Verweis auf die unmenschliche Behandlung von Warmbier – und inmitten der sich ohnehin verschlechternden Beziehungen der beiden Länder wegen der nuklearen Ambitionen des Regimes – hat das US-Außenministerium alle US-Reisepässe für Reisen nach Nordkorea gesperrt. (Das Regime nannte das Verbot eine „verwerfliche Maßnahme“.)

Bevor das Reiseverbot am 1. September in Kraft trat, gesellte sich der Fotojournalist David Guttenfelder zu einer Gruppe sechs amerikanischer Touristen, die einen Blick in die verschwiegenste Nation der Welt werfen wollten. Fast 20 Jahre lang war Guttenfelder einer der wenigen westlichen Journalisten, denen ein Aufenthalt in Nordkorea gestattet war. Er reiste, unter anderem im Auftrag von National Geographic, mehr als 50 Mal in das Land, um dessen politische und militärische Situation zu dokumentieren.

Alle Mitglieder der Gruppe sagten, dass ihre Motivation für die Reise ihre starke Neugier war. Ein Mann – ein Arzt aus Washington D.C. – unternahm die Reise in der Hoffnung, jeden medizinisch zu versorgen, der Hilfe brauchte. Brad Yoon, ein Uber-Fahrer aus Kalifornien, war noch nie ins Ausland gereist. Er hatte seinen Eltern gesagt, dass er nach China fliegen würde, damit sie sich keine Sorgen machten. Amy Kang, eine Frau mit koreanisch-amerikanischer Abstammung, reiste zusammen mit ihrem Mann, um etwas über ihre Herkunft zu lernen.

„Es war völlig anders, als ich es mir vorgestellt hatte“, sagte Kang. Nach all den Gruselgeschichten über das repressive Regime und den umfassenden Mangel an Freiheit war Kang überrascht, dass Pjöngjang eine funktionierende Stadt zu sein schien.

Als Tourist muss man sich natürlich in einer Blase aus Vorhersehbarkeit und Ruhe bewegen, immer unter dem wachsamen Blick der Führer und ohne spontane Gespräche mit den Einheimischen. Es gab keine plötzlichen Bewegungen, keine Überraschungen.

BELIEBT

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    Es gab geplante Ausflüge in einen Supermarkt, eine Bowlingbahn, eine Brauerei und einen Zirkus. Niemand erwähnte die nuklearen Drohgebärden des Landes oder den verbalen Krieg zwischen dem Diktator Kim Jong-un und dem US-Präsidenten Donald Trump. Als Nordkorea Ende August eine Rakete über Japan schoss und dafür international getadelt wurde, erfuhr Guttenfelder über sein Smartphone auf Twitter davon. Niemand um ihn herum schien davon zu wissen, inklusive seiner Führer.

    Die Anspannung des potenziellen militärischen Konflikts war jedoch spürbar. Guttenfelder hat Nordkorea in der Regierungszeit vier amerikanischer Präsidenten besucht und beobachtete, dass die Menschen seit dem Amtsantritt von Trump deutlich angespannter waren, als er es je zuvor erlebt hatte. Auf den Straßen gab es mehr Werbeplakate als gewöhnlich, die die USA verunglimpften. In einem Flughafengeschäft bemerkte er ein Buntglasfenster, das Kinder zeigte, die mit Bausteinen eine Rakete bauten.

    Die Tour beinhaltete einen Besuch in der Demilitarisierten Zone am 38. Breitengrad, wo nord- und südkoreanische Soldaten sich traditionell mit steinernen Mienen gegenüberstehen, getrennt durch einen etwa vier Kilometer breiten Streifen zwischen den zwei Ländern.

    Durch die Bedrohung des Krieges, der jederzeit ausbrechen könnte, befinden sich die zwei Militärs stets in Kampfbereitschaft. Für die amerikanischen Touristen hingegen hat das Reiseverbot eher zur Dringlichkeit beim Kauf von Andenken geführt. An einem Stand am Straßenrand tummelten sich die Touristen über Briefmarken, Produkten aus Ginseng und nordkoreanischem Alkohol. Auf einem der Tische lag ein Stapel mit antiamerikanischen Propagandapostern. Sie haben sie alle gekauft.

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