Buddhistischer Tempel hält Begräbnisfeiern für Robo-Hunde ab

Eine Reparaturfirma organisiert Zeremonien für die Verabschiedung der elektronischen „Organspender“.

Von James Burch
Veröffentlicht am 1. Juni 2018, 17:56 MESZ
Trauerfeier für geliebte Robo-Hunde
Diese Trauerfeier für Roboterhunde ist eine echte religiöse Zeremonie.

Ein Reisender, der zufällig in eine Trauerfeier für Roboterhunde hineinläuft, würde vermutlich erst mal stutzig werden.

Ist das eine Performance? Ein künstlerisches Statement über das moderne Leben? Ein Scherz?

Tatsächlich handelt es sich um eine echte religiöse Zeremonie – auch die Gefühle der Teilnehmer sind echt.

Im Fokus der Aufmerksamkeit steht ein Roboter in Hundeform. Als Sony den AIBO (kurz für: Artificial Intelligence Robot) 1993 auf den Markt brachte, wurden in Japan 3.000 Exemplare verkauft, der Großteil der ersten Auflage. Für einen Preis, der heutzutage umgerechnet 3.000 Dollar entsprechen würde, war das Produkt binnen 20 Minuten ausverkauft.

Allerdings schafften es die AIBOs nie über ihren Status als Nischenprodukt hinaus, sodass Sony die Produktion 2006 einstellte. In sieben Jahren hatte das Unternehmen insgesamt 150.000 der Roboter verkauft.

Manche AIBO-Besitzer hatten zu ihren Haustierrobotern jedoch eine innige Beziehung entwickelt.

Ihr Design ermöglichte ihnen komplexe, flüssige Bewegungen, und dank ihrer Programmierung waren sie trainierbar und hatten einen etwas schelmischen Charakter.

Mit der Zeit lernten sie ihre menschlichen Begleiter sogar „kennen“ und wurden von ihnen nicht weniger geliebt als ein echtes Haustier.

Zur Programmierung der AIBOs zählten sowohl hündische Verhaltensweisen wie Schwanzwedeln als auch menschliche Eigenarten wie Tanz und – bei späteren Modellen – Sprache.

Als Sony 2014 ankündigte, den Update-Support für die alternden Roboter einzustellen, vernahmen die AIBO-Besitzer eine deutlich traurigere Botschaft: Ihre Roboterhunde würden sterben. Die Community der hingebungsvollen Besitzer begann, Tipps darüber auszutauschen, wie man sich in Ermangelung eines offiziellen Supports um sein Haustier kümmern könnte.

TIERÄRZTE FÜR ROBO-HUNDE

Nobuyuki Norimatsu hatte eigentlich gar nicht vor, ein Cyber-Krankenhaus zu eröffnen. Laut Nippon.com betrachtete es der ehemalige Sony-Angestellte und Gründer der Reparaturfirma A-Fun einfach als seine Pflicht, die Produkte seiner Firma weiter zu unterstützen.

Aber dann kam die erste Anfrage für eine AIBO-Reparatur. Nippon.com berichtete, dass zunächst niemand so recht wusste, was zu tun war. Nach Monaten es Herumprobierens stand der Robo-Hund dann aber wieder auf seinen vier Pfoten. Schon bald trafen bei A-Fun beständig Anfragen für AIBO-Reparaturen ein – die nur mithilfe von Ersatzteilen defekter AIBOs durchgeführt werden konnten.

Hiroshi Funabashi, der die Reparaturen beaufsichtigt, fiel auf, dass die Kunden der Firma die Probleme ihrer Haustierroboter mit Begriffen wie „schmerzende Gelenke“ beschrieben. Da begriff Funabashi, dass die AIBOs für sie keine Elektrogeräte waren, sondern Familienmitglieder.

Norimatsu betrachtet die defekten AIBOs, die seiner Firma überlassen wurden, daher als „Organspender“. Aus Respekt vor der emotionalen Bindung der Besitzer an die „verstorbenen“ Geräte beschlossen er und seine Kollegen deshalb, Trauerfeiern zu veranstalten.

A-Fun wandte sich an Bungen Oi, der obersten Priester des buddhistischen Tempels Kōfuku-ji in Isumi, einer Stadt in der Präfektur Chiba. Oi willigte ein, das Opfer der Spender-AIBOs zu würdigen, bevor sie auseinandergenommen wurden. 2015 fand in dem jahrhundertealten Tempel die erste Roboter-Begräbnisfeier für 17 ausgemusterte AIBOs statt. Genau wie bei den Reparaturanfragen stieg auch die Nachfrage nach den Trauerfeiern rasant.

Mit der jüngsten Trauerfeier vom April 2018 stieg die Zahl der so gedachten AIBOs auf etwa 800. Auf Schildern an den Spender-AIBOs stehen die Namen der Hunde und ihrer Besitzer.

Zu der Trauerfeier gehören auch Gesänge und das Verbrennen von Weihrauch – genau wie bei Feiern für menschliche Verstorbene. Mitarbeiter von A-Fun nehmen an den privaten Zeremonien teil und dienen als Ersatz für die „Familien“ der Roboterhunde. Anstelle der üblichen Opfergaben wie Früchte werden Zangen vor die Hunde gelegt. Sogar die buddhistischen Sutras werden von Robotern vorgetragen.

Laut dem obersten Priester Oi ist die Ehrung unbelebter Gegenstände mit dem Buddhismus vereinbar. Nippon.com zitierte den Priester: „Obwohl der AIBO eine Maschine ist und keine Gefühle hat, dient er als Spiegel für menschliche Emotionen.“ Bei einem Gespräch mit dem Videofilme Kei Oumawatari zitiert Oi den Ausspruch: „Alles hat die Buddha-Natur in sich.“

AIBOs und andere ähnliche Roboter sind besonders bei älteren Menschen beliebt. Die begrenzte Forschung in diesem Bereich lieferte Hinweise darauf, dass die Roboter potenziell ähnlich wie Therapietiere wirken könnten. Allerdings könnte eine Bindung an die Maschinen auch ein Symptom von Einsamkeit sein, die in Japan zunehmend ein Problem darstellt.

Sony hat bereits eine neue Produktreihe höher entwickelter AIBOs vorgestellt. Obwohl diese anscheinend nicht mit ihren Vorgängern kompatibel sind, haben sie wohl eine gute Chance, bei der entsprechenden Zielgruppe ähnlich beliebt zu werden.

Die AIBO-Begräbnisfeiern sind zwar nicht öffentlich, aber Japanreisende können den historischen Tempel Kōfuku-ji in Isumi dennoch jederzeit besuchen. Er ist einer von mehreren Tempeln in der Region, die Arbeiten des meisterhaften Holzschnitzers Nami no IHACHI aufweisen.

 

 

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